Oktober 2024 – Ausgabe 44
„Spaghetti“ gegen Rückenschmerzen
Dr. med. Willibald Walter
Schlüsselwörter: Bandscheibendegeneration, Bandscheibenaugmentation, Hydrogelsticks
In dem in der ATOS News (Ausgabe 42) bereits vorgestellten sechsstufigen Stufen-Behandlungsschema zur Therapie von Rückenschmerzen kommen in der 4. Stufe interventionelle Therapieformen zum Einsatz. Bei einer dieser Anwendungen handelt es sich um eine Bandscheibenaugmentation durch Hydrogelsticks, über die in diesem Beitrag berichtet wird.
Wenn die ersten drei Stufen des multi-modalen Therapiekonzepts bei Rückenschmerzen (Abb. 1) ausgeschöpft sind, werden interventionelle Verfahren eingesetzt (Stufe 4). Bei diskogenem Rückenschmerz kann das Einsetzen von Hydrogelsticks eine gute Option sein.
Die Indikation für den Einsatz von Hydrogelsticks erfolgt in mehreren Schritten über selektive BV-gesteuerte Injektionen oder im Ausschlussverfahren. Ein mittelgroßer bis großer Bandscheibenvorfall ist dabei eine Kontraindikation, ebenso der Rückenschmerz, der durch die kleinen Wirbelgelenke (Facettengelenke) ausgelöst wird. Kontraindiziert ist das Verfahren ferner bei Taubheiten und Schwächen im Bereich der unteren Extremitäten.
Gelangt man nach dem Ausschlussprinzip zu dem Ergebnis, dass es sich um einen von der Bandscheibe selbst ausgehenden, also diskogenen Schmerz handelt, ist die Indikation für diesen Eingriff gegeben. Diese Ausschlussdiagnostik ist wichtig, denn sonst riskiert man eine Verstärkung der Schmerzen durch erhöhten Druck auf die kleinen Wirbelgelenke. Nach erfolgter Aufklärung und Bestimmung aktueller Entzündungsparameter (Normwerte sind Voraussetzung für den Eingriff) erfolgt dann die Intervention, die 20 bis 30 Minuten dauert und ambulant durchgeführt werden kann. Bei der Anwendung handelt es sich um das Einbringen eines Hydrogel-Implantates in die Bandscheibe.
Funktion der Bandscheiben
Die Bandscheibe dient quasi als Stoßdämpfer im Bereich der Wirbelsäule. Sie liegt zwischen zwei Wirbelkörpern und besteht aus einem Gallertkern und einem zwiebelschalenartigen Faserring. An der Vorder- und Rückseite sind Bänder gespannt, die das Austreten im Sinne eines Bandscheibenvorfalls verhindern sollen (Abb. 2).
Wenn die Bandscheibe degeneriert, verliert sie an Wasser und an Höhe. Von außen sprossen Nervenrezeptoren ein, die durch die wenig elastische Bandscheibe und den erhöhten Druck Schmerzen vermelden.
Prinzip und Ziel der Hydrostick-Behandlung
Das Ziel der Behandlung ist es, durch das Einbringen von hydrophilem Material (Gelstick) in den Nukleus die Hydratation des Bandscheibenkerns zu erhöhen und konsekutiv die Druckstabilität der degenerierten Bandscheibe zu steigern. Damit wird der altersbedingte Wasser- und Höhenverlust der Bandscheibe kompensiert und auch der pH-Wert stabilisiert.
Je nach Degenerationsgrad werden fünf bis sieben dieser „spaghettiartigen“ Hydrosticks injiziert. Sie saugen sich dort voll Wasser, quellen schnell auf (Abb. 3), vergrößern somit ihr Volumen und bauen dadurch die Bandscheibe wieder bis zu ihrer ursprünglichen Höhe auf (Abb. 4, Abb. 5).
Der Eingriff erfolgt in Lokalanästhesie und dauert ca. 20 Minuten. Nach dem Eingriff soll noch keine Belastung erfolgen, für eine Stunde wird Rückenlage angeordnet. Anschließend sollte für zwei Wochen eine Orthese getragen werden (z. B. Lumbotrain oder Lordoloc).
Die Intervention erfolgt unter Lokalanästhesie in Bauchlage unter einem mobilen Röntgengerät (Bildwandler-gestützt) und es wird jeder Schritt in mehreren Ebenen dokumentiert, sodass der Arzt zu jeder Zeit Sicherheit über die exakte Nadellage hat.
Komplikationen werden in der Literatur gelegentlich beschrieben, aber bei exakter Einhaltung der Indikation kann eigentlich von einer nebenwirkungsfreien Behandlungsmethode gesprochen werden.
Dieses Verfahren ist in den Händen eines Spezialisten nahezu komplikationsfrei, ambulant durchführbar und in der Regel auch wiederholbar.