November 2022 – Ausgabe 40

Skifahren mit Hüft- und Knieendoprothese

Prof. Dr. med. Patrick Weber
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Prof. Dr. med. Hans Gollwitzer
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Schlüsselwörter: Hüftendoprothese, Knieendoprothese, Skifahren, periprothetische Fraktur, Luxation

Die Anzahl der implantierten Totalendoprothesen an Knie und Hüfte steigt. War noch vor ein bis zwei Jahrzehnten das Vermeiden einer schweren Immobilität Ziel der Implantation einer Gelenkendoprothese, so ist der sportliche Anspruch der Patientinnen und Patienten nach Gelenkersatz heute deutlich höher. Dies bezieht sich auch aufs Skifahren.

Abb. 1: Neun von zehn Hüftchirurginnen und -chirurgen erlauben heute ihren Patientinnen und Patienten, Ski zu fahren (Foto: istockphoto).

Die Ausübung des Sports führt zu mehr Lebensqualität und dies wird auch von Patientinnen und Patienten mit Hüft- und Kniearthrosen angestrebt. So ist es nicht verwunderlich, dass diese häufig nach den Möglichkeiten fragen, als Trägerinnen und Träger von Prothesen sportliche Aktivitäten wieder aufzunehmen.

Die wissenschaftliche Evidenz zum potenziellen Schaden oder Nutzen von sportlicher Aktivität nach Endoprothese am Knie oder an der Hüfte ist gering. Vielfach sind es Expertenmeinungen oder Erfahrungsberichte, welche zu unterschiedlichen Empfehlungen führen.

Vor über 20 Jahren waren die Empfehlungen zu sportlichen Aktivitäten noch sehr zurückhaltend. In der Mayo Klinik beispielsweise wurde Ende der 90er-Jahre nur von zehn Prozent der Operierenden Skifahren nach Hüftendoprothese empfohlen, nach Knieendoprothese waren es 14 Prozent.

Mögliche Risiken

Es stellt sich die Frage, welche Faktoren beim Tragen eines Kunstgelenks für die Ausübung des Skisports hinderlich sein können. Vielfach wird der beim Sport erhöhte Abrieb zwischen den künstlichen Gelenkpartnern und die damit potenziell erforderliche frühere Revision genannt. Gerade bei Patientinnen und Patienten unter 50 Jahren zeigte sich bis vor wenigen Jahren eine deutlich erhöhte Revisionsrate aufgrund des Abriebs mit den Folgen der Lockerung des Implantats.

Als weiteres Argument zur Einschränkung von Sportarten wird die Unfallgefahr genannt, insbesondere das Risiko einer periprothetischen Fraktur oder auch der Luxation im Hüftgelenksbereich.

Schließlich stellt sich die Frage, ob die Patientinnen und Patienten mit dem Kunstgelenk über ausreichend Koordination und Kraft verfügen (gerade nach größeren Zugängen an der Hüfte), um belastende Sportarten wieder sicher ausüben zu können.

Diese Argumente wurden vielfach genannt. Dennoch wurden die Empfehlungen der Operateure seit Anfang der 2000er- Jahre liberaler, dieser Trend setzt sich auch aktuell fort. So zeigte eine Umfrage unter Chirurginnen und Chirurgen in der European Hip Society im Jahr 2020, dass heute 90 Prozent der Operierenden ihren Patientinnen und Patienten erlauben, Ski zu fahren.

Liberalere Empfehlungen dank des technischen Fortschritts

Der Grund für die Änderungen der Empfehlungen sind einige Weiterentwicklungen. Eine wichtige war die Einführung der hochvernetzten Polyethylene in der Endoprothetik, welche deutlich widerstandsfähiger gegen Abrieb sind. Gerade bei Patientinnen und Patienten unter 55 Jahren zeigt sich dadurch ein beein- druckender Effekt: So liegt die Revisionsrate der Hüftendoprothesen aufgrund von Lockerung oder Osteolyse (als Folge des Verschleißes) nach 16 Jahren unter Verwendung des crosslinked Polyethylens bei nur 6,6 Prozent, hingegen unter Verwendung eines konventionellen Polyethylens bei 17,4 Prozent.

Einen weiteren Beitrag zur Sportfähigkeit leisten die minimalinvasiven Zugänge wie der anteriore Zugang zum Hüftgelenk. Durch die Schonung der Muskulatur behalten die Patientinnen und Patienten eine deutlich bessere Koordination. Diese führt zu einem sicheren und unfallfreien Skifahren. Voraussetzung ist jedoch – genau wie bei Menschen ohne Kunstgelenk – ein adäquater Trainingszustand im Hinblick auf Ausdauer, Kraft und Koordination.

Durch diese Erkenntnisse wurden die Operateure in ihren Empfehlungen bestärkt und dies wurde dann auch systematisch nachuntersucht. Eine rezente Studie an einem Kollektiv von 800 Patientinnen und Patienten konnte retrospektiv nachweisen, dass ca. 70 Prozent von ihnen, welche vor einer Hüft- oder Knieendoprothese Ski gefahren sind, dies auch nach der Operation wieder tun. Interessant ist dabei, dass die Patientinnen und Patienten, welche Ski fahren, im Vergleich zu denen, die nicht Ski fahren auch bessere funktionelle Ergebnisse aufweisen.

Einziger Unterschied zwischen Patientinnen und Patienten mit Hüft- oder Knieendoprothese war die Dauer des Skifahrens, alle anderen Parameter waren gleich. So fuhren Patientinnen und Patienten mit einer Hüftendoprothese häufiger ganztags, wohingegen Patientinnen und Patienten mit einer Knieendoprothese meistens nur halbtags fuhren. Der Schwierigkeitsgrad, welchen sich diese Personen zutrauen, ist meist etwas geringer ist als fünf Jahre vor der Operation. Viele von ihnen schaffen aber auch wieder Pisten mit so hohem Schwierigkeitsgrad wie vor dem Eingriff, jedoch meistens noch nicht im ersten Jahr nach der Operation, sondern erst später.

Die Rate an Reoperationen war vergleichbar in beiden Gruppen, insbesondere konnte keine erhöhte Rate an periprothetischen Frakturen in der Gruppe der Skifahrenden festgestellt werden.

Empfehlung

Die beschriebene Studie wie auch andere konnten zeigen, dass Skifahren nach Endoprothese nach aktuellem Kenntnisstand nicht zu vermehrten Revisionen aufgrund von Unfällen führt. Die Gründe, welche vor 20 Jahren Operateure noch dazu bewogen, ihren Patientinnen und Patienten das Skifahren nicht zu empfehlen, sind heutzutage nicht mehr so relevant.

Aus diesen Beobachtungen empfehlen wir unseren Patientinnen und Patienten, welche vor der Gelenkersatzoperation Ski gefahren sind, auch nach der Operation das Skifahren, allerdings frühestens 4-5 Monate postoperativ, sofern ein adäquater Trainingszustand erreicht wurde. Dabei sollten gerade im ersten postoperativen Jahr eher die etwas flacheren Pisten bei guten Bedingungen (Wetter, Schneebedingungen, Anzahl der Personen auf der Piste) bevorzugt werden. Vereiste Pisten und Buckelpisten sollten auch von geübten Skifahrenden nur zurückhaltend gefahren werden.