Oktober 2023 – Ausgabe 42
Schulterverletzungen im Basketball
Dr. med. Naman Wahal
Prof. Dr. med. Mark Tauber
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Prof. Dr. med. Frank Martetschläger
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Schlüsselwörter: Schulterluxation, Bankart-Läsion, Hill-Sachs-Läsion, arthroskopische Rekonstruktion, Latarjet-Verfahren
Da Basketball dynamische Bewegungen, sich wiederholende Bewegungen und teils harten Körperkontakt beinhaltet, ist der Schulterkomplex im Basketball besonders anfällig für verschiedene Arten von Verletzungen. Mehrere Studien haben von zwei bis zehn Verletzungen pro 1000 Spielerstunden berichtet [14]. Dieser Beitrag gibt einen Überblick über Schulterverletzungen, die häufig bei Basketballspielerinnen und -spielern beobachtet werden, und untersucht ihre wissenschaftlichen Aspekte, einschließlich Prävalenz, Auswirkungen und potenziellen Folgen für die Sportlerinnen und Sportler. Zudem wird ein Fallbeispiel eines Profibasketballers demonstriert.
Etwa vier bis sechs Prozent aller Verletzungen von Basketballsportlern treten im Bereich von Schulter, Arm und Unterarm auf [2]. Collins et al. führten eine Videoanalyse der Verletzungsmechanismen bei professionellen Basketballspielern durch und kamen zu dem Schluss, dass der häufigste Verletzungsmechanismus der seitliche Kontakt mit anderen Spielern während des Angriffs war, dicht gefolgt vom Sturz auf eine ausgestreckte Hand [4]. Von allen gemeldeten Verletzungen war die Verletzung des Glenohumeralgelenks der häufigste Grund für eine Operation [4, 7]. Weitere Verletzungen waren Traumata des Schultereckgelenks, Verstauchungen und Risse der Rotatorenmanschette, Schlüsselbeinfrakturen und chronische Verletzungen der Rotatorenmanschette.
In einer prospektiven Studie an spanischen Profi- und Amateursportlern wurde festgestellt, dass der wichtigste Risikofaktor für Verletzungen vorausgegangene wiederholte Verletzungen sind [11]. Alter, Geschlecht, Gewicht, BMI, Position und Profi-/Amateursport scheinen dabei keinen Einfluss auf die Verletzungsraten bei Sportlern der amerikanischen National Basketball Association (NBA) und spanischen Sportlern zu haben [5, 11].
In diesem Kapitel beschränken wir uns auf eine häufige Verletzung bei Basketballspielerinnen und -spielern, nämlich die Luxation des Schultergelenks.
Schulterluxation
Sie tritt typischerweise in antero-inferiorer Richtung auf, als Folge eines Sturzes auf den ausgestreckten Arm oder einer unerwarteten Krafteinwirkung auf einen abduzierten und nach außen gedrehten Arm. Dies führt häufig zu einem Riss des Kapsel-Labrum-Komplexes (Bankart-Läsion) und einem Abdruck am Oberarmkopf (Hill-Sachs-Läsion). Kliniker sollten auch auf andere seltene, aber begleitende Läsionen wie HAGL (Humeral Avulsion of Glenohumeral Ligament), GLAD (Glenoid Labral Articular Disruption) oder ALPSA (Anterior Labral Periosteal Sleeve Avulsion) achten.
Klinische Bewertung
Die Patientinnen und Patienten berichten häufig über ein Gefühl der Instabilität oder sogar über mehrere spontane Subluxationen / Dislokationen. Wenn die Anamnese auf eine Schulterluxation hindeutet, wird eine umfassende klinische Untersuchung beider Schultergelenke durchgeführt, um mögliche Begleitverletzungen der Rotatorenmanschette oder des langen Kopfes der Bizepssehne auszuschließen. Spezielle Untersuchungen zur Instabilität des vorderen Gelenks umfassen den „Apprehension“-Test und den „Relocation“-Test, um die Angst des Patienten bzw. der Patientin vor einer Luxation zu beurteilen, sowie den „Load-and-Shift“- Test zur Beurteilung der glenohumeralen Translation. Die Standard-Röntgenaufnahmen, gefolgt von bildgebenden Verfahren wie MRT und CT, können die Diagnose bestätigen und auf andere begleitende Verletzungen hinweisen. Der Knochenverlust an Glenoid und Humerus sollte heutzutage ebenfalls gemessen werden, um den Behandlungsplan festzulegen.
Behandlung der Schulterluxation
Die Behandlung von Patientinnen und Patienten, die zum ersten Mal eine anteriore glenohumerale Dislokation (FTAGD) erleiden, ist Gegenstand von Diskussionen. Im Jahr 2020 schlug der Neer Circle of American Shoulder and Elbow Surgeons jedoch unter Anwendung des Delphi-Ansatzes vor, dass FTAGD-Patientinnen und -Patienten, die über 14 Jahre alt sind, Sport treiben und einen positiven Apprehensiontest mit einhergehendem Knochenverlust aufweisen, operativ behandelt werden sollten [13].
Die Rolle des konservativen Managements
Bei Profisportlerinnen und -sportlern ist eine sorgfältige Untersuchung erforderlich, um festzustellen, ob eine frühzeitige Rückkehr zum Sport ohne Operation möglich ist, damit sie die Saison fortsetzen können [10]. Buss et al. [3] untersuch- ten 30 Sportler nach einer Schulterluxation während der Saison. Alle erhielten eine physiotherapeutische Behandlung und eine Anti-Luxationsschiene (z. B. „Duke Wyre Brace“, „Sully Brace“). Von den 30 Sportlern, die Kontakt- und Aufprallsportarten ausübten, konnten 26 nach durchschnittlich zehn Tagen für die gesamte Saison in den Sport zurückkehren, wobei 37 Prozent mindestens eine erneute Luxation erlitten. Andererseits haben Henry et al. [6] 121 Sportler mit einer konservativ behandelten Schulterluxation untersucht und festgestellt, dass 85 Prozent von ihnen innerhalb von 18 Monaten eine erneute Luxation erlitten.
Wenn man sich für eine konservative Behandlung entscheidet, sollte eine konsequente physikalische Therapie zur Stärkung der Adduktoren und Innenrotatoren durchgeführt und eine Antidislokationsschiene getragen werden. Inwieweit dieser Ansatz nach wiederholten Luxationen während derselben Saison angewandt werden sollte, bleibt jedoch ungewiss. Die Autoren empfehlen einen chirurgischen Eingriff spätestens nach der ersten Re- Luxation, um chronische Gelenkschäden zu vermeiden [10].
Häufig verwendete chirurgische Techniken zur Stabilisierung
Arthroskopische Bankart- Rekonstruktion
Die am häufigsten angewandte chirurgische Lösung bei akuter oder chronischer Schulterinstabilität ist die Rekonstruktion des gerissenen Labrums mit einer Kapselverlagerung. Nach Präparation der vorderen Glenoidfläche wird das Labrum mit mindestens drei Nahtankern wieder am knöchernen Rand befestigt (Abbildung 2a, 2b, 2c). Das überdehnte und gerissene Kapselgewebe wird gestrafft (Kapselverschiebung).
Latarjet-Verfahren
In Fällen, in denen gleichzeitig ein erheblicher Knochendefekt vorliegt, der das Risiko einer erneuten Luxation erhöht, wird am häufigsten das Latarjet-Verfahren angewendet. Dieses Verfahren gewährleistet sowohl eine knöcherne als auch eine dynamische Stabilisierung des Schultergelenks durch den Processus coracoideus und hat ausgezeichnete Ergebnisse mit niedrigen Rezidivraten gezeigt, ohne die Funktion der Schulter wesentlich zu beeinträchtigen [8]. Der Stabilisierungseffekt wird durch zwei Hauptmechanismen erklärt: den Weichteileffekt, bei dem die gemeinsame Sehne während der Abduktion und Außenrotation als Halteschlinge gegen den M. subscapularis und das Glenoid wirkt, und den Ausgleich des Knochenverlustes am ventralen Glenoidrand durch die Spitze des Processus coracoideus, wodurch die knöcherne Stabilität wiederhergestellt wird. Die häufigsten Indikationen für das Latarjet-Verfahren sind das Vorhandensein von Knochenverlust am Glenoid (>15 Prozent), eine ausgedehnte Hill-Sachs-Läsion oder eine Revisionsoperation [12]
Rückkehr zum Sport
Insgesamt ermöglichen alle Verfahren eine hohe Rückkehrrate zum Sport (85 bis 97 Prozent). Die durchschnittliche Zeit bis zur Rückkehr zum Sport beträgt 5,9 Monate für die arthroskopische Bankart-Rekonstruktion im Vergleich zu fünf Monaten für das Latarjet-Verfahren, wie eine kürzlich durchgeführte systematische Überprüfung ergab [1]. Higgins et al. berichteten, dass Basketballer (200 Tage) im Vergleich zu Baseballern (400 Tage) und American-Football-Sportlern (296 Tage) früher zum Sport zurückkehrten [7].
Bei den Basketballspielern wurde die schnellste Genesungsrate (sieben Wochen) bei denjenigen beobachtet, die nach der ersten Luxation konservativ behandelt wurden[9].
Fallbeispiel
Ein 23-jähriger Profi-Basketballspieler stellte sich mit einer Vorgeschichte von mehreren Schulterluxationen in unserer Klinik vor. Bei der Untersuchung des Schultergelenks waren die Tests auf Schulterinstabilität (Apprehensiontest und Relokationstest) positiv. Die MRT-Bildgebung zeigte eine deutliche anteroinferiore Läsion des Labrums (Bankart-Läsion) und eine entsprechende Hill-Sachs-Läsion am Oberarmkopf (Abb. 1). Der Knochenverlust am Glenoid war minimal, und es lag keine HAGL-Läsion vor. Es wurde zusammen mit dem Sportler und seinem Team beschlossen, eine arthroskopische Bankart-Repair durchzuführen, um das Labrum zu rekonstruieren und das Gelenk wieder stabil zu machen (Abb. 2). Die postoperative Genesung verlief komplikationslos (Abb. 3), und der Patient konnte nach fünf Monaten wieder professionell Basketball spielen.
Fazit
Da sich Basketball zu einem sehr körperbetonten Sport entwickelt hat, sind die Spielerinnen und Spieler anfälliger für akute Erkrankungen oder Verletzungen. Obwohl Schulterverletzungen im Basketball nicht übermäßig häufig sind, können sie die Leistung erheblich beeinträchtigen und sogar die Karriere beenden. Eine höhere körperliche Belastungsintensität ist mit einem höheren Verletzungsrisiko verbunden. Die Durchführung von Kraft- und Konditionierungsprogrammen, insbesondere in der Vorsaison, kann dazu beitragen, Schulterverletzungen zu vermeiden. Ausreichende Ruhetage und Pausen vom organisierten Sport werden zur körperlichen Erholung und zur Vermeidung von Überlastung empfohlen. Im Falle einer Verletzung sind eine gründliche Anamnese, eine körperliche Untersuchung und eine geeignete Bildgebung für die Erstellung eines wirksamen Behandlungsplans unerlässlich.
Dr. med. Naman Wahal
Prof. Dr. med. Mark Tauber
Prof. Dr. med. Frank Martetschläger
Deutsches Schulterzentrum
ATOS Klinik München
frank.martetschlaeger@atos.de