Mai 2022 – Ausgabe 39

Rheumatische Erkrankungen bei Kindern und Jugendlichen

Thomas Lutz

Schlüsselwörter: Juvenile idiopathische Arthritis, Rheuma, Kinder, Jugendliche, Uveitis

Bei rheumatischen Erkrankungen denkt man in erster Linie an Erwachsene, da jene im höheren Alter häufig auftreten und sich durch typische Symptome manifestieren. Bei Kindern und Jugendlichen treten rheumatische Erkrankungen deutlich seltener auf und zeigen sich in der Symptomatik eher uncharakteristisch, was die Diagnosestellung erschwert.

Als rheumatische Erkrankungen be­zeichnet man Erkrankungen, die sich am Bewegungsapparat, das heißt an den Gelenken, Sehnen, Muskeln usw. abspie­len. Allerdings können bei vielen rheuma­tischen Erkrankungen auch die inneren Organe sowie Augen, Haut oder auch das Nervensystem betroffen sein.

Rheumatische Erkrankungen im Kindes­- und Jugendalter umfassen ein breites Spektrum verschiedener Erkrankun­gen. Unterteilt werden können diese in Knochenerkrankungen, eine Vielzahl nicht­entzündlicher rheumatischer Erkrankungen sowie in die entzündlichen rheumatischen Krankheitsformen, dem „Rheuma“ im eigentlichen Sinne.

Bei Letzterem treten Entzündungen im Bereich einzelner oder mehrerer Gelenke (Arthritis), des Bindegewebes (Kollage­nosen) und/oder der Blutgefäße (Vaskulitis) auf. Die häufigste entzündlich­rheumati­sche Erkrankung bei Kindern und Jugend­lichen ist die Juvenile idiopathische Arthritis.

Juvenile idiopathische Arthritis

Zwei bis drei von 1.000 Kindern unter 16 Jahren erkranken pro Jahr in Deutschland an einer Arthritis. In der Regel ist diese Gelenkentzündung harmlos, tritt im Zu­sammenhang mit Infekten auf und klingt innerhalb von Tagen oder Wochen folgen­los ab. Besteht die Gelenkentzündung unklarer Ursache allerdings mindestens über sechs Wochen, spricht man von juveniler idiopathischer Arthritis oder JIA (früher: juvenile chronische Arthritis oder JCA). Juvenil steht für „einen Beginn vor dem vollendeten 16. Lebensjahr“, idio­pathisch für „eine unbekannte Ursache“, Arthritis für „Gelenkentzündung“. Die JIA ist die bei Weitem häufigste der im Kindes­alter auftretenden entzündlich­rheuma­tischen Erkrankungen.

Ursachen

Die Ursachen der JIA sind bis heute noch nicht geklärt. Man weiß, dass das Immunsystem außer Kontrolle gerät und eine überschießende Reaktion zeigt. Das Immunsystem richtet sich nicht nur gegen Krankheitserreger, sondern auch gegen körpereigene Strukturen. Die fehl­gesteuerten Immunzellen wandern unter anderem in Gelenke (v. a. in die Synovialis) und Organe ein und starten die Produk­tion von Abwehrstoffen, die das entsprechende Gelenk oder Organ dann – wie Bakterien und Viren – angreifen und so lange bekämpfen, bis diese zerstört sind. Warum das Immunsystem fehlgeleitet wird, ist nicht bekannt. Forscher vermuten ein Wechselspiel zwischen genetischer Veranlagung (es sind v. a. Mädchen betroffen) und Umweltfaktoren, wie z. B. Stress oder Infektionen.

Symptome

Eltern können durch frühzeitiges Erken­nen von Warnsymptomen ihrem Kind helfen. Je früher die Krankheit erkannt und behandelt wird, desto besser ist die Prognose.

Folgende Symptome können auf eine Gelenkentzündung hinweisen:

  • Überwärmte und geschwollene Gelenke (in der Regel ohne Rötung)
  • Morgensteifigkeit: die Kinder und Jugendlichen laufen z. B. wie ältere Menschen ganz steif Treppen hinunter, können Flaschen nicht öffnen oder Knöpfe u. ä. nicht öffnen und schließen
  • Anlaufschmerzen nach dem Aufstehen und längerem Sitzen
  • Gelenkschmerzen, v. a. am Morgen, teil­ weise mit Besserung im Tagesverlauf
  • Schongang mit Hinken
  • Verhaltensänderungen: Kleinkinder wollen oft auf den Arm, obwohl sie längst laufen können, teilweise kommt es auch zu Entwicklungsrückschritten
  • andere Stifthaltung, gegebenenfalls mit veränderter Schrift
  • Abstützbewegungen mit den Händen werden vermieden
  • Verschlechterung im Sport oder keine Lust mehr, am Sport teilzunehmen –
  • Kauen und Öffnen des Mundes ist schmerzhaft, teilweise Verweigerung, festere Sachen zu essen

Ein frühzeitiges Erkennen der Symptome und eine anschließende rasche Diagno­sestellung ist wichtig, da es dadurch möglich ist, die Schmerzen und die Bewegungseinschränkungen effektiv zu behandeln und damit eine dauerhafte Gelenkschädigung zu vermeiden.

Formen der juvenilen idiopathischen Arthritis

Die juvenile idiopathische Arthritis (= JIA) ist kein homogenes Krankheitsbild. Unter diesem Namen werden eine Vielzahl verschiedener Erkrankungen, mit unterschiedlicher Häufigkeit, unter­ schiedlichem klinischen Bild und einem unterschiedlichen Verlauf subsumiert.
Die JIA wird in sieben Gruppen unterteilt. Den sieben Formen gemeinsam ist die Entzündung mindestens eines Gelenkes unklarer Ursache bei einem Kind unter 16 Jahren, die länger als sechs Wochen besteht. Die Zuordnung erfolgt v. a. an­hand der Anzahl der betroffenen Gelenke und zusätzlich vorhandener Beschwerden wie Fieber, Hautveränderungen oder dem Nachweis von Rheumafaktoren bzw. HLA B27 – einem genetischen Marker – inner­halb der ersten sechs Erkrankungsmonate.

Oligoarthritis

In Mitteleuropa ist die Oligoarthritis die häufigste Form (> 50 %) der JIA. Der typische Erkrankungsbeginn liegt im Kleinkindalter, Mädchen sind viel häufiger betroffen als Jungen. Definitionsgemäß sind in den ersten sechs Erkrankungs­monaten nicht mehr als vier Gelenke ent­zündet. Meist sind die Knie­ und seltener auch einzelne Finger­- oder Zehengelenke betroffen. 20­-30 % der Kinder mit einer Oligoarthritis entwickeln eine chronische Augenentzündung (Iridozyklitis bzw. Uveitis), die in der Regel symptomlos ver­läuft. Wird diese nicht rechtzeitig erkannt, können sich Folgeschäden am Auge bis zur Erblindung entwickeln. Um diese initial meist symptomlosen Augenent­zündungen rechtzeitig zu erkennen, sind regelmäßige Augenarztuntersuchungen notwendig. Insgesamt haben Kinder mit einer Oligoarthritis die beste Progno­se. Sieben von zehn Patienten sind im Erwachsenenalter völlig gesund.

Im Verlauf der Erkrankung kann die Oligo­arthritis aber in eine Polyarthritis (soge­nannte erweiterte Form der Oligoarthritis – extended Oligoarthritis) übergehen; dies geschieht bei jedem dritten Kind.

In diesem Fall ist die Prognose deutlich schlechter: Diese Patienten haben oft auch im frühen Erwachsenenalter noch eine aktive Erkrankung.

Seronegative Polyarthritis

Die seronegative Polyarthritis, bei der in den ersten sechs Monaten fünf oder mehr Gelenke betroffen sind, beginnt oft im frühen Schulalter (6. Lebensjahr). Diese Rheumaform, die etwa 15 % aller Kinder mit JIA betrifft, wird als sero­negativ bezeichnet, wenn mehrfach kein Rheumafaktor nachgewiesen werden kann. Der Gelenkbefall ist typischerweise symmetrisch. Meist sind die kleinen Finger­ und Zehengelenke neben den Hand­ oder Sprunggelenken betroffen (Abb. 1). Mädchen erkranken auch hier deutlich häufiger als Jungen. Relativ viele der Kinder mit seronegativer Polyarthritis äußern keine Schmerzen und fallen nur durch Schonhaltung, Bewegungs­einschränkungen oder eine Morgen­steifigkeit auf.

Oft verläuft die Erkrankung langsam progredient. Allmählich zunehmende Bewegungseinschränkungen, Fehlstellungen und Röntgenveränderungen der Gelenke weisen im Verlauf auf das Voranschreiten der Erkrankung hin. Etwa jeder zweite Patient leidet noch im Erwachsenenalter an der Erkrankung mit unterschiedlichen Einschränkungen auch bei der Ausübung von Tätigkeiten des alltäglichen Lebens.

Seropositive Polyarthritis

Die seropositive Polyarthritis ist im Kindes­ alter sehr selten (< 5 % aller JIA­Fälle). Sie entwickelt sich meist bei jugendlichen Mädchen und entspricht am ehesten einer Frühform der rheumatoiden Arthritis im Erwachsenenalter. Für die Diagnose der seropositiven Polyarthritis wird der zweimalige Nachweis von Rheumafaktoren im Abstand von mindestens drei Monaten gefordert. Oft ist diese Erkrankung therapeutisch nur schwer beeinflussbar und hat von allen Formen der JIA die schlechteste Prognose.

Systemische Arthritis

Die systemische Arthritis wurde früher auch als Morbus Still bezeichnet. Im Gegensatz zu den anderen Formen der JIA betrifft sie den ganzen Körper und nicht ausschließlich die Gelenke.

Die systemische Arthritis beginnt mit sehr hohem Fieber und geht häufig mit blass­rötlichen Hauterscheinungen einher. Zusätzlich sind Lymphknoten­schwellungen, Leber­ und Milzvergröße­rung und eine Polyserositis (Aszites, Pleuritis, Karditis) weitere Symptome, während die Arthritis diesen Allgemein­symptomen bis zu Monaten später folgen kann. Die Entzündungswerte bei dieser Form der JIA sind sehr stark erhöht

(z. B. CRP oft > 200mg/l). Als Differential­diagnose muss dabei immer auch eine akute lymphatische Leukämie in Betracht gezogen werden.

Im Verlauf der Erkrankung verlieren die Allgemeinsymptome dann an Bedeutung und jeder zweite bis dritte Patient zeigt das Bild einer oft ausgeprägten Polyarthri­tis. Der Altersgipfel bei dieser Erkrankung liegt im Kleinkind­ bis frühen Schulalter, sie kann aber schon bei Säuglingen und auch noch bei Erwachsenen auftreten (sogenannter adulter Morbus Still). Jungen und Mädchen sind ungefähr gleich häufig betroffen. Die Prognose ist sehr unter­ schiedlich: Etwa ein Drittel der Kinder haben einen kurzen Krankheitsverlauf über mehrere Monate; ein weiteres Drittel bedarf einer mittelfristigen, immunsup­pressiven Therapie und das letzte Drittel zeigt einen – früher nur sehr schwer zu therapierenden – Verlauf mit progredienter destruierender Polyarthritis, Amyloidose und Kleinwuchs. Durch neuere Medika­mente hat sich nun aber die Prognose auch dieser Gruppe deutlich gebessert.

Psoriasis­Arthritis

Die Psoriasis­Arthritis zeichnet sich durch das Vorliegen von Arthritis in Verbindung mit Psoriasis (Schuppenflechte) aus. Bei der Psoriasis handelt es sich um eine entzündliche Hautkrankheit mit schup­pigen Hautflechten, die häufig über Ellen­bogen und Knien zu finden sind. Die Psoriasis­arthritis kann diagnostiziert werden, wenn bei einem Patienten eine Arthritis und eine Psoriasis vorliegen, aber auch, wenn neben der Arthritis mindestens zwei der folgenden Kriterien erfüllt sind: Daktylitis (Befall eines Zehs bzw. Fingers im Strahl: der sogenannte „Wurstfinger“), Nagelauffälligkeiten z. B. mit Tüpfel­ bzw. Ölnägel oder eine positive Familienanamnese für Psoriasis bei einem Verwandten ersten Grades. Die Gelenkentzündung kann der Schuppen­flechte um Jahre vorausgehen. Diese Kriterien erfüllen zu Beginn der Erkran­kung oft weniger als 5 % der Patienten.

Typisch bei dieser Form der JIA ist das asymmetrische Befallsmuster der betrof­fenen Gelenke. Die Psoriasis­arthritis kann wie eine frühkindliche Oligoarthritis mit Augenbeteiligung, eine Polyarthritis oder auch wie eine Arthritis mit Enthesitis­neigung verlaufen. Entsprechend der jeweiligen Verlaufsform ist ihre Prognose.

Arthritis mit Enthesitis­neigung (Enthesitis- assoziierte Arthritis)

Die Gruppe der Arthritis mit Enthesitis­neigung umfasst in der Mehrzahl Jungen im Schulalter, die den genetischen Marker HLA B27 (= Human Leukocyte Antigen­ B27) aufweisen. Es ist die einzige Form der JIA, bei der mehr Jungen als Mädchen betroffen sind. Die Kinder zeigen zu Erkrankungsbeginn eine asymmetrische Oligoarthritis v. a. an der unteren Extremi­tät und berichten oft über Sehnenansatz­beschwerden (Enthesiopathien), welche sich häufig an der Ferse am Achilles­sehnenansatz befinden. Typisch sind auch Entzündungen im Bereich der Fußwurzel (Tarsitis). Eine lokalisierte Entzündung in diesem Bereich ist in der Regel mit starken Schmerzen verbunden. Manchmal kommt es bei diesen Patienten zu einer akuten Uveitis anterior. Im Gegensatz zu anderen JIA­Formen macht sich dieser Typ in der Regel durch rote und tränende Augen (Tränenfluss) und erhöhte Licht­- empfindlichkeit bemerkbar. Der Verlauf dieser Form ist sehr unterschiedlich. Bei einigen Patienten kommt die Erkrankung nach einer gewissen Zeit zum Stillstand, während sie sich bei anderen Patienten auch auf die untere Wirbelsäule und das Iliosakralgelenk ausweitet und zu einer Bewegungseinschränkung beim Beugen des Rückens führt. Nächtliche Schmerzen in der Lendenwirbelsäule mit einhergehen­ der Steifigkeit sind typische Symptome. Bei einigen Patienten geht diese Form im Erwachsenenalter in eine Spondylitis ankylosans bzw. M. Bechterew über.

Andere Arthritis

Nicht sicher einzuordnende Formen der JIA oder solche, die in mehrere Gruppen passen, werden als „andere Arthritis“ bezeichnet.

Uveitis

Diese rheumatische Augenentzündung spielt sich meist als Iridozyklitis in den vorderen Augenabschnitten ab. Sie stellt eine häufige Komplikation bei der Oligo­arthritis dar. Als Risikofaktor gilt der Nachweis von hochtitrigen antinukleären Antikörpern. Die chronische Iridozyklitis verursacht keine subjektive Symptomatik am Auge und kann deshalb nur durch regelmäßige Untersuchungen an der Spaltlampe rechtzeitig erkannt und behandelt werden. Unerkannt kann die Entzündung Schäden am Auge hinter­ lassen, die zur Sehbehinderung führen. Neben dieser chronischen, symptom­losen Iridozyklitis gibt es auch eine akute Form, die mit Rötung, Schmerzen und Lichtscheu einhergeht. Sie entwickelt sich bei Patienten mit Enthesitis­assoziierter Arthritis. Ihre Prognose ist günstig, da die Symptomatik eine rasche augenärzt­liche Diagnostik und Therapie einleitet. Bleibende Veränderungen wie Synechien entstehen nur ausnahmsweise.

Diagnostik

Die juvenile idiopathische Arthritis (JIA) ist eine sogenannte Ausschlussdiagnose. Dies bedeutet, dass man die Diagnose nur stellen kann, indem andere mögliche Erkrankungen nach und nach ausge­schlossen werden. Dazu benötigt man neben der genauen Anamnese verschie­dene Untersuchungsergebnisse, wie die körperliche Untersuchung, eine ziel­ gerichtete Labordiagnostik und ggf. eine passende Bildgebung. Dies alles wird wie die Teile eines Puzzles zusammen­ getragen: Erst wenn andere Erkrankungen mit ähnlichen Symptomen nicht infrage kommen, kann die Diagnose einer JIA gestellt werden.

Laboruntersuchungen

Bei der Diagnosestellung und teil­weise auch noch bei weiteren Kontrollen im Verlauf der Erkrankung spielen verschiedene Laboruntersuchungen eine wichtige Rolle.

Eine erhöhte Blutsenkungsgeschwin­digkeit (BSG) und erhöhte Blutwerte des C­reaktiven Proteins (CRP) sprechen für das Vorliegen einer Entzündung im Körper. Bei Kindern ist das CRP typi­scherweise nur leicht oder auch gar nicht erhöht, während die BSG oft deutlich erhöht ist. Normale Entzündungspara­meter schließen eine aktive JIA aber nicht aus. Insbesondere bei oligoartikulären Verläufen können BSG und CRP normal sein, trotz deutlich aktiver Gelenke.

Weitere Hinweise auf eine Entzündung im Körper geben auch das Blutbild und das Differentialblutbild.

Zu den die rheumatischen Erkrankungen kennzeichnenden Laborparametern gehören bei Kindern v. a. die antinukleä­ren Antikörper (ANA), die bei vielen Formen der JIA oft deutlich erhöht sind. Sie sind bei 80 % der Kinder mit Oligo­arthritis und bei 30-­40 % mit RF­negativer Polyarthritis und Psoriasis­arthritis nach­weisbar. ANA sind Eiweiße, die der Körper gegen die Zellkerne seiner eigenen Zellen produziert, als Hinweis auf eine gestörte Funktion des Immunsystems. Dieser Wert ist wie auch die anderen Werte nicht beweisend, da sich diese Eiweiße auch im Blut von Gesunden finden lassen.

Der sogenannte Rheumafaktor (RF) spielt bei Kindern und Jugendlichen eine untergeordnete Rolle und ist nur bei 2­5 % nachzuweisen. Beim RF handelt es sich um einen Antikörper, der gegen körper­eigene Strukturen gerichtet ist (Autoanti­körper). Der gegen das zyklische citrul­linierte Peptid gerichtete Antikörper (CCP­Ak) ist bei Kindern so gut wie nie nachweisbar und wird in der Regel nur bei Patienten mit nachweisbarem RF bestimmt.

In weiteren Labortests wird vor allem bei Jungen ab dem 6. Lebensjahr, bei Wirbel­säulenbeteiligung und bei Sehnenent­zündungen und Sehnenansatzschmerzen nach dem genetischen Marker HLA­B27 geschaut. Dazu muss angemerkt wer­ den, dass dieser Marker bei 8-­10 % der Bevölkerung nachgewiesen werden kann – und nur ein ganz geringer Anteil dieser Personen im Verlauf des Lebens eine rheumatische Erkrankung entwickelt.

Bildgebung

Neben den Labortests sind bildgebende Verfahren wie Ultraschall­ oder Röntgen­untersuchungen wichtig. Insbesondere die Sonographie spielt bei Kindern und Jugendlichen eine große Rolle, da sie einfach, schnell und schmerzlos anwend­bar ist und auch bei kleinen Strukturen eine sehr hohe Ortsauflösung zeigt. Die Sonografie ermöglicht so einen raschen Überblick über den Entzündungszustand der betroffenen Gelenke.

Röntgenuntersuchungen sind insbeson­dere zur Differentialdiagnose anderer Er­krankungen und als Ausgangsbefund bei JIA sinnvoll. Zum Beginn der Erkrankung zeigen diese meist noch keine typischen Veränderungen. Sie können aber dazu dienen, den weiteren Krankheitsverlauf und den Therapieerfolg zu kontrollieren. Der Nachteil ist die Strahlenbelastung.

Kernspintomographie bzw. Magnet­resonanztomographie (MRT) sind selten notwendig, da die meisten Fragestellungen mit den Routineverfahren Sonografie und Röntgen beantwortet werden können. Besondere Situationen bzw. Konstellationen können eine Klärung durch eine MRT erforderlich machen. Einige Gelenke sind sonographisch nur schlecht darstellbar wie die Gelenke der Wirbelsäule, Kiefer­- oder Iliosakral­gelenke. Die größte Bedeutung kommt der MRT bei der Differentialdiagnose zu. Knochenentzündungen, Tumore u. a. können hiermit aufgedeckt und von der JIA abgegrenzt werden. Allerdings ist eine MRT aufwendig, es kann immer nur ein Gelenkabschnitt abgebildet werden und bei kleinen Kindern ist oft eine Sedierung bzw. Kurznarkose notwendig, da diese nicht lange genug ruhig in der MRT liegen können.

Therapie

Die Behandlung der juvenilen idiopathi­schen Arthritis (JIA) hat sich in den letzten zwei Jahrzehnten erheblich verändert. Durch ein konsequentes Anwenden der derzeit zur Verfügung stehenden Therapie­optionen mit frühzeitigem Einsatz von Methotrexat und auch vielen neuen Me­dikamenten aus der Gruppe der Biologika, kann inzwischen bei der Mehrheit der Betroffenen ein günstiger Verlauf der Krankheit erreicht werden.

Das primäre Therapieziel ist, eine inaktive Erkrankung bzw. Remission zu erzielen. Dies wird von den meisten Patienten (70­- 95 %) in den ersten Behandlungsjahren auch erreicht. Durch das geänderte therapeutische Vorgehen hat sich auch die Langzeitprognose der Kinder und Jugendlichen mit JIA verbessert.

Jedes Kind und jeder Jugendliche mit JIA benötigt einen individuell auf sie/ihn abgestimmten Behandlungsplan mit Berücksichtigung der jeweiligen Form der JIA, aber auch der persönlichen Situation des Patienten und seiner Familie. Dazu gehört eine umfassende Aufklärung der Patienten und deren Eltern, Physiotherapie sowie ein individueller medikamentöser Therapieplan. Aufgrund der Komplexität der Erkrankung ist immer eine enge Kooperation mit verschiedenen Spezia­listen wie Kinderärzten, pädiatrischen Rheumatologen, Kinderorthopäden, Physio­ und Ergotherapeuten, Psycho­logen sowie Augenärzten notwendig.

Voraussetzung für eine erfolgreiche Therapie sind eine frühzeitige Diagnose­stellung und Zuweisung der Patienten an Ärzte und Ärztinnen mit Fachkompetenz und Erfahrung in der Behandlung der JIA.

Medikamente

Die Therapie selbst erfolgt heute nach unterschiedlichen Stufenplänen, je nach Subtyp der juvenilen idiopathischen Arthritis. Für die medikamentöse Therapie stehen unterschiedliche Medikamenten­gruppen zur Verfügung:

Nicht-steroidale Antirheumatika (NSAR)

NSAR wirken über die Hemmung des Enzyms Cyclooxygenase. Sie lindern den Schmerz und wirken antientzündlich – teilweise können sie auch Fieber senken. Folgende Präparate sind dabei im Kindes­ und Jugendalter zugelassen:

Ibuprofen, Naproxen, Indometacin und Diclofenac. Am häufigsten angewendet werden Ibuprofen und Naproxen, da beide auch in einer flüssigen Form vorliegen und damit auch von kleinen Kindern ein­genommen werden können (siehe auch Tabelle 1). Die NSAR werden meist gut vertragen. Hauptsächliche unerwünschte Wirkungen sind gastrointestinale Be­schwerden, seltener zentralnervöse Störungen, wie z. B. Konzentrationsproble­me, und sehr selten interstitielle Nephritis.

Glukokortikoide

Glukokortikoide sind lebensnotwendige Hormone, welche der Körper in der Nebennierenrinde herstellt. Sie wirken dosisabhängig stark entzündungshem­mend und immunsuppressiv, und das bereits innerhalb von Stunden bis Tagen. Um dies zu erreichen, muss anfänglich meist eine höhere Dosis gewählt werden, die dann schrittweise reduziert wird. Systemisch als Saft/Tabletten/Infusion eingesetzt werden sie v. a. als schnell wirksame Substanzen bei hochaktiver Erkrankung, z. B. zur Überbrückung des Zeitraums, bis andere längerfristig einsetzbare Medikamente wirken. Eine weitere sehr effektive Einsatzmöglichkeit ist die lokale Injektion von speziellen kristallinen Glukokortikoidpräparaten direkt in die betroffenen Gelenke. Dazu wird primär Triamcinolon­hexacetonid ver­wendet, welches die beste Verträglichkeit hat und am längsten wirkt. Längerfristig eingesetzt haben die Glukokortikoide zu viele schwerwiegende Nebenwirkungen, während sie kurzfristig eingesetzt eine sehr effektive Therapieoption darstellen.

Disease modifying antirheumatic drugs (DMARDS)

DMARDs sind den rheumatischen Entzündungsprozess beeinflussende Medikamente. Früher wurde auch der Begriff Basistherapie verwendet, ins­ besondere für Methotrexat, Sulfasalazin und Hydroxychloroquin. In den letzten Jahren kamen dann viele neue Medika­mente hinzu, die sogenannten Biologika (wie z. B. Etanercept, Adalimumab, Aba­tacept etc.), weshalb ein neuer Über­begriff notwendig war.

DMARDs werden bei der JIA eingesetzt, wenn NSAR oder lokale Therapiemaß­nahmen (wie intraartikuläre Instillation von Steroiden) nicht zum Erfolg geführt haben. Sie können mit NSAR und Steroiden kombiniert werden. Gemeinsam ist den Medikamenten ein in der Regel langsamer Wirkungseintritt, der bis zu drei Monate und länger dauern kann.

Methotrexat (MTX) ist das DMARD der ersten Wahl zur Behandlung der nicht­ systemischen Verlaufsformen der JIA. Dieses wird einmal pro Woche entweder als Spritze/Pen oder als Tablette einge­nommen. Zur Vorbeugung von MTX­ Nebenwirkungen oder bei Unverträglich­keitsreaktionen wird der Einsatz von Folsäure 24 h nach der Methotrexat­ Applikation empfohlen. Die Hauptwirkung des MTX als Rheumamedikament besteht nicht vorrangig in der Hemmung des Zellwachstums, sondern überwiegend in einer Entzündungshemmung. MTX heilt die Erkrankung nicht, hilft aber, die Symptome zu lindern, und kann zu einer Remission der Erkrankung führen. MTX kann bei guter Verträglichkeit über mehrere Jahre und auch in Kombination mit anderen antirheumatischen Medika­menten eingenommen werden. Nach Erreichen einer Inaktivität der Erkrankung wird in der Regel noch für 12­-18 Monate (je nach initialer Erkrankungsaktivität) weiter behandelt. Danach kann das Medikament reduziert und im Verlauf oft auch ganz abgesetzt werden.

Sulfasalazin wirkt „immunmodulatorisch“, das heißt, es beeinflusst die rheumatische Erkrankung. Sulfasalazin besitzt antient­zündliche Eigenschaften und hilft so, die rheumatische Entzündungsaktivität zu unterdrücken. Es heilt die Erkrankung nicht, kann aber die Symptome lindern und eine Inaktivität der Erkrankung bewirken. Es muss 2 x täglich als Tablette ein­ genommen werden und ist v. a. bei der Enthesitis­assoziierten Arthritis empfohlen.

Biologika

Sollte eine Behandlung mit Methotrexat und/oder Sulfasalazin unzureichend ansprechen oder nicht vertragen werden, stehen zudem sogenannte Biologika zur Verfügung. Die ersten Biologika waren gegen den Tumornekrosefaktor­alpha (TNFα) gerichtet. Beim TNFα handelt es sich um ein sogenanntes Zytokin. Zytokine sind entzündungsfördernde Botenstoffe. Wird die Wirkung von TNFα vermindert, so wird die Entzündungsreaktion schwächer. Bisher sind für Kinder und Jugendliche – abhängig von Alter und Untergruppe der JIA – folgende TNFα­blo­ckierende Medikamente zuge­lassen: Etanercept (Enbrel®), Adalimumab (Humira®) und Golimumab (Simponi®). Neben den TNFα­Blockern gibt es weitere Biologika für die Behandlung der JIA: Abatacept (Orencia®), Anakinra (Kineret®), Canacinumab (Ilaris®) und Tocilizumab (RoActemra®).

Zusätzliche therapeutische Angebote

Neben der medikamentösen Behandlung sind auch begleitende Therapien notwen­dig und hilfreich, so etwa Physiotherapie, Ergotherapie – insbesondere bei der Beteiligung der Finger und Handgelenke – oder physikalische Therapie.

Ziel der Physiotherapie ist der Erhalt beziehungsweise die Wiederherstellung des vollen Bewegungsausmaßes der Gelenke. Die Therapieziele sind individuell und abhängig vom einzelnen Patienten und seiner Krankheitsaktivität: Unter anderem geht es um Schmerzlinderung und Entspannung der Muskulatur, Erwei­terung und Verbesserung der Bewegung und der Mobilität und das Bahnen von physiologischen Bewegungsabläufen.

Die physikalischen Therapien tragen wesentlich zur Schmerzlinderung und Muskelentspannung bei. Entzündete Gelenke werden durch eine lokale Kälte­therapie gekühlt (z. B. Eispackungen über ca. 15 Minuten). Lokale Wärme eignet sich zur Entspannung verhärteter Musku­latur und kommt vor allem im Bereich von Wirbelsäule und Hüften zum Einsatz.

Behandlungsschemata

In den folgenden Abbildungen sind zwei Behandlungsschemata für die häufigsten Formen der JIA abgebildet: für die Oligo­arthritis und die seronegative Polyarthritis.

Bei der Oligoarthritis beginnt die Therapie immer mit einem NSAR. Sollte dieses trotz ausreichender Dosierung und konsequenter Gabe nach 4­5 Wochen zu keiner wesentlichen Besserung geführt haben, wird empfohlen, die betroffenen Gelenke zu punktieren und intraartikulär Steroide (Triamcinolonhexacetonid) zu applizieren. Sollte die Entzündung damit nicht zur Ruhe kommen bzw. nach wenigen Monaten erneut beginnen, wird empfohlen, die Therapie mit dem DMARD Methotrexat zu erweitern. Begleitet werden sollten die Therapie­ schritte immer von Physiotherapie und ggf. lokaler Kältetherapie.

Bei der seronegativen Polyarthritis beginnt die Therapie ebenfalls mit einem NSAR. Je nach Ausprägung der Arthritis und den damit verbundenen Beschwerden werden hier oft schon in den ersten Wochen zusätzlich lokale oder syste­mische Steroide eingesetzt. Sollte diese Therapie nicht zu einer raschen Verbes­serung der Erkrankung führen, wird hier frühzeitig zusätzlich MTX eingesetzt. Sollte auch die Therapie mit MTX, Steroiden und NSAR nach 10­-12 Wochen zu keiner ausreichenden Besserung geführt haben, sollte die Therapie mit einem TNF­a­ Antagonisten erweitert werden. Bei gutem Therapieansprechen kann dann jeweils die Therapie mit dem Steroid und danach mit dem NSAR beendet werden, während das/die DMARDs weitergegeben werden müssen.

Alltag

Kinder und Jugendliche mit JIA können und sollten in den regulären Kindergarten­ bzw. Schulalltag integriert werden. Sie sollten an möglichst allen schulischen und Freizeitaktivitäten teilhaben und in familiäre Verpflichtungen einbezogen werden.

Familien mit rheumakranken Kindern sind in mehreren regionalen Selbsthilfegruppen und in der Rheuma Liga organisiert; der Kontakt und Austausch mit anderen Eltern wird oft als hilfreich empfunden. Die Rheuma­Liga bietet umfangreiches Material zu Krankheitsbildern sowie Hilfe im Alltag, informiert über Veranstal­tungen und Patientenschulungen.

www.rheuma­liga.de