Oktober 2023 – Ausgabe 42

Zyklusbasiertes Training

Von Laura Philipp und Katharina Gehrmann

Die Domäne des Sporttrainings unterliegt einem stetigen Wandel, immer bestrebt, Trainingsmethoden zu optimieren, um erstklassige Leistungen zu ermöglichen. Die Symbiose zwischen Sport und Wissenschaft hat in den letzten Jahren zu einer Vielzahl von Erkenntnissen geführt, die das Training individuell an die Bedürfnisse des Körpers anpassen. Dabei steht nicht nur die Leistung im Fokus, sondern auch die Gesundheit der Athletinnen und Athleten. Ein Konzept, das zunehmend an Aufmerksamkeit gewinnt, ist das zyklusbasierte Training für Frauen.

Mit dem Ziel, die weibliche Physiologie und hormonelle Schwankungen zu berücksichtigen, hat dieses Trainingsmodell das Potenzial, die sportliche Leistung und das Wohlbefinden von Sportlerinnen zu revolutionieren. Es berücksichtigt nicht nur die weibliche Physiologie, sondern kann auch dazu beitragen, das Risiko des relativen Energiedefizit-Syndroms (RED-S) zu minimieren. Eine Leistungssteigerung soll nicht zulasten der eigenen Gesundheit erfolgen.

Nicht nur Profiathletinnen können sich dieses Wissen zunutze machen, auch Freizeitsportlerinnen können dies effektiv in ihr Training integrieren. Eine Vorreiterin auf diesem Gebiet ist die Profi-Triathletin Laura Philipp. Mit einer Serie von YouTube- Videos hat sie erstmals das wichtige Thema des zyklusbasierten Trainings behandelt und die essenziellen Informationen anschaulich und praxisnah zugänglich gemacht.

Das Konzept

Das Konzept des zyklusbasierten Trainings beruht darauf, die hormonellen Schwankungen zu berücksichtigen, die in den verschiedenen Phasen des natürlichen Menstruationszyklus auftreten. Im Laufe des Zyklus durchlaufen Frauen hormonelle Veränderungen, die sich auf ihre körperliche Leistungsfähigkeit und ihr Energielevel auswirken können.

Das zyklusbasierte Training ermöglicht eine Anpassung der Belastung und Intensität während des Zyklus, um die jeweiligen körperlichen und hormonellen Schwankungen zu berücksichtigen. In den Phasen des Zyklus, in denen die Energie höher ist, kann das Training intensiver gestaltet werden, während in den Phasen mit geringerer Energie die Belastung reduziert wird, um Überlastung zu vermeiden. Der Menstruationszyklus dient bei einem zyklusbasierten Training somit als Grundlage für die Trainingsplanung.

Typischerweise umfasst das Konzept die vier Hauptphasen des Zyklus: die Menstruationsphase, die Follikelphase, den Eisprung und die Lutealphase. Jede Phase bringt unterschiedliche hormonelle Profile und körperliche Reaktionen mit sich, die das Training und die Leistung der Athletin beeinflussen können. Durch die Berücksichtigung der verschiedenen hormonellen Begebenheiten in den einzelnen Phasen kann das Training optimiert werden, um von den hormonellen und physiologischen Veränderungen zu profitieren.

Welche Vorteile bringt ein zyklusbasiertes Training mit sich?

Zyklusbasiertes Training zur Prävention von RED-S

Eine besondere Relevanz kommt dem zyklusbasierten Training im Kontext des RED-S zu. Das Syndrom ist gekennzeichnet durch eine zu geringe Energieaufnahme, um den Bedarf einer Person decken zu können. Dies kann längerfristig zu Störungen des Hormonhaushaltes, des Verlustes an Knochendichte und weiteren gesundheitlichen Komplikationen und folglich auch zu Leistungseinbußen führen. Ein zyklusbasiertes Training kann dazu beitragen, dass Frauen bewusster auf ihren Körper hören und ihm die richtigen Signale senden, um Überbelastung und Energiemangel zu vermeiden.

Optimierte Leistung

Der weibliche Hormonzyklus, insbesondere der Östrogen- und Progesteronspiegel, kann sich auf die Leistungsfähigkeit auswirken. Während der ersten Hälfte des Zyklus, der sogenannten Follikelphase, sind die Östrogenspiegel höher, was zu einer besseren Kohlenhydratspeicherung und einer verbesserten Fettverbrennung führen kann. Dies kann sich positiv auf die Ausdauerleistung auswirken, da mehr Energie verfügbar ist. In der Lutealphase, der zweiten Hälfte des Zyklus, kann der Progesteronspiegel die Körpertemperatur leicht erhöhen, was sich möglicherweise auf die thermoregulatorischen Anforderungen beim Training auswirken kann. Durch die Anpassung der Trainingsintensität und -dauer in den verschiedenen Phasen des Zyklus kann die Leistung optimiert werden.

Regeneration und Verletzungsprävention

Durch die gezielte Integration von Erholungsphasen in den Trainingsplan können Frauen ihre Regenerationsfähigkeit optimieren. Dies ist besonders wichtig, da sie in manchen Phasen ihres Menstruationszyklus anfälliger für Verletzungen sein können. Das zyklusbasierte Training hilft, das Risiko von Übertraining und Verletzungen zu minimieren, indem es dem Körper in den entsprechenden Phasen Zeit zur Erholung gibt.

So kann in der Follikelphase, wenn die Östrogenspiegel erhöht sind, die Körpersensibilität für Insulin verbessert sein. Dies kann dazu beitragen, die Regeneration der Kohlenhydratspeicher in den Muskeln zu beschleunigen, was wiederum eine schnellere Erholung nach intensiven Trainingseinheiten ermöglicht. Während dieser Phase kann die Erholungszeit nach anspruchsvollen Einheiten verkürzt sein.

In der Lutealphase hingegen, wenn der Progesteronspiegel ansteigt, können Anpassungen des Körpers an körperliche Belastungen verstärkt auftreten. Dies kann ebenfalls zur Verbesserung der Erholung beitragen, da der Körper effizienter auf die Reize des Trainings reagieren kann.

Der weibliche Hormonzyklus kann auch das Verletzungsrisiko beeinflussen. In der Lutealphase können Frauen anfälliger für Gelenkbeschwerden und muskuläre Probleme sein. Durch die Anpassung des Trainingsvolumens und der Intensität in dieser Phase kann das Verletzungsrisiko minimiert werden.

Hormonelle Vorteile

Ein zyklusbasiertes Training kann sich positiv auf das Hormonsystem auswirken. Es wurde festgestellt, dass regelmäßige Bewegung den Hormonhaushalt bei Frauen verbessern kann, was dazu beiträgt, den Menstruationszyklus zu regulieren und PMS-Symptome zu lindern.

Stärkung des Selbstbewusstseins

Das zyklusbasierte Training kann Frauen dabei unterstützen, ein besseres Verständnis für ihren Körper und ihre Bedürfnisse während des Menstruationszyklus zu entwickeln. Dies kann zu einem gesteigerten Selbstbewusstsein und Selbstvertrauen führen, da Frauen ihre körperlichen Fähigkeiten und Grenzen besser einschätzen können.

Verbesserung der Trainingsmotivation

Die Variation im zyklusbasierten Training kann dazu beitragen, die Trainingsmotivation bei Frauen aufrechtzuerhalten. Indem sie ihre Ziele und Trainingsintensität während des Zyklus anpassen, können Frauen das Training als weniger monoton und als interessanter empfinden.

Unterstützung für spezifische Ziele

Frauen haben oft verschiedene Ziele im Fitnessbereich, sei es Muskelaufbau, Fettabbau oder Verbesserung der Ausdauer. Das zyklusbasierte Training kann darauf abzielen, diese spezifischen Ziele während bestimmter Phasen des Zyklus zu unterstützen, um optimale Ergebnisse
zu erzielen.

Regeneration und Interaktion von Stresshormonen

Ein weiterer faszinierender Aspekt liegt in der Beziehung zwischen Regeneration und Interaktion von Stresshormonen mit dem Menstruationszyklus. Dies kann insbesondere in kontinuierlichen Glukosemonitorings (CGM) beobachtet werden. Die Interaktion dieser Faktoren zeigt sich deutlich in den erhobenen Daten.

In der zweiten Phase des Menstruationszyklus können Herausforderungen in Bezug auf Regeneration, insbesondere aufgrund von Stress, erhebliche Auswirkungen haben. Wenn Frauen in dieser Phase nicht gut regenerieren, beispielsweise aufgrund von Stressbelastungen, können sie nachts in eine Unterzuckerung fallen. Dies wirkt sich negativ auf den Schlaf aus, indem weniger Tiefschlaf und REM-Schlaf bei gleicher Schlafdauer erreicht werden. Als Konsequenz davon erholen sie sich schlechter und reagieren am nächsten Tag deutlich empfindlicher auf Schwankungen des Blutzuckerspiegels.

Diese aufeinander aufbauenden Effekte können sich negativ verstärken, was zu einem Teufelskreis führt. Die verkürzte Lutealphase, verstärkte prämenstruelle Symptome (PMS) und letztlich sekundäre Amenorrhoe sind mögliche Folgen dieser negativen Wechselwirkungen.

Dieser Prozess wird durch morgendliches Training auf nüchternen Magen und eine kohlenhydratarme Ernährung am Morgen weiter begünstigt. Aufgrund der höheren Stresshormonspiegel am Morgen resultiert daraus ein konstant niedriger Blutzuckerspiegel im Laufe des Tages. Dies wiederum kann am Nachmittag zu maximaler Instabilität führen und nachts zu einer vollständigen Unterzuckerung, die das eigentliche Problem darstellt.

Die Zusammenhänge zwischen Regeneration, Stresshormonen und dem Menstruationszyklus werfen ein Licht auf die Komplexität der weiblichen Physiologie. Diese Erkenntnisse verdeutlichen, wie ein ganzheitlicher Ansatz im zyklusbasierten Training nicht nur die sportliche Leistung optimieren, sondern vor allem auch die Gesundheit und das Wohlbefinden der Frauen fördern kann.

Umsetzung der Theorie in die Praxis

Wie kann die theoretische Grundlage nun praktisch umgesetzt werden? Ein bewährtes Instrument zur Umsetzung ist das Tracking des Blutzuckerspiegels, etwa mittels Systemen wie Supersapiens.

Die Aufrechterhaltung einer stabilen Blutzuckerregulation in der zweiten Phase des Menstruationszyklus oder die Vermeidung von Unterzuckerzuständen hat sich als besonders effektiv erwiesen, um vor allem Regelblutungen erfolgreich wiederherzustellen.

Aller Anfang ist schwer. Um in ein zyklusbasiertes Training starten zu können, ist zunächst eine gute Dokumentation notwendig. Die leistungsärmeren Tage sollen dadurch identifiziert werden und ein Vorausplanen von sinnvoll gesetzten Regenerationsphasen wird möglich. Dabei ist es wichtig, zu verstehen, dass ausreichend Regeneration genauso bedeutend für den Trainingserfolg ist wie zielgerichtetes Training. Der Menstruationszyklus bietet dabei einen natürlichen Rahmen, diese Regenerationsphase sinnvoll zu setzen, denn generell gilt, dass jede 4. bis 5. Woche regenerativer gestaltet werden sollte.

Grundsätze: Zyklusphasen und Trainingsintensität

Menstruation (Tag 1 bis 6)

  • regenerative und kürzere Einheiten → Trainingsumfang gering halten
  • weniger ist mehr, lieber eine Einheit ausfallen lassen
  • ausreichend Schlaf forcieren
  • Körpersignale beachten
  • 10 % HIIT-Training

Diese Punkte sind vor allem in den ersten drei Tagen zu berücksichtigen.

Follikelphase (Tag 7 bis 14)

  • vermehrt anstrengendere Einheiten (z. B. Intervalle) integrieren
  • Für die Zeit des Eisprungs gilt: auf Körpersignale achten! Viele Frauen erleben sich hier als sehr leistungsfähig. Es gibt aber auch Frauen, die um den Eisprung herum müder werden. Daran sollte das Training unbedingt angepasst werden!
  • HIIT bis auf 20 % erhöhen
  • Pacebereich an Energielevel anpassen

Lutealphase (Tag 15 bis 28)

Mittlere Lutealphase:

  • länger und lockerer trainieren
  • direkt nach dem Training einen Snack essen
  • Kalorien- / Proteinzufuhr generell erhöhen
  • HIIT auf max. 10 bis 15 % verringern

Späte Lutealphase:

  • HIIT auf 5 % verringern
  • Körpersignale wahrnehmen und entsprechend mehr Ruhephasen einbauen, wenn nötig

Ein Expertenrat lautet: Wenn du deine Körpertemperatur aufzeichnest, behalte die Dauer deiner Follikel- und Lutealphase im Auge. Sollte eine Erhöhung der Trainingsintensität zu einer Verlängerung der Follikelphase oder einer Verkürzung der Lutealphase führen, könnte dies ein erstes Zeichen von Übertraining sein. In solchen Fällen ist es ratsam, ein besonderes Augenmerk auf Regenerations- maßnahmen und Ernährung zu legen.

Fazit

Zyklusbasiertes Training für Frauen hat das Potenzial, die Art und Weise zu revolutionieren, wie Frauen ihre sportliche Leistung optimieren und ihr Wohlbefinden aufrechterhalten können. Oberste Priorität sollte dabei immer die Gesundheit einer Athletin haben. Die Individualisierung des Trainingsplans unter Berücksichtigung des Menstruationszyklus und die Prävention des RED-S sind dabei Schlüsselelemente. Während die Diskussion über dieses Thema schon seit einigen Jahrzehnten besteht, rückt erst jetzt, in einer Ära der personalisierten Medizin und des individualisierten Trainings, das zyklusbasierte Training für Frauen in den Blickpunkt.

Abschließend ist hervorzuheben, dass nicht alle Frauen die gleichen hormonellen Schwankungen erleben und die Reaktion des Körpers auf das Training individuell variieren kann. Daher ist es ratsam, mit einem qualifizierten Trainer oder Fachmann zusammenzuarbeiten, der Erfahrung mit zyklusbasiertem Training hat, um ein auf die individuellen Bedürfnisse und Ziele abgestimmtes Programm zu entwickeln. Laura Philipp und andere Wegbereiterinnen legen den Grundstein für die Etablierung des zyklusbasierten Trainings. Es bleibt zu hoffen, dass dieses Wissen Athletinnen unabhängig von ihrem Niveau erreicht und zunehmend Einzug in die Sportpraxis findet. Auf diese Weise können Frauen zukünftig im Einklang mit ihrem Zyklus trainieren und nicht gegen ihn arbeiten.

Laura Philipp
Katharina Gehrmann
management@lauraphilipp.de

Die Spitzen-Triathletin Laura Philipp arbeitet mit ihrem Trainerteam um Philipp Seipp, der auch anderen Athleten professionelles Training anbietet. Laura Philipp wird u.a. von der ATOS Klinik Heidelberg unterstützt.