Mai 2020 – Ausgabe 35

Sport nach unikondylärer und Totalendoprothese des Kniegelenks: Was ist wichtig?

Thermann

Prof. Dr. med. Hajo Thermann
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Keywords: Knietotalendoprothese, unikondyläre Knieprothese, Sportfähigkeit

Verschiedene Punkte sind ausschlaggebend dafür, ob man sich nach unikondylärem odertotalendoprothetischem Ersatz sportlich betätigen kann. Neben einer optimal implantierten Prothese spielt auch die Auswahl der fortgeführten Sportarten eine wesentliche Rolle.

Folgende Fragen sind im Zusammenhang mit Knieendoprothesen und Sport zu klären:

  • Welchen Sport führt der Patient aus/will der Patient ausführen?
  • Welche Sporthistorie hat der Patient?
  • Was ist seine Schmerz- und Krankheitsgeschichte?
  • Wie sind seine allgemeinen sportlichen Konditionen?
  • Welche Bedeutung hat der Sport für den Patienten als holistische Realisation oder Findung?
  • Wie definiert der Patient seine „Quality of Life“?

Die Voraussetzung, um nach einer medizinischen Behandlung wieder Sport betreiben zu können, ist das finale Ergebnis der Operation mit dem Ziel, schmerzfrei und ohne Einschränkung in der Bewegung zu sein, also auch ein „Mental Fitting“. Wie gut am Ende das Bewegungsausmaß und das endgültige Ergebnis sind, hängt auch mit dem Design und der Kinematik der Prothese zusammen. Hierbei sind, so hat sich herausgestellt, besonders ana-tomische Prothesen sinnvoll. Weiter entscheidend sind die Schmerzgrenzen des Patienten und darüber hinaus Aussagen des Operateurs mit seinen Empfehlungen für den Patienten (wenn etwa Sätze fallen wie „Machen sie bloß keinen Sport?!“). In Erfahrung zu bringen ist auch die mentale Fitness und – vor allem bei älteren Patienten gegebenenfalls ein Hinweis auf die mentale Ausgeglichenheit.

Wie wird Sport definiert?

Viele beliebte Sportarten werden mit einer gewissen Intensität und höheren Belastung betrieben, wie etwa Volleyball, Tennis, Fußball sowie Jogging, Leichtathletik und Skifahren. Sie werden als Impact-Sportarten bezeichnet. Dazu zählen auch sämtliche Ballsportarten. Nicht-Impact-Sportarten wiederum sind Angeln oder Schach. Zu den Low-Impact-Sportarten gehören zum Beispiel Fahrradfahren, Schwimmen, Golf und Bowling. Die Klassifikation der amerikanischen Knee Society kommt zu ähnlichen Ergebnissen:

LOW – IMPACT: Walking, Schwimmen, Fahrradfahren und Golf.

HIGH-IMPACT: Tennis, Squash, Running, Fußball und Volleyball.

Wichtige Aspekte sind die Intensität, mit der man den Sport ausführt, sowie die Art der Regeneration nach anstrengendem Training.

Einfluss der implantierten Prothese

Die optimale Prothesenimplantation hat sicherlich großen Einfluss auf den weiteren Verlauf und auf das Ergebnis, ebenso gilt dies für die Beweglichkeit und das Prothesendesign. Der Weichteilmantel und insbesondere der spannungsfreie Extensormechanismus, das optimale Alignment und das Balancing des Kniegelenkes in allen Ebenen sind weitere Zielgrößen der zu implantierenden Knieprothesenkomponenten.

Sport mit Endoprothese

Die internationalen Guidelines proklamieren „Excercise in Medicine“ als Möglichkeit der Befreiung von Wohlstandserkrankungen wie kardiovaskuläre Erkrankungen, Diabetes mellitus und Krebs. Eine sportliche Betätigung nach Knievollprothesen wird mit einer Reduktion des kardiovaskulären Risikos um 12,4 % auf ernsthaftekardiovaskuläre Ereignisse angegeben. Natürlich führt Sport zu einem positiven Einfluss auf die Knochenqualität und auf die Implantatfixation. Die Rückkehr zum Sport nach unikondylärer und totaler Kniegelenksprothese beinhaltet zwei wesentliche Fragen:Wie schnell ist eine Rückkehr möglich? In welchem Ausmaß kann der Patient schon wieder Sport betreiben?

Vergleich und Auswertung internationaler Studien

In der Auswertung internationaler wissenschaftlicher Publikationen zu „Return to sports“ zeigt sich, dass von 1.115 Artikeln nur 18 Artikel hohen wissenschaftlichen Ansprüchen genügen. Hiervon standen allerdings nur drei prospektiv randomisierte Studien zur Verfügung, die dem höchsten wissenschaftlichen Niveau entsprechen. Jedoch war eine Vergleichbarkeit der Studien unmöglich, da bereits die Definition zur Bestimmung des präoperativen Sportniveaus unterschiedlich ausfiel. Manche Autoren machten ihn beispielsweise zum Zeitpunkt der Chirurgie aus (Argenson et al.): Mit dieser Definition waren 72 % der Patienten auf dem präoperativen Niveau sportlich aktiv, während bei Mayr et al. die Patienten sogar zu 86 % ihr präoperatives Niveau wieder erreichten. Wilde et al. definierten den Sportlevel hingegen als Vergleich drei Jahre vor der Implantation der Prothese. Hier kamen nur 73 % der Patienten auf ihr präoperatives sportliches Level. In der Durchsicht der Literatur konnten 94% der Patienten mit einer Totalendoprothese wieder Low-Impact-Sportarten durchführen. 64% von ihnen betrieben Intermediate-Impact- und 43 % High-Impact-Sport, während die Patienten mit einer unikondylären Prothese nach Hopper et al. 93 % Low-Impact-, 100 % Intermediate-Impact-, 35 % High-Impact-Sportarten betrieben haben. Untersuchungen von Kersten et al. beschreiben, dass nur die Hälfte der Patienten mit Vollprothesen nach der Implantation ihre physischen Aktivitäten gesteigert haben. Insgesamt waren sie weniger aktiv als in einer vergleichbaren normativen Gruppe. Huch et al. berichteten, dass Patienten ihre Sportaktivitäten fünf Jahre nach „Return to sports“ reduziert haben. 13  % der Patienten verwiesen auf Schmerzen im operierten Knie und 27,5% gaben an, irgendwo außerhalb des operierten Kniegelenkes Schmerzen zu haben. 47% reduzierten den Sport als Vorsichtsmaßnahme. Dagegen fand Hopper et al. bei 40% der Patienten Schmerzen im operierten Knie und bei etwa 12 % in anderen Regionen. 40 % der Patienten hatten als Vorsichtsmaßnahme ihre sportliche Aktivität reduziert und 4% betrieben altersbedingt weniger Sport. Argenson berichtete, dass ca. 10,6 Jahre postoperativ ganze 19 % der Patienten ihre sportliche Aktivität aus anderen Gründen beendet hatten.

Was ist wichtig für ein optimales Resultat?

Zunächst muss eine individuelle Charakterisierung des Patienten mit seinem präoperativen „Lifestyle“, seinen individuellen Präferenzen und seiner Motivation erfolgen. Für höhere Ansprüche ist von einer „geführten Prothese“ abzuraten und es muss so viel „Retention eines normalen Knies“ wie möglich geben. Extrem wichtig ist – was in allen Studien nicht auf diese Weise berücksichtigt wurde –, dass neben Stretching und Krafttraining ein propriozeptives Training und vor allem eine Gangbildschulung sinnvoll sind, um Verletzungen zu vermeiden und vor allem um die Gelenkrekonstruktion zu schützen. Kleine Beschleunigungen und steile Abstiege, etwa beim Walking oder Hiking, sind eindeutig zu vermeiden, und es empfiehlt, sich Gehstöcke zu verwenden, welche das Gewicht auf die Knie um 20 % reduzieren.

Golf mit Knieprothese

Eine besonders empfehlenswerte Sportart, welche in den USA, aber auch zunehmend in Deutschland mehr Popularität nach Endoprothetik erfährt, ist der Golfsport. Das Ablaufen eines Golfplatzes kann bis zu 11.000 Schritte und ca. 5 bis 8 km Gehstrecke ausmachen, was eine effiziente Art des kardiovaskulären Trainings darstellt. Während einer Umfrage, die in der Jahresausgabe der American Association for Hip and Knee Surgery 2007 publiziert wurde, gaben immerhin mehr als 95 % der Befragten an, dass die Ausübung von Golf als sogenannte Low-Impact-Sportart meistens zu keiner Einschränkung führe. Dies bestätigt auch folgende Studie:

Jacobsen et al. untersuchten 121 Golfsportler 8,7 Jahre nach Implantation einer Knieendoprothese und fanden keine Probleme für das Golfen. Bei einer Studie mit 1.206 Studienteilnehmern konnten 20,7% von ihnen noch aktiv Golf spielen. Ferner wurden zusätzlich 151 bilaterale Golfsportler untersucht. Das funktionelle Ergebnis des Knee Society Function Score lag bei 83 von 100 Punkten. 83% der Patienten gaben an, während des Golfspiels keine Schmerzen zu haben vs. 13 % präoperativ. 57 % der Golfspieler waren in der Lage, innerhalb von sechs Monaten zum Golfsport zurückzukehren. Und 81 % der Patienten gaben sogar an, genauso oft oder öfter (21 % im Vergleich zur präoperativen Phase) Golf zu spielen.

Untersuchung am HKF

In einer eigenen, im Zentrum für Hüft-, Knie- und Fußchirurgie (HKF) der ATOS Klinik Heidelberg durchgeführten Studie wurde die Sportaktivität von Patienten  unter Einbeziehung ihres Alters, vor und nach der Implantation einer unikondylären und einer totalen Knieendoprothese untersucht. Es wurden 106 Patienten in die Studie aufgenommen; 13 von ihnen waren Golfspieler. Die Analyse der Patientendaten zeigt, dass die durchschnittliche Stundenzahl, die für das Golfspielen verwendet wurde, von präoperativ 4,3 auf 6 Stunden pro Woche postoperativ gesteigert wurde. Die Wochenstunden der Gruppe mit unikondylärer Prothese waren jedoch merklich höher, mit einer Steigerung von 2,7 auf 4,1 Stunden bei Totalendoprothesen und bei unikondylären Prothesen von 8 auf 10,4 Stunden. Die Übersicht der gesamten Studie zeigt auch, dass nicht nur das Golfspielen, sondern auch andere Sportarten nach erfolgreicher Implantation nicht nur wieder durchgeführt werden können, sondern, dass die Anzahl der Wochenstunden des ausgeübten Sports gestiegen ist.

Fazit

„Return to sports“ und körperliche Aktivitäten sind sowohl nach gelungener Implantation einer Knievollprothese als auch nach einer Unikompartimentprothese vor allem bei entsprechender sportlicher Anamnese und den entsprechenden Skills möglich. In beiden Gruppen lassen sich Low-Impact-Sportarten zu 90 % ausführen und im Vergleich zum unmittelbar präoperativen Status sogar verbessern. Aufgrund der verbliebenen anatomischen Strukturen des Kreuzbandes als zentraler Pivot und „Stellwerk“ für das Gelenk hat die unikondyläre Prothese ein höheres Potenzial, High-Impact-Sportarten (Tennis, Skifahren etc.) ausüben zu können, allerdings im Vergleich zur Vollprothese mit dem Risiko eines erhöhten Polyethylenabriebes und frühzeitigerer Lockerung.

Voraussetzung für ein „Return to sports“ ist natürlich eine optimal implantierte Knieprothese, ein sogenanntes „balanciertes“ Knie und das Fehlen sporthemmender Komorbidität.