Mai 2023 – Ausgabe 41

Verletzungen und Sportschäden bei alten Patienten

Schmitt

Prof. Dr. med. Holger Schmitt
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Schlüsselwörter: Training in höherem Alter, Sturzrisiko, Sehnendegeneration, Arthrose, Gelenkersatz, Bandverletzung

Sportliche Aktivitäten in höherem Lebensalter dienen dem Erhalt der Gesundheit und der Vorbeugung von kardiopulmonalen und metabolischen Erkrankungen. Die gewählte Sportart sollte an die motorischen Fähigkeiten angepasst sein; meist werden Ausdauersportarten bevorzugt. Die Muskel- und Sehnendegeneration sowie Arthrosen sind die wichtigsten limitierenden Faktoren seitens des Bewegungsapparats.

Grundsätzlich sollte bis ins hohe Lebensalter die Möglichkeit bestehen, körperlich aktiv zu sein und auch Sport zu treiben. Wer sich regelmäßig bewegt, hat eine geringeres Risiko, an Diabetes Typ II zu erkranken, eine Hypertonie oder Fettstoffwechselstörung zu entwickeln. Verbunden mit einem gesunden Lebensstil resultieren daraus eine bessere Lebensqualität und eine geringere Erkrankungsrate sowie eine längere Lebenszeit.

Neben den wissenschaftlich belegten positiven Aspekten des Sports auf das kardiopulmonale und auch metabolische System sind auch positive Effekte auf den Bewegungsapparat bekannt. Zahlreiche Studien konnten belegen, dass auch im höheren Lebensalter spezielle Trainingsprogramme dazu führen können, dass die erhöhte Sturzneigung beim Menschen über 65 Jahren erheblich reduziert werden kann. Insbesondere eine Kombination aus Kraft- und Koordinationstraining trägt dazu bei, im Bereich der Sturzprävention erhebliche Effekte zu erzielen. Ein Studienprojekt in Ulm konnte aufzeigen, dass ein multifaktorielles Programm bei alten Menschen das Sturzrisiko um 40% und das Hüftfrakturrisiko um 30% reduzieren kann.

Grundsätzlich werden in Sportarten die verschiedenen motorischen Beanspruchungsformen Ausdauer, Kraft, Koordination, Beweglichkeit und Schnelligkeit unterschiedlich benötigt. Mit zunehmendem Lebensalter werden moderate Ausdauersportarten bevorzugt, da mit altersbedingter Rückbildung der motorischen Fähigkeiten häufiger verletzungsarme Sportarten ausgewählt werden. Moderat ausgeübte Ausdauersportarten haben auch den Vorteil, dass sie dabei helfen, eine Gewichtszunahme zu verhindern. Hierzu gehören Sportarten wie Jogging, Walking, Triathlon, Duathlon, Radfahren, Inlineskating, Schwimmen oder Skilanglauf.

Demgegenüber haben teilweise auch bei älteren Menschen leistungssportliche Ambitionen eine Bedeutung. In den verschiedenen Altersklassen, die in den einzelnen Sportarten unterschiedlich definiert sind, kann an Wettbewerben bis hin zu Weltmeisterschaften teilgenommen werden. So ist es einzelnen Athleten heutzutage möglich, auch im Alter über 70 Jahren z. B. einen Marathonlauf in weniger als 3 h zu absolvieren oder beim Stabhochsprung noch Höhen von deutlich über 3 m zu überwinden. Gerade auch bei diesen Athletinnen und Athleten, die durch ein regelmäßiges Training die körperliche Fitness auf einem sehr hohen Wert halten können, gibt es Grenzbereiche, in denen der Organismus sensibel reagiert.

Muskel- und Sehnenverletzungen

Die meisten Probleme entwickeln sich mit zunehmendem Lebensalter an den Musel-Sehnen-Strukturen, bedingt durch die zunehmende Degeneration der Sehnen. Sie führt dazu, dass es im Laufe der Zeit zu einem Elastizitätsverlust kommt. Hiermit wird die Kraftübertragung des Muskels verzögert, teilweise verhindert und somit durch die geringere Belastungstoleranz bei starker Belastung eine Verletzung provoziert. Degenerative Veränderungen in den Sehnenstrukturen werden bei sportlich aktiven Menschen teilweise schon ab dem 30. Lebensjahr festgestellt. Gerade bei hoch dynamischen Sportarten mit vielen Richtungsänderungen und immer wiederkehrenden Stop-and-Go-Belastungen kann es zu plötzlich einsetzenden Sehnenrissbildungen kommen, gehäuft z. B. im Bereich der Achillessehne (Abb. 1). Grundsätzlich kann es in der Folge zu einer guten Ausheilung derartig verletzter Sehnenstrukturen kommen, sei es in den meisten Fällen durch konservative oder manchmal auch durch operative Therapiemaßnahmen. Es ist allerdings davon auszugehen, dass mit zunehmendem Lebensalter auch eine längere Regenerationszeit verbunden ist, um den Bewegungsapparat wieder in eine trainierbare und im Sport wieder belastbare Form zu bringen.

Knorpelschäden

Neben den degenerativen Veränderungen des Weichgewebes, insbesondere des Muskel-Sehnen-Apparates, ist bei mit zunehmendem Lebensalter auch mit Veränderungen im Bereich der Gelenke zu rechnen. Derartige degenerative Veränderungen in den großen Gelenken der unteren Extremität, d. h. der Knie- und Hüftgelenke, äußern sich in lokalen Knorpelschäden bis hin zu flächenhaften Arthrosen. Mit zunehmendem Knorpelschaden ist die Belastungsfähigkeit der Gelenke reduziert. Kommt es dennoch zu intensiveren sportlichen Belastungen der betroffenen Gelenke, wird häufig eine Entzündungsreaktion des Gelenkes provoziert. Wir sprechen dann von einer sogenannten aktivierten Arthrose, d. h. auftretende Schmerzen mit oder ohne Schwellung des betroffenen Gelenkes (Abb. 2).

In diesen Fällen ist zunächst eine Belastungsreduktion erforderlich, verbunden mit entzündungshemmenden medikamentösen und teilweise auch physikalischen Maßnahmen, um den Reizzustand des Gelenkes wieder zu verringern. In der Folge ist es hilfreich – je nach Ausprägung der Arthrose –, ein intensives Muskeltraining zu beginnen, um den Schwachstellen der vorgeschädigten Gelenke eine möglichst optimale muskuläre Unterstützung zu bieten. Alle Gelenke benötigen eine gute Muskelführung, seien sie degenerativ verändert oder nicht. Selbst wenn ein Kunstgelenk erforderlich wird, ist die Funktionalität des Gelenkes erheblich von der Muskelqualität abhängig. Grundsätzlich ist es auch möglich, mit einem Kunstgelenk wieder Sport zu treiben. Sowohl bei einem Hüftgelenkersatz als auch bei einem Teil- oder Totalgelenkersatz der Kniegelenke ist es nach einer gewissen Rehabilitationszeit wieder möglich, mit gut auftrainierter Muskulatur Sport zu treiben. Die Empfehlungen orientieren sich an den weniger verletzungsträchtigen Sportarten, hierzu zählt neben den oben aufgeführten Ausdauersportarten z. B. auch das Golfspielen. Eine gute Ganzkörperbelastung ist durch Walking oder auch Nordic Walking (mit Stöcken) möglich. Das Verletzungsrisiko wird bei diesen Sportarten als relativ gering eingestuft.

Bandverletzungen

Bandverletzungen treten in fortgeschrittenem Lebensalter relativ selten auf. Kommt es tatsächlich im höheren Lebensalter, z. B. beim Skilaufen, zu einer Verletzung der Kreuzbänder, ist häufig ein konservativer Therapieansatz möglich. Auch für den älteren Patienten gilt: Je mehr Strukturen in einem Gelenk verletzt sind, desto eher ist es erforderlich, eine operative Maßnahme durchzuführen. Im Kniegelenk können neben dem häufig verletzten vorderen Kreuzband auch Meniskus- und Knorpelschäden auftreten (Abb. 3). Ist bereits eine ausgedehnte Knorpelschädigung vorhanden, befindet sich somit bereits eine flächenhafte Arthrose in einem Kniegelenk, so kann in vielen Fällen auch bei Auftreten einer kompletten vorderen Kreuzbandruptur zunächst eine konservative Therapiemaßnahme gewählt werden. Hierbei stehen zunächst neben dem Krafttraining auch koordinative Trainingseinheiten im Vordergrund, wenn das Gelenk durch physiotherapeutische Maßnahmen, mit z. B. Lymphdrainage oder manueller Therapie, aus dem Reizzustand in einen trainingsfähigen Zustand gebracht werden konnte. Inwieweit dauerhaft dann tatsächlich die konservative Behandlung zu einer Verbesserung der Funktionalität führt, zeigt sich meistens nach etwa vier bis sechs Monaten. Bei sehr ausgeprägten Arthrosen, die durch das Unfallereignis aktiviert wurden, kann es notwendig werden, einen Gelenkersatz durchzuführen. Bei wenig ausgeprägten Arthrosen oder nur lokalen Knorpelschäden kann ggf. auch eine gelenkerhaltende Operationsmaßnahme durchgeführt werden. Die Beratung er- folgt in diesen Fällen individuell.

Was sollte der ältere Mensch zum Erhalt der Gesundheit tun?

Empfehlungen der WHO für Erwachsene fordern eine Mindestaktivität von 150 Minuten pro Woche mit einer Trainingsintensität von 50 bis 70 Prozent der maximalen Leistungsfähigkeit. Ideal wäre eine Stunde pro Tag, dies im Übrigen auch für Heranwachsende. Grundsätzliche Empfehlungen zu einfachen Übungsprogrammen bei älteren Menschen finden sich auf der Website der Deutschen Gesellschaft für Sportmedizin und Prävention (www. dgsp.de). Hier werden detailliert Übungen aufgezeigt, die mit überschaubarem Zeitaufwand positive Effekte erzielen.

Wie oben aufgeführt, sollten verletzungsträchtige Sportarten im Alter oder mit Kunstgelenk möglichst vermieden werden. Einen wesentlichen Einfluss auf Empfehlungen zu Sportarten im Alter hat allerdings auch die persönliche Vorerfahrung in der gewählten Sportart. Präventive Maßnahmen sollten mit dem sporterfahrenen betreuenden Gelenkspezialisten besprochen werden.