Oktober 2025 – Ausgabe 46
Shoulder Reset – neuromuskuläre Stimulation bei hinterer Schulterinstabilität
PD Dr. med. Boris Sowa
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Elizma Zaayman
Patrick Wölk
Manuel Knittel
Schlüsselwörter: Schulter, Instabilität, Schrittmacher, Pacemaker
Die Behandlung von funktionellen Schulterinstabilitäten ohne strukturelle Läsion stellt eine Herausforderung in der orthopädischen Praxis dar. Klassische physiotherapeutische Maßnahmen zeigen nicht immer den gewünschten Erfolg – insbesondere bei Patienten mit neuromuskulärer Dysfunktion der Schultermuskulatur.
Die häufigste Form dieser Dysfunktionen resultiert in einer Instabilität nach dorsal, die schon bei Alltagsbewegungen zur Luxation oder Subluxation des Gelenks führen kann. Ursächlich ist insbesondere eine verminderte Aktivität der Außenrotatoren der Schulter. Betroffen sind vornehmlich Jugendliche oder junge Erwachsene. Eine innovative Therapieoption bietet der Shoulder Pacemaker® (Orthocare Medizinproduktehandel OG, Brunn am Gebirge), ein externes Elektrostimulationssystem zur Aktivierung spezifischer Schultermuskeln.
Was ist der Shoulder Pacemaker®?
Der Shoulder Pacemaker® ist ein neuromuskuläres Elektrostimulationsgerät (NMES), das durch gezielte elektrische Impulse bestimmte Muskeln der Schulter aktiviert, insbesondere den M. infraspinatus, M. teres minor, die posterioren Anteile des M. deltoideus und den M. trapezius. Diese Muskeln sind essenziell für die dynamische Stabilisierung der Schulter in offenen und geschlossenen kinetischen Ketten. Ziel ist es, durch die Stimulation die zentrale Steuerung und das neuromuskuläre Zusammenspiel zu verbessern. Die Anwendung erfolgt in der Regel während spezifischer Übungen, um die neuromuskuläre Koordination zu trainieren und pathologische Bewegungsmuster zu korrigieren.
Anwendung
Das System besteht aus einem tragbaren Stimulationsgerät und selbstklebenden Elektroden, die gezielt auf der Haut angebracht werden. Entscheidend ist die synchronisierte Stimulation während aktiver Bewegung.
Stimulationsparameter:
- Frequenz: 30–50 Hz
- Pulsdauer: 10–200 µs
- Amplitude: patientenadaptiv und diagnosebezogen
- Anwendungsdauer: 20–45 Minuten pro Sitzung, 2–3 x wöchentlich
- Elektroden werden gezielt über dem Infraspinatus und den Mm. rhomboidei (Margo medialis scapulae) positioniert.
Fallbeispiel
Junge und aktive Handballspielerin (15 Jahre) mit funktioneller dorsaler Schulterinstabilität (Abb. 1). Erstluxation beim Melden in der Schule. In der Folge konstante Subluxationen oder Luxationen der Schulter beim Anheben des Armes zwischen 60–80° Flexion. Hieraus resultierend konnte die Handballkarriere nicht fortgesetzt werden. Die sportlichen, aber auch die alltäglichen Einschränkungen führten darüber hinaus zu einer hohen psychischen Belastung. Bisherige Therapiemaßnahmen blieben frustran.
Daraufhin erfolgte eine kombinierte trainingswissenschaftliche Therapie unter Verwendung des Shoulder Pacemakers® und sportpsychologischer Methoden. Hierbei wurde das vom Hersteller vorgegebene Pacemaker-Stufenmodell gemäß dem „Shoulder Instability Protocol“ angewendet. Zusätzlich erfolgte die Durchführung von funktionellen Übungen bei angelegtem Schrittmacher.
Unmittelbar nach Anlage des Shoulder Pacemakers® und Durchführung der ersten Übungen (Abb. 2, 3) waren eindeutige Verbesserungen der Gelenkstabilität zu verzeichnen. Nach Abschluss der ersten Behandlungseinheit zeigte sich das Gelenk dauerhaft stabil. Die Patientin spielt mittlerweile wieder ohne Einschränkung und auf Leistungsniveau Handball.
Evidenzlage
Die bisherige Studienlage ist noch begrenzt, aber vielversprechend. Klinische Beobachtungen und erste Studien zeigen eine deutlich verbesserte neuromuskuläre Kontrolle auch weit nach Abschluss der therapeutischen Intervention.
Fazit
Der Shoulder Pacemaker® stellt eine vielversprechende Ergänzung zur Behandlung funktioneller Schulterproblematiken dar. Insbesondere bei Patienten mit gestörter neuromuskulärer Kontrolle und funktioneller dorsaler Schulterinstabilität bietet er eine effektive Möglichkeit, motorische Muster zu normalisieren und die Schulter zu stabilisieren. Für Therapeuten eröffnet sich damit ein innovativer Weg, die Rehabilitation aktiver und wirksamer zu gestalten.