Mai 2022 – Ausgabe 39
Verletzungen und Überlastungsschäden beim Triathlon
Prof. Dr. med. Holger Schmitt
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Schlüsselwörter: Triathlon, Überlastungsreaktion, Stressfraktur, Insertionstendopathien, Achillessehnenreizung
Triathlon ist eine Nonstop- Ausdauersportart mit den Teildisziplinen Schwimmen, Radfahren und Laufen, die hohe Anforderungen an den Stütz- und Bewegungsapparat stellt. Neben der Ausdauerleistungsfähigkeit sind zusätzlich auch Kraft und Kraftausdauer sowie Schnelligkeit gefragt. Das Verletzungsrisiko ist beim Schwimmen am geringsten, beim Radfahren am höchsten.
Das zunehmende Gesundheitsbewusstsein der Bevölkerung in den letzten 20 bis 30 Jahren hat durch das gesteigerte Interesse an einer aktiven Freizeitgestaltung und hier insbesondere an den Ausdauersportarten zu einem großen Zuwachs für die Sportart Triathlon geführt. Mittlerweile wird Triathlon in praktisch allen Lebensphasen ausgeübt, in den meisten Fällen im Sinne des Breitensports, teilweise auch im Bereich des Hochleistungssports. Man geht davon aus, dass aktuell in Deutschland jährlich ca. 200.000 Menschen Triathlon betreiben.
Wissenschaftlich belegt ist, dass keine andere Ausdauersportart, für sich allein und einseitig betrieben, so umfangreich die Muskulatur, den Stoffwechsel und das HerzKreislaufSystem des Menschen trainiert wie Triathlon. Im Hochleistungsbereich kommt es durch den Trainings umfang (bis zu 1.600 Trainingsstunden im Jahr und durchaus übliche Belastungsdimensionen von 30 km Schwimmen, 900 km Radfahren und 130 km Laufen pro Woche) zu extremen Anforderungen an den Stütz- und Bewegungsapparat. Verwandte Sportarten des Triathlon sind der Quadrathlon (zusätzlich Paddeln), der Duathlon (Schwimmen und Radfahren/ Schwimmen und Laufen), und Bikerun (Fahrradfahren und Laufen). Der bekannteste und seit mehr als 40 Jahren stattfindende Triathlon ist der UltraTriathlon „Iron Man“ auf Hawaii, bei dem es aufgrund der Außentemperaturen von mehr als 30 °C, einer Luftfeuchtigkeit von 70 bis 80 % und teilweise auch Seitenwind von mehr als 70 km/h zu einer besonderen Beanspruchung des Athleten kommt. Neben den Profis starten bei diesem Wettbewerb auch Altersklassenathleten, die sich über einen anderen Ultratriathlon Wettbewerb qualifizieren müssen.
Seit dem Jahr 2000 ist Triathlon auch olympische Disziplin. Die olympische Distanz besteht aus 1,5 km Schwimmen, 40 km Radfahren und 10 km Laufen. Einen Überblick über die unterschiedlichen Distanzen im Triathlon gibt Tabelle 1.
Anforderungen beim Triathlon
Nach Dr. Thilo Hotfiel, Verbandsarzt der Deutschen Triathlon Union, geht Triathlon mit besonderen Anforderungen und Belastungen einher: „Die physischen und mentalen Anforderungen unterscheiden sich grundlegend je nach der ausgeführten Distanz und den Leistungsansprüchen des individuellen Sportlers. Auswertungen der Sprint und Kurzdistanzen zeigen intervallartige Belastungsprofile, die neben der Ausdauerleistungsfähigkeit erhebliche Anforderungen an die Kraft- und Kraftausdauer, sowie die Schnelligkeit eines Athleten stellen. Eine hervorragende Schwimmleistung, intervallartige Belastungsprofile beim Radfahren (Spitzenbelastungen über 1.000 Watt über mehrere Sekunden) und Sprintfähigkeiten eines Mittelstreckenläufers sind erforderlich, um in den Sprint und Kurzdistanzen auf nationaler und internationaler Ebene erfolgreich sein. In den Langdistanzen steht klassischerweise die Entwicklung der Langzeitausdauer im Vordergrund. Eine adäquate Steuerung der Flüssigkeits- und Energieaufnahme sowie der Thermoregulation sind von enormer Bedeutung und können nicht nur über den Erfolg oder Misserfolg eines Wettkampfes entscheiden, sondern auch das Auftreten von akuten gesundheitlichen Problemen (z. B. Dehydratation, Elektrolytentgleisungen, Hyperthermie) beeinflussen“. So beschrieb es Dr. Hotfiel im GOTSNewsletter 2021.
Grundsätzlich kann es im Triathlon bei allen drei Disziplinen zu Verletzungen und Überlastungsschäden kommen. Insbesondere bei leistungsorientierten Freizeitathleten treten auch – verursacht durch zu rasch steigende Trainingsvolumina – Überlastungsschäden auf.
Schwimmen
Akute Verletzungen beim Schwimmen sind relativ selten. Häufig resultieren sie aus Positionskämpfen und dem erforderlichen Kampfschwimmverhalten der Athleten vor allem beim Start und an den Bojen. Schürfwunden durch Kälteschutzanzüge, Muskelverletzungen sowie Lidverletzungen durch Tritt und Schlag auf die Schwimmbrille werden beschrieben. Häufiger kommt es zu Überlastungsfolgen: An erster Stelle finden sich Insertionstendopathien an der Schulter, ein sekundäres ImpingementSyndrom bei Schulterinstabilität, eine muskuläre Dysbalance des Schultergürtels oder rezidivierend auftretende Entzündungen an den Schleimbeuteln subakromial.
Radfahren
Die meisten akuten Verletzungen in der Sportart Triathlon ereignen sich beim Radfahren. Aufgrund der teilweise hohen Geschwindigkeiten und dem Fahren in der Gruppe mit dem Abdrängen von außen fahrenden Athleten und den daraus resultierenden Kollisionen kann es zu Sturzereignissen kommen. Diese führen gehäuft zu Verletzungen der oberen Extremität. Neben Schürfungen und Prellungen sind Klavikulafrakturen und Schultereckgelenksprengung sowie Unterarmfrakturen die häufigsten Verletzungen. Auch SchädelHirnTraumata werden beschrieben. Wissenschaftlich belegt ist mittlerweile, dass das Tragen eines Helms zu einer signifikanten Reduktion der SchädelHirnTraumen geführt hat. Überlastungsschäden werden im Bereich der unteren Extremität bei Radfahrern festgestellt, insbesondere in der Kniegelenkregion mit Insertionstendopathien am proximalen und distalen Patellapol, darüber hinaus Myalgien im Schulter NackenBereich.
Laufen
Die häufigsten akuten Verletzungen beim Laufen resultieren aus Umknicken des oberen Sprunggelenkes. Hierbei kann es zu Kapselbandverletzungen, selten auch zu Frakturen kommen. Auch Muskelverletzungen, hier insbesondere auf der Rückseite des Oberschenkels, können auftreten.
Wesentlich häufiger finden sich Überlastungsreaktionen der unteren Extremität (Abb. 13). Intensive repetitive Belastungen können zu Stressreaktionen bis hin zu Stressfrakturen führen. Prädilektions stellen hierfür sind: Metatarsalia, Tibia, Fibula, Kalkaneus, Femur, Becken.
Weit häufiger kommt es zu Sehnenreizungen und Entzündungen des Unterschenkels. An erster Stelle steht hier die Achillessehne, die durch entzündliche Reaktionen belastet werden kann (Abb. 2). Neben Degenerationen der Achillessehne werden Peritendinitiden sowie auch Schleimbeutelentzündungen zwischen Kalkaneus und Achillessehne angetroffen. Auch die Plantarfaszie unter dem Fuß kann bei intensiven Laufbelastungen überlastet werden und zu entzündlichen Veränderungen führen.
Allen entzündlichen Veränderungen ist gemein, dass sie teilweise eine langwierige Therapie benötigen. Problematisch hierbei ist häufig, dass unter Alltagsbedingungen keine oder nur wenig Beschwerden auftreten und diese sich erst nach einer gewissen sportlichen Belastung einstellen. Somit ist der Athlet häufig nicht gezwungen, die sportliche Belastung frühzeitig zu reduzieren. Er trainiert teilweise sogar unter Zuhilfenahme von Antiphlogistika weiter und überlastet somit seinen Bewegungsapparat dauerhaft. In diesen Fällen kann es zu chronischen entzündlichen Veränderungen an den Sehnen kommen, die ggf. nicht mehr nur konservativ behandelt werden können, sondern in einzelnen Fällen auch operativ angegangen werden müssen.
Konservative Therapiemaßnahmen
Je nach Beschwerdesituation können die konservativen Therapiemaßnahmen umfassend sein. Der Athlet ist in seiner Gesamtheit vom Kopf bis zum Fuß zu betrachten, um insbesondere auftretende Überlastungsschäden erfolgreich zu behandeln. Üblicherweise können physiotherapeutische Maßnahmen mit dehnenden Techniken der betroffenen Sehnen und Muskelareale sowie begleitende durch blutungsfördernde Maßnahmen zu einer Beschwerdelinderung führen. Im Wesentlichen ist jedoch eine Reduktion der sportlichen Belastung anzustreben, damit die überlastete Region sich erholen kann.
Auf die Statik und die biomechanischen Belastungsachsen ist zu achten, sodass auch eine Schuhzurichtung oder weitere äußere Maßnahmen erforderlich werden können, um den Sportler möglichst frühzeitig und ungefährdet wieder seiner Sportart zurückführen zu können. Unabhängig davon, welche der drei Disziplinen zu Beschwerden geführt hat, sind grundsätzlich kräftigende Maßnahmen zu empfehlen. Insbesondere der Rumpf ist hier entscheidend, da die Stabilität einer guten Bauch und Rückenmuskulatur in allen drei Teildisziplinen notwendig und unabdingbare Voraussetzung zur uneingeschränkten Belastbarkeit ist.
Sollten diese konservativen Therapiemaß nahmen nicht zur gewünschten Linderung führen, muss sich eine weiterführende Diagnostik anschließen. In manchen Fällen können lokale Injektionen mit entzündungs-hemmenden Präparaten und eine vorübergehende Sportpause zu einer Heilung führen. Kommt es tatsächlich zu einem chronischen Beschwerdebild, bei dem gegebenenfalls anatomische Faktoren mit verantwortlich gemacht werden, kann auch ein operatives Vorgehen erforderlich werden.
Prävention
Zu den sportartspezifischen Präventionsmaßnahmen beim Schwimmen zählt das Erlernen der Bojenschwimmtechnik zur Vermeidung von Kollisionen. Schulter schädigende Aufwärmübungen sollten unterbleiben, die Paddelbenutzung am Saisonbeginn und zum Einschwimmen gegebenenfalls reduziert werden. Eine Dehnung der verkürzten Muskeln im SchulterNackenRückenbereich kann zu einer Verbesserung der Belastungsfähigkeit führen. Das Auftrainieren der Schultergelenksinnenrotatoren und das Kräftigen der schulteraufrichtenden Muskulatur sollten das Basistraining komplettieren.
Beim Radfahren hat das Tragen des Helmes zu einer erheblichen Reduktion der SchädelHirnTraumen geführt. Techniktraining mit Radspezialisten ist sinnvoll, um auch die Sitzposition zu optimieren. Auf das richtige Wirbelsäulentraining wurde bereits weiter oben hingewiesen.
Zur Prävention der laufspezifischen Probleme ist eine genaue Diagnostik der Statik der unteren Extremitäten und Wirbelsäule erforderlich. Gegebenenfalls sollten ein Beinlängenausgleich sowie eine Einlagenversorgung erfolgen. Muskeltraining und Dehnung der überbelasteten Sehnenstrukturen sollten ergänzt werden. Wichtig ist eine langsame Umfangssteigerung insbesondere im Bereich des ambitionierten Breitensportes, weil hier häufig Überlastungsschädigungen vorkommen.
Grundsätzlich lässt sich für alle Disziplinen festhalten, dass die Intensität der Belastung, Vorschäden, anatomische Voraussetzungen, die vorhandene Ausrüstung, das gewählte Trainingsgelände sowie auch das Körpergewicht bei der Belastungssteigerung berücksichtigt werden müssen.