Mai 2020 – Ausgabe 35

Sport mit Oberflächenersatz der Hüfte

Dr. med Raimund Völker
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Keywords: Hüftendoprothese, Oberflächenersatz, Sportfähigkeit

Der Sport mit Endoprothesen ist nicht nur vom Prothesentyp, sondern maßgeblich von der sportlichen Aktivität vor der Implantation abhängig. Ein Patient, der vor seiner Hüfterkrankung sehr sportlich war, kann auch nach der Hüftoperation sehr sportlich sein. Zu bevorzugen sind hierbei die bereits vorher ausgeübten Sportarten. Bei neu zu erlernenden und risikoreichen Sportarten sollte man mit Hüfendoprothesen hingegen eher zurückhaltend sein. Dies zu beachten, gilt sowohl für den Patienten als auch für den beratenden Arzt.

Wesentliches Kriterium für die Beweglichkeit und die Gelenksicherheit ist die Gelenkgeometrie nach Implantation der Endoprothese. Faktoren wie Hüftkopfgröße, Offset, Beinlänge, Anteversion des Schafts, Materialien und Pfannenposition sind hier besonders wichtig. Änderungen, die nicht der Wiederherstellung der Gelenkgeometrie dienen, können je nach Ausprägung zu großen Problemen besonders bei sportlicher Betätigung führen. Wir unterscheiden die herkömmliche Hüft-TEP mit Standard- oder Kurzschäften von den Oberflächenersatzimplantaten (Hip Resurfacing). Während bei der Hüft-TEP der Schenkelhals zusammen mit dem Hüftkopf reseziert wird, wird beim knochenerhaltenden Oberflächenersatz lediglich der Hüftkopf überkront und eine Pfannenschale eingesetzt (Abb. 1). Das Verfahren des Oberflächenersatzes hat also große Vorteile hinsichtlich der Knochenerhaltung und, verbunden damit, auch hinsichtlich der Gelenkgeometrie bei gleichzeitig erhaltener Propriozeption. Der Oberflächenersatz hat darüber hinaus fast kein Luxationsrisiko. Beides sind bei vielen Sportarten sehr wichtige Faktoren. Die Entwicklung des Oberflächenersatzes der Hüfte geht auf die ersten erfolgreichen Hüft-TEPs zurück, welche aus Metall hergestellt wurden. Damals waren Standzeiten der Implantate bis 40 Jahren erreicht worden. Die Kriterien, die diesen Erfolg möglich machten, wurden genau untersucht und dann auf den modernen Oberflächenersatz übertragen. Besonders hinsichtlich der Beweglichkeit, des Aktivitätslevels, der Schmerzen, der Patientenzufriedenheit, der Wiederherstellung der normalen Hüft-Anatomie, der Sterblichkeitsrate und schließlich des Gangbildes ist der Oberflächenersatz der Hüft-TEP in vielen Studien überlegen.

Prominente Beispiele: Sportler mit Oberflächenersatz

Als aktuelles Beispiel beim Oberflächenersatz der Hüfte ist Tennis-Profi Andy Murray bekannt. Dieser hatte nach einer nicht erfolgreichen Hüftarthroskopie und zunehmenden Beschwerden im Januar 2019 im Alter von 32 Jahren einen Oberflächenersatz (BHR) der rechten Hüfte erhalten. Andy Murray war bereits in dem Jahr seiner Operation in der Lage, im Doppel bei Wimbledon (nach 6 Monaten) teilzunehmen und auch das ATP-Turnier in Antwerpen im Einzel (nach 8 Monaten) zu gewinnen. Dies wäre mit einer Hüft-TEP undenkbar gewesen. Ein Dokumentationsfilm über seine Leidenszeit erschien Ende November 2019 auf der Streaming-Plattform von Amazon. In dem Film mit dem Titel „Resurfacing“ gewährt Murray Einblicke in sein Privatleben. Den Anstoß zur OP gab ihm der Doppelspieler Bob Bryan, der bereits 5 Monate nach seiner Oberflächenersatz-Operation bei den Australian Open 2019 erfolgreich war. Andere Sportlerbeispiele mit Oberflächenersatz der Hüfte, die auch nach der Operation im Leistungssport Erfolg hatten: Floyd Landis (Radsport), Ed Jovanovski, Masi Marjamäki (beide Eishockey), David Walker, James Rohleder (beide Judo). Die sportartspezifischen schnellen Start-/Stoppbewegungen beim Tennis unter Ausnutzung großer Bewegungsumfänge stellen eine starke Belastung für das Hüftgelenk dar. Dies gilt natürlich auch für das künstliche Gelenk. Der Oberflächenersatz kann diese Erfordernisse erfüllen, da bei der Metall-/Metallgleitpaarung im Idealfall aufgrund des Flüssigkeitsfilms ein kaum messbarer Abrieb stattfindet.

Return to sport

Return to sport ist allgemein nach 3 Monaten bzw. nach 6 Monaten bei Kontaksportarten möglich. In den ersten 6 Wochen wird mit Spinning, Bewegungsübungen und leichtem Kraftsport schmerzadaptiert gestartet.Anschließend kann mit Lauftraining und Fahrradfahren begonnen werden. Die Steigerung der Aktivitäten erfolgt im Weiteren ganz individuell bis zum Erreichen der Wettkampfstärke. Die Arbeitsfähigkeit ist durchschnittlich nach 6 Wochen wiederhergestellt.

Nachteile des Oberflächenersatzes

Neben den ersichtlichen Vorteilen des Oberflächenersatzes sind folgende Nachteile zu beachten: Metallabrieb, Notwendigkeit der Auswahl des richtigen Implantats mit exakter Positionierung insbeson-dere der Pfanne, anspruchsvolle Operationstechnik, schlechtere Ergebnisse bei kleinen Implantatgrößen (betrifft besonders die weiblichen Patienten), enge Patientenauswahl.Von den bis zu 20 auf dem Markt verfügbaren Implantaten haben sich nur 2-3 als geeignet erwiesen. Das am meisten und auch am erfolgreichsten verwendete Implantat ist die BHR (Birmingham Hip Resurfacing). Es wird auch als das Original des Erfinders Dr. Derek McMinn angesehen. Zudem ist es das einzige Implantat, welches zusätzlich auch in den USA zugelassen ist. Bekannte, sehr große Hersteller mussten öffentlichkeitswirksam ihre eigenen Implantate wegen schlechter Ergebnisse vom Markt nehmen. Zum Teil lag es am Design, zum Teil an der Metallurgie oder aber auch am Spaltmaß zwischen den beiden Komponenten. Diese Gründe wie auch Fehlpositionierungen der Implantate können zu einem erhöhten Abrieb führen. Die Abriebspartikel aus Metall sind zwar viel kleiner als beispielsweise die Polyethylenpartikel bei der Hüft-TEP, sie können aber Überempfindlichkeitsreaktionen im Gewebe hervorrufen, welche das Gewebe angreifen können. Dies kann ein vorzeitiges Versagen und eine Wechseloperation zur Folge haben. Im Gegensatz zu den Auswirkungen des Metallabriebs wurde der Abrieb von Polyethylenpartikeln bei der Hüft-TEP zwar als Ursache für Osteolyse und Lockerung und damit auch als Hauptgrund für das Versagen der Hüft-TEPs angesehen. Dies führte jedoch auch nach jahrzehntelangem Wissen darüber (anders als beim Metall) nicht zu einer Abkehr von dem Material, sondern schließlich zu Weiterentwicklungen, die das Polyethylen von heute deutlich langlebiger machten.Fast zeitgleich wurde entdeckt, dass die Metallgleitpaarungen der Hüft-TEP bei Verwendung großer Köpfe ebenfalls problematisch waren. Hier fand sich teilweise eine Korrosion an der Verbindung zwischen Schaft und Kopf, die zu einer Reaktion des umliegenden Gewebes führen konnte. Diese Implantat-Kombinationen, bestehend aus herkömmlichem Schaft und einem großen Modularkopf, wurden ebenfalls vom Markt genommen.

Undifferenzierte Bewertung der Metallgleitpaarungen

Diese Erkenntnisse und Entwicklungen führten insgesamt zu einem erheblichen Imageschaden für die Verwendung von Metall bei Endoprothesen allgemein. Die guten Ergebnisse bestimmter Implantate sowohl beim Oberflächenersatz als auch bei der Hüft-TEP mit Metall-/Metallgleitpaarung gerieten zunehmend in den Hintergrund. Die Erkenntnis, dass einige Implantate sehr gute Ergebnisse erzielten, unterschiedliche Metalle auch unterschiedlich erfolgreich waren und dass Oberflächenersatz nicht als Methode versagt hat, sondern nur bestimmte Implantate, haben sich nicht durchsetzen können. Andere häufig genannte Nachteile des Oberflächenersatzes, wie größerer Knochenverlust am Becken oder häufige Schenkelhalsbrüche, wurden fundiert widerlegt und spielen in der Diskussion keine wesentliche Rolle mehr. Die Ergebnisse sind auch sehr von der Erfahrung des Operateurs abhängig. Daher erfolgt heute häufig der Vergleich mit der Hüftarthroskopie, die meist auch nur von erfahrenen Chirurgen erfolgreich eingesetzt wird.

Gute Registerdaten für den Oberflächenersatz

Die Registerdaten zeigen gute bis sehr gute Ergebnisse beim Oberflächenersatz der Hüfte. Im Australian Joint Registry (AOAJRR) 2019 betrug das kumulative Überleben der BHR (alle Geschlechter, alle Diagnosen) nach 10 Jahren 93,4 % (95 % CI: 92,9-93,9 %), nach 15 Jahren 90,4 % (95 % CI: 89,7-90,7 %) und nach 18 Jahren 89,2 % (95 % CI: 88,3-90,0 %). Der Jahresbericht 2019-16 des National Joint Registry (UK und NJR) meldete ein kumulatives Überleben der BHR nach 10 Jahren von 92,2 % (95 % CI: 91,80-92,57 %), nach 13 Jahren 89,96 % (95 % CI: 89,47-90,43 %) und nach 15 Jahren 87,47 % (95 % CI: 87,81-89,09 %) (alle Fälle); und das Swedish Hip Registry berichtete über 10 Jahre Hip Resurfacing-Überlebenszeit bei Arthrose (OA) von 98,4 % (95 % CI: 97,7-99,2 %) (Revisionen für aseptische Lockerung).

Die nationalen Register haben auch deutlich bessere Ergebnisse von erfahrenen Zentren mit hohem Volumen im Vergleich zu Zentren mit niedrigem Volumen bestätigt.Aktuell stehen die Markteinführungen einer Keramik-/Keramikversion und einer Metall-/Polyethylenversion in den Startlöchern. Hierbei ist jedoch abzuwarten, ob sie ähnlich gute Ergebnisse wie die bewährten Implantate zeigen.

Fazit

Nach Markteinführung der BHR im Jahr 1997 und damit über 20-jähriger Erfahrung beim Oberflächenersatz lässt sich zusammenfassend sagen: Wir haben gute Ergebnisse bei jungen Patienten bis zu einem Alter von 65 Jahren, insbesondere bei den Männern. Die Auswahl der Patienten und des Implantats sowie die richtige Positionierung durch erfahrene Operateure sind ausschlaggebend für den Erfolg. Bei Beachtung dieser Kriterien kann der Oberflächenersatz auch bei sportlich ambitionierten Patienten oft von Vorteil sein.