Mai 2020 – Ausgabe 35
Sportliche Aktivität mit Hüftendoprothesen
Prof. Dr. med. Fritz Thorey
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Keywords: Hüftendoprothese, minimal-invasiver Zugang, Sportfähigkeit
Patienten streben nach Implantation einer Hüftendoprothese nicht nur Schmerzfreiheit an, sondern möchten ihre Lebensqualität deutlich verbessern und in vielen Fällen auch zu ihren Freizeitaktivitäten und zum Sport zurückkehren. Dieser Artikel erörtert operations-, implantats- und sportbezogene Faktoren und diskutiert die derzeit verfügbaren Richtlinien, die von den Ärzten bei der Patientenberatung zur Rückkehr in den Sport nach Hüft-TEP berücksichtigt werden sollten.
Die Indikation für eine Totalendoprothese des Hüftgelenks wird mittlerweile auch bei jüngeren und aktiven Patienten häufiger gestellt. Viele dieser aktiven Patienten möchten auch nach einem Gelenkersatz weiterhin ihrer sportlichen Betätigung nachgehen. Die behandelnden Chirurgen sollten die aktuelle Literatur zum Thema „Sport nach Gelenkersatz“ kennen, um ihre Patienten angemessen beraten zu können.
Das Ziel dieses Artikels ist es, sowohl einen Überblick über die Erfahrungen zur sportlichen Aktivität nach Gelenkersatz und auf ihre Auswirkungen auf das Ergebnis der Endoprothetik zu geben als auch Richtlinien für den Chirurgen in der Beratung der Patienten zu Sport mit Hüft-TEP zu erstellen.
Einflussfaktoren: Vorteile für den Patienten
Der Vorteil sportlicher Aktivität nach dem Einsatz einer Hüft-TEP ist unbestritten. Zusätzlich zur psychischen Zufriedenheit, die nach einer sportlichen Betätigung eintritt, zeigen sich ein muskulärer Kraftzuwachs, Verbesserung der Koordination und der Balance sowie eine Steigerung der Ausdauer und der Propriozeption.
Dies alles führt zu einer besseren Körperkontrolle und damit zur Risikominderung von Verletzungen durch einfache Stürze oder sonstige Traumata. Studien kommen ebenfalls zu dem Ergebnis, dass ein vollständiger Gelenkersatz dem Patienten wieder ein hohes Maß an sportlicher Aktivität und an aktiver Freizeitgestaltung ermöglicht. Darüber hinaus wurden Personen mit einer relativ bewegungsarmen Lebensweise vor der Operation nach dem Eingriff sportlich aktiver.
Chirurgische Faktoren
Chirurgische Faktoren können eine Auswirkung auf die spätere Fähigkeit des Patienten zur sportlichen Aktivität haben. Zum Beispiel durch den gewählten chir urgischen Zugang zum Hüftgelenk, der im schlechten Fall zu einer zeitweisen oder langfristigen postoperativen Muskelschwäche führen kann. Diese kann beispielsweise beim direkt lateralen Zugang auftreten, da dieser das partielle Ablösen der Abduktoren vom Trochanter major erfordert. Dieser Aspekt kann die sportliche Aktivität beeinflussen, da die Funktion der Abduktoren sehr wichtig für viele Sportarten ist. Auf der anderen Seite steht die geringe Rate an Luxationen nach einem antero-lateralen oder direkt lateralen Zugang. Dies macht diese Techniken andererseits zu attraktiven Optionen für alle Patienten, die nach dem Eingriff wieder eine Aufnahme ihrer sportlichen Aktivitäten planen. Laut vieler Studien besteht beim posterioren Zugang zur Hüfte ein erhöhtes Luxationsrisiko im Vergleich zum anterioren Zugang. Zum jetzigen Zeitpunkt zeigen keine Studien eine verbesserte Fähigkeit zur sportlichen Betätigung nach einem speziellen Zugang bei der Hüftgelenkdarstellung. Bei Langzeitergebnissen wurden keine Unterschiede beim Vergleich von neueren minimal-invasiven Gelenkzugängen mit den traditionelleren Zugangsmethoden festgestellt. Jedoch ist es denkbar, dass chirurgische Techniken, die eine Beeinträchtigung der muskulotendinösen Anatomie verhindern oder minimieren, einigen Patienten eine verbesserte Sportaktivität nach Hüft-TEP ermöglichen.
Implantatbedingte Faktoren
Ein katastrophales Implantatversagen war ein häufiges Thema bei der ersten Generation des Gelenkersatzes. Die Einführung von härteren und biologisch verträglicheren Metall-Legierungen, wie z. B. Kobalt Chrom und Titan, minimierte einen Teil der Komplikationen, und die Verwendung von neueren Materialien für die Gleitpaarung senkte signifikant die Rate der volumetrischen Abnutzung sowie der Osteolyse. Hier ist gerade die Verwendung alternativer Gleitpaarungen zu diskutieren, um die Gefahr von Abrieb und aseptischer Lockerung weiter zu vermindern. Dieses schließt Keramik- und hochvernetzte Polyethylen-Implantate mit ein. Bereits lange bekannt ist, dass Metall-Metall-Gleitpaarungen ionisch angereicherte Abriebpartikel erzeugen, deren Verbleib im Gewebe bedenklich ist. Keramik-Keramik-Gleitpaarungen zeigen aktuell exzellente Haltbarkeitsraten. Hochvernetzte Polyethylene zeigten eine niedrige Abriebrate, aber ebenso ein erhöhtes Frakturrisiko durch eine vermehrte Brüchigkeit verglichen mit konventionellem Polyethylen. Diese alternativen Gleitpaarungen können zu einer verbesserten Lebensdauer und Funktion der Hüftgelenkprothesen bei jüngeren und aktiveren Personen führen.
Sportbedingte Faktoren
Grundsätzlich muss die Beanspruchung der Gelenke durch die spezifische Sportart sorgfältig in die Überlegungen des Chirurgen einbezogen werden, wenn der Patient über die Wiederaufnahme sportlicher Aktivität nach Hüft-TEP beraten wird. Das Ausmaß der Belastung, die auf das prothetisch versorgte Gelenk während der sportlichen Bewegung weitergegeben wird, die Anzahl wiederholender Bewegungen, das Sturzrisiko und Kontakt zu anderen Oberflächen haben einen Einfluss auf die Langlebigkeit des Implantates. Patienten sollten über diese Risiken ausführlich aufgeklärt werden, ehe sie die gewünschte Sportart beginnen oder wieder aufnehmen.
Disskussion
Es existiert hinreichend Literatur, die eine sichere Teilnahme an einer Reihe sportlicher Aktivitäten nach Hüft-TEP empfiehlt. Verschiedene Studien zeigen keinen negativen Effekt von hochaktivem und athletisch sportlichem Niveau in Bezug zum klinischen Outcome und der Haltbarkeit der Komponenten. Cornell und Ranawat berichten in einem 10-Jahres-Follow-up über zementierte Hüftimplantate bei Patienten, die jünger als 50 Jahre sind. Es wurden lediglich zwei Revisionen wegen aseptischer Lockerung in 101 Hüften gefunden, was zu dem Schluss führt, dass ein hohes Aktivitätsniveau keine negativen Auswirkungen auf das klinische Outcome der Hüftendoprothese hat. Zu ähnlichen Ergebnissen kamen andere Autoren. Die Befürworter von sportlicher Bewegung mit Hüftendoprothese argumentieren, dass adäquate Belastung der Knochen vorteilhaft für die Langlebigkeit von gut fixierten eingewachsenen Komponenten ist, und dieses wiederum Vorteile für das muskuloskelettale System in Form von Verbesserung der Festigkeit, Ausdauer und Propiozeption mit sich bringt, was die negative Auswirkung einer stärkeren Oberflächenabnutzung wieder aufhebt. Negative Effekte aufgrund erhöhter Aktivität wurden bei Patienten mit Hüft-TEP bis über 10 Jahre postoperativ hinaus nicht beobachtet.
Obwohl bis dato kein offizieller Konsens besteht, kommen drei separate Übersichten von erfahrenen Endoprothetikern zu Ergebnissen mit relativ ähnlichen Richtlinien zur Rückkehr in den Sport nach Hüftgelenkersatz. Eine Reihe von Sportund Freizeitaktivitäten wurde als „sehr empfehlenswert“, „empfehlenswert“ und „nicht empfehlenswert“ sowie „nicht geeignet“ klassifiziert. Ebenso kann die sportliche Aktivität am Wirkungsgrad klassifiziert werden: „high impact“, „intermediate impact“ oder „low impact“. Generell sind alle Sportarten mit „low impact“ mit Hüft-TEP erlaubt. Bei Vorkenntnissen des Patienten erlaubt – jedoch mit Einschränkungen – sind „intermediate impact“-Aktivitäten. Als nicht geeignet werden alle Sportarten der Einstufung „high impact“ erachtet.
Empfehlungen
Generell gibt es keine festgeschriebenen Richtlinien, was für sportliche Aktivitäten nach einer Hüft-Endoprothese sinnvoll sind. Es gibt jedoch verschiedene Empfehlungen, die jeder Operateur individuell an den entsprechenden Patienten anpassen kann. „Low impact“-Aktivitäten sind empfehlenswert für alle Patienten, da sie den Aufbau des Allgemeinzustandes sowie die kardiovaskuläre Fitness unterstützen. Diese Aktivitäten, die Golf, Schwimmen, Walking, Training mit Heimfahrrad, Laufband oder Cross-Trainer einschließen, steigern die Kondition und Flexibilität mehr, als dass sie eine Belastung darstellen.Aktivitäten mit der Einstufung als „potentially low impact“, wie Radfahren, Speed Walking, Langlauf, Tanzen, Pilates und Rudern setzen bei den Patienten eine gute Kondition, Balance und Propriozeption voraus. Diese Patienten sollten regelmäßig beim behandelnden Arzt kontrolliert werden. Bei Sportarten dieser Klassifizierung sollte der Schwerpunkt der Übungen auf der Wiederholungsrate mit geringen Widerständen liegen.Aktivitäten der Stufe der „intermediate impact“, wie Tennis, langsames Joggen, Wandern, Skifahren und Snowboarding, Gewichtheben, Eislaufen und Inlineskaten und Low-Impact-Aerobic, sind für eine ausgewählte Gruppe von Patienten erlaubt. Eine exzellente körperliche Kondition sowie bereits Vorkenntnisse in der jeweiligen Sportart sind in dieser Gruppe unabdingbar, um das Risiko einer Beschädigung oder zu schnellen Abnutzung der Implantatoberflächen zu vermeiden. Das zusätzliche Tragen von Orthesen kann das künstliche Gelenk vor Aufprall und Belastung schützen.
Letztendlich sollten die meisten der Patienten mit einer totalen Hüft-Endprothese auf keinen Fall Sportarten der „high impact“-Klasse durchführen, einschließlich jener Sportarten, die ein hohes Kontaktrisiko haben. Hierzu zählen Rennen, High-Impact-Aerobic, die meisten Ballsportarten, Kampfsport und Klettern. Bei diesen Sportarten ist die Gefahr eines Unfalls und damit einer Revision sehr hoch einzuschätzen. Nichts desto trotz kommt mit der Einführung neuer Implantate und der jüngeren Patientenpopulation immer mehr der Wunsch bei Patienten auf, auch solche Aktivtäten nach einem Gelenkersatz ausführen zu wollen. Hierzu sollte eine ausführliche und sachgemäße Aufklärung über das hohe Risiko erfolgen.
Zusammenfassung
Patienten sollten nach Implantation einer Hüft-TEP zur körperlichen Betätigung einschließlich sportlicher Aktivitäten ermutigt werden. Patient und Arzt sollten gemeinsam unter den Aspekten des Allgemeinzustandes des Patienten, seiner bisherigen sportlichen Erfahrungen, dem chirurgischen Zugang zum Gelenk sowie den Anforderungen an das Implantat und der sportbedingten Bewegungsmuster eine geeignete Sportart finden.