Oktober 2025 – Ausgabe 46

Prävention von Rücken- und Nackenschmerzen im Büroalltag

Christoph Noack

Andrew van Broekhoven

Andrew van Broekhoven

Rückenschmerzen zählen zu den häufigsten Beschwerden. Laut Robert Koch-Institut berichteten im Jahr 2020 rund 61,3 % der erwachsenen Deutschen über entsprechende Probleme – am häufigsten im Bereich der Lendenwirbelsäule (52,9 %), gefolgt vom oberen Rücken (27,4 %). Auch Nackenschmerzen traten mit 45,7 % häufig auf (von der Lippe et al., 2020). Gesichert ist der Zusammenhang zwischen sitzender Tätigkeit und dem vermehrten Auftreten insbesondere nackenbezogener Beschwerden (Meng et al., 2025).

Das Sitzen selbst ist jedoch selten die alleinige Ursache. Sitzverhalten ist kein isoliertes Risikomoment, sondern eingebettet in Belastungsfaktoren wie Bewegungsmangel, suboptimale Arbeitsplatzgestaltung, psychischer Stress, Genetik, Dispositionen sowie automatisierte Verhaltensmuster des Alltags.

In die physiotherapeutische Praxis kommen regelmäßig Personen mit Rücken-, Nacken- oder Schulterbeschwerden, häufig mit Diagnosen wie Lumbalgie, HWS-Syndrom, Lumboischialgie oder Schulter-Arm-Syndrom. Solche Begriffe beschreiben funktionelle Beschwerden, die meist gut behandelbar sind und durch gezielte Bewegung und Alltagsanpassungen gelindert oder sogar verhindert werden können.

Dieser Artikel beleuchtet zentrale Ursachen für Rücken- und Nackenschmerzen im Kontext moderner Arbeitswelten – insbesondere in Bezug auf langes Sitzen – und bietet praxisnahe Empfehlungen zur Eigenhilfe und Prävention. Die vorgestellten Maßnahmen basieren auf gesicherten Erkenntnissen und lassen sich einfach in den Alltag integrieren.

Warum sind wir nicht mehr belastbar?

Ein Verständnis zur Entstehung funktioneller Rücken- und Nackenbeschwerden bietet das „Mehrdimensionale Belastungs- und Belastbarkeitsmodell“. Es basiert auf der Annahme, dass Rückenbeschwerden nicht primär durch eine einzelne Überlastung entstehen, sondern durch ein Missverhältnis zwischen individueller Belastbarkeit und alltäglichen Belastungen. Dieses Verhältnis hängt von einer Vielzahl interner und externer Einflüsse ab.

Die Belastbarkeit eines Menschen wird durch Faktoren wie Schlafqualität, psychisches Stressniveau, Ernährungsstatus, Fitnesslevel, emotionale Stabilität und viele weitere Faktoren beeinflusst. Also eben Faktoren, welche die psychische, soziale und biologische Gesundheit erfassen. Die Belastungen können ebenfalls von biologischer, psychischer oder sozialer Natur sein und variieren stark. Dazu zählen unter anderem negativer Stress, inadäquates Haltungs- und Bewegungsverhalten, Dispositionen, systemische Erkrankungen oder auch Einschränkungen in der Blutzirkulation.

Nicht alle Einflussfaktoren lassen sich direkt verändern. Das Haltungs- und Bewegungsverhalten gilt jedoch als vergleichsweise gut veränderbarer Faktor. Regelmäßige körperliche Aktivität kann nicht nur zur Reduktion von Schmerzen beitragen, sondern auch die funktionelle Belastbarkeit, das psychische Wohlbefinden und die Lebensqualität signifikant verbessern (Geneen et al., 2017).

Verständnis und Kommunikation bei unspezifischem Rückenschmerz

Typisch für unspezifische Rückenschmerzen ist, dass oft keine strukturellen Ursachen erkennbar sind. Diese Ungewissheit führt häufig zu einer Verunsicherung bei den Betroffenen. In der Hoffnung, eine Ursache zu finden, werden dann bildgebende Untersuchungen wie Magnetresonanztomografie (MRT) oder Röntgen durchgeführt, die dann häufig alters- oder verschleißbedingte Veränderungen zeigen. Diese radiologischen Befunde haben jedoch oft keinen realen Bezug zu den empfundenen Schmerzen.

Strukturelle Veränderungen an der Wirbelsäule sind auch bei einem erheblichen Anteil der beschwerdefreien Bevölkerung nachweisbar. So zeigen etwa 37 % der 20-Jährigen, die keine Rückenschmerzen haben, bereits degenerative Veränderungen im Bereich der Bandscheiben. Bei Personen über 40 steigt dieser Anteil deutlich an: Mehr als die Hälfte weist Anzeichen einer „Black Disc“ auf, bei den über 60-Jährigen sind es sogar über 85 % (Brinjikji et al., 2014). Solche Veränderungen gehören also zum normalen Alterungsprozess des Körpers.

Die Diskrepanz zwischen dem, was auf dem Bild zu sehen ist, und dem, was empfunden wird, ist groß – und hier liegt eine Herausforderung in der Kommunikation. Wird etwa ein MRT-Befund vom Patienten als dauerhafte „Schädigung“ interpretiert, kann dies Ängste auslösen, das Vertrauen in die eigene Belastbarkeit untergraben und letztlich zu einer Reduktion körperlicher Aktivität führen.

Die gute Nachricht ist: Viele Einflussfaktoren lassen sich aktiv beeinflussen – durch gezielte Bewegung, durch Abbau von Stressoren, durch Anpassung von Alltagsgewohnheiten oder durch gezielte kognitive Umstrukturierung von schmerzbezogenen Überzeugungen. Eine gut informierte, zuversichtliche und aktive Haltung gegenüber Rückenschmerzen geht mit einer schnelleren Besserung und einem geringeren Risiko für wiederkehrende Episoden einher.

Was hat Fett damit zu tun?

Ein struktureller Aspekt, der bei der Beurteilung anhaltender Rückenschmerzen an Bedeutung gewinnt, ist die sogenannte Fettinfiltration der Rückenmuskulatur insbesondere im Bereich der Lendenwirbelsäule (L3–L5) (Abb. 1). Hierbei handelt es sich nicht um ein direktes Verschleißphänomen, sondern um die Einlagerung von Fettgewebe innerhalb der Muskulatur. Sie lässt sich mittels MRT sichtbar machen und wird als Marker für muskuläre Inaktivität interpretiert. Die intramuskuläre Verfettung tritt häufiger bei Menschen mit anhaltenden Rückenbeschwerden auf und gilt als Hinweis auf eine verminderte funktionelle Kapazität der stabilisierenden Rumpfmuskulatur. Der erhöhte Fettanteil kann die Kontraktionsfähigkeit einschränken, die neuromuskuläre Kontrolle und die Funktion der Wirbelsäule beeinträchtigen. Er lässt sich nicht allein durch eine allgemeine Gewichtsreduktion beeinflussen; auch Ausdauertraining hat nur einen begrenzten Effekt. Wirksamer ist der gezielte Aufbau funktioneller Muskelmasse insbesondere durch spezifisches Krafttraining der Rumpfmuskulatur. Gezieltes freies Krafttraining über einen Zeitraum von mehreren Wochen unter Einbezug funktioneller Grundübungen wie Kniebeugen kann nachweislich zu einer Reduktion der Fettinfiltration in der Rückenmuskulatur beitragen. Gleichzeitig lassen sich so positive Effekte auf die Ausdauer sowie auf die funktionelle Leistungsfähigkeit der Muskulatur beobachten (Welch et al., 2015).

In der physiotherapeutischen Praxis bedeutet das: Bei länger bestehenden Rückenschmerzen lohnt sich ein Blick auf die Muskelstruktur – insbesondere dann, wenn klassische Erklärungsansätze nicht greifen. Die Beeinflussung von Fettinfiltration kann dabei ein vielversprechender Ansatz sein.

Wir müssen keine Superhelden werden

Prävention muss nicht immer aus hartem Training bestehen. Bereits 20 bis 30 Minuten Bewegung am Tag können spürbare Effekte auf die Rückengesundheit haben. Entscheidend ist nicht die Intensität, sondern die Regelmäßigkeit. Die Förderung von niederschwelliger Bewegung im Alltag kann ein erster motivierender Schritt sein – insbesondere für Menschen, die bislang kaum körperlich aktiv oder durch Schmerzen verunsichert sind.

Ein guter Ansatz für mehr Bewegung im Alltag ist das bewusste Einplanen von „Bewegungspausen“. Gerade bei überwiegend sitzender Tätigkeit hilft es, feste Zeiten im Kalender zu blocken, um kurz aufzustehen, sich zu dehnen, sich zu mobilisieren oder ein paar Schritte zu gehen. Digitale Tools oder Erinnerungs-Apps können eine wertvolle Unterstützung sein, um Routinen zu etablieren. Schon kurze Bewegungseinheiten von zwei bis fünf Minuten, regelmäßig über den Tag verteilt, können helfen, Beschwerden zu lindern und Problemen im Rücken- und Nackenbereich vorzubeugen.

Wer mehr für sich tun möchte, kann zusätzlich Übungen in den Alltag integrieren. Im Folgenden werden wissenschaftlich fundierte Übungen vorgestellt, die sowohl Beschwerden im Rücken- und Nackenbereich vorbeugen als auch die Funktionalität und Belastbarkeit des Bewegungsapparates nachhaltig verbessern können – ohne großen Zeitaufwand oder spezielle Trainingsgeräte.

Spazieren gehen als Lösung?

Büroangestellte, die über einen Zeitraum von sechs Monaten gezielt ihre tägliche Schrittanzahl steigerten, berichteten seltener über neu auftretende Nackenschmerzen als die Teilnehmenden einer Vergleichsgruppe ohne Bewegungsintervention (Sitthipornvorakul et al., 2020). Dieses Ergebnis unterstreicht das große Potenzial von Gehen als therapeutische Maßnahme für Menschen mit chronischen Rückenschmerzen. Im Vergleich mit anderen nicht medikamentösen Behandlungsformen zeigt sich ein mindestens gleichwertiger Effekt des Gehens auf Schmerzreduktion und funktionelle Verbesserung – sowohl kurzfristig als auch über Monate hinweg. In einer weiteren Studie wurde untersucht, wie sich verschiedene Verhaltensweisen, wie langes Sitzen, vermehrtes Stehen oder aktives Gehen, auf muskuloskelettale Beschwerden auswirken. Reines Stehen anstelle von Sitzen führte kurzfristig sogar zu einer Zunahme der Beschwerden insbesondere im Bereich des unteren Rückens und der Beine. Im Gegensatz dazu hatte regelmäßiges Gehen in kurzen, über den Tag verteilten Einheiten eine schmerzlindernde Wirkung bei akuten wie auch bei chronischen Beschwerden (Dzakpasu et al., 2023).

Kniebeugen

Kniebeugen zählen zu den wirkungsvollsten Übungen im funktionellen Krafttraining nicht nur wegen ihres Beitrags zur Kräftigung der Beinmuskulatur, sondern auch aufgrund ihrer umfassenden Wirkung auf den gesamten Bewegungsapparat. In der klassischen Ausführung beanspruchen sie primär die vordere Oberschenkelmuskulatur, die hintere Oberschenkelmuskulatur und die Gesäßmuskeln. Gleichzeitig erfordern sie eine stabile Rumpfkontrolle, wodurch auch die gesamte Bauch- und stabilisierende Rückenmuskulatur aktiv in das Bewegungsgeschehen eingebunden werden. Diese kombinierte Muskelaktivierung verbessert (bei richtiger Ausführung) die Haltung, fördert die neuromuskuläre Koordination und erhöht die Stabilität im Rumpf – ein entscheidender Aspekt für eine funktionelle Wirbelsäulenmechanik (Abb. 3).

Die kontrollierte Ausführung unter Anleitung hilft, ungünstige Bewegungsmuster zu korrigieren, die Muskelinteraktion rund um die Lendenwirbelsäule zu verbessern und langfristig eine stabile, belastbare Rumpfstruktur aufzubauen (Welch et al., 2015). Neben der direkten Schmerzlinderung berichten viele Betroffene auch über eine spürbare Steigerung ihrer körperlichen Leistungsfähigkeit im Alltag, etwa beim Heben, Gehen oder Sitzen über längere Zeiträume hinweg.

Die richtige Technik bei Kniebeugen
Die Ausgangsposition beginnt mit einem etwa hüftbreiten Stand, wobei die Fußspitzen leicht nach außen zeigen (10°–15°). Das Körpergewicht sollte über die drei Druckpunkte Ferse, Groß- und Kleinzehenballen gleichmäßig verteilt sein. Bei der Durchführung einer Kniebeuge ist es besonders wichtig, dass die Beine in einer stabilen und natürlichen Ausrichtung arbeiten.

Die Beinachse zieht von der Spina iliaca anterior superior, dem vorderen Darmbeinstachel, über die Kniescheibe bis zur zweiten Zehe. Bei der Kniebeuge sollte das Knie genau entlang dieser Linie bewegt werden – also weder nach innen noch nach außen kippen. Eine gut geführte Beinachse sorgt außerdem dafür, dass die Kraft gleichmäßig auf Hüfte, Knie und Sprunggelenk verteilt wird. Gerade bei Menschen mit Knieproblemen, X- oder O-Beinen ist es wichtig, auf diese Linie zu achten.

Ein häufiger Hinweis zur Überprüfung der Beinachse während der Kniebeuge ist die Orientierung des Knies über dem zweiten Zeh. Die Beobachtung der Bewegung im Spiegel oder die Rückmeldung durch eine fachkundige Person kann helfen, Abweichungen frühzeitig zu erkennen und zu korrigieren.

Eine aufrechte Körperhaltung ist essenziell: Der Rücken verbleibt in einer neutralen Position, die Bauchmuskulatur ist aktiv angespannt, der Brustkorb wird bewusst leicht angehoben. Der Blick richtet sich geradeaus, die Arme können zur Stabilisierung nach vorne gestreckt, vor der Brust verschränkt oder hinter dem Kopf platziert werden.

Die Abwärtsbewegung der Kniebeuge wird eingeleitet, als würde man sich langsam und kontrolliert auf einen imaginären Stuhl setzen. Dabei sollten die Knie die Fußspitzen nicht überschreiten. Wenn die Knie nach innen kollabieren, kann man das Gewicht etwas mehr auf die Kleinzehenballen verteilen (ohne Abheben des Großzehenballens) und die Gesäßmuskulatur aktiv anspannen. Der Rücken bleibt während der gesamten Bewegung aufrecht, ohne in eine Rundung zu fallen. Die Tiefe der Kniebeuge kann individuell variieren, sollte jedoch mindestens so weit reichen, dass die Oberschenkel parallel zum Boden stehen – sofern dies schmerzfrei möglich ist.

In der Aufwärtsbewegung wird der Körper über die Fersen kraftvoll wieder in die Ausgangsposition gedrückt. Knie und Hüften strecken sich dabei kontrolliert, während der Rumpf weiterhin stabil bleibt. Am Ende der Bewegung sollte die Spannung im Körper gehalten und der Körper nicht vollständig „durchgestreckt“ werden. Die Atmung begleitet die Bewegung idealerweise in einem rhythmischen Muster: einatmen beim Absenken, ausatmen beim Hochdrücken.

Häufige Fehler wie das Abheben einer der drei Druckpunkte, das Einknicken der Knie oder eine Rundung des Oberkörpers sind zu vermeiden. Für Anfänger oder Personen, die Schwierigkeiten mit der freien Ausführung haben, bieten sich Varianten wie Wandkniebeugen, das Absenken auf einen Stuhl oder unterstütztes Training mit TRX-Systemen an.

Alles, was wir brauchen, ist eine Wand

Zur nachhaltigen Verbesserung der Haltung und zur Reduktion von Schultergürtelbeschwerden spielen Übungen mit Aktivierung und Stabilisierung des Schulterblatts eine zentrale Rolle. Eine besonders wirkungsvolle Übung sind die sogenannten „Scapula Wall Slides“ oder in abgewandelter Form die „Wall Angels“. Diese Übungen fördern die Aufrichtung der Wirbelsäule, welche in direktem Zusammenhang mit der Außenrotation des Schultergürtels steht. Durch die bewusste Führung der Schulterblätter entlang der Wand werden nicht nur Haltung und Beweglichkeit verbessert, sondern auch zentrale Haltemuskeln für Funktion und Stabilität im oberen Rücken aktiviert (Suzuki et al., 2018).

Diese Übungen sind gezielt auf das Bewegungsverhalten des Schulterblatts abgestimmt. Dadurch lassen sich typische Haltungs- und Bewegungsmuster verbessern, die sonst immer wieder zu Funktionseinschränkungen oder Beschwerden führen können (Tang et al., 2024).

Wall Slides und Wall Angels

Wall Slides und Wall Angels sind zwei bewährte Übungen zur Förderung und Verbesserung der Schulterfunktion und zur Mobilisation der Brustwirbelsäule. Bei den sogenannten Wall Slides sitzt man in der Luft mit dem Rücken zur Wand. Der Kopf, der obere Rücken, der untere Rücken und das Gesäß haben dabei Kontakt zur Wand, während die Füße etwa eine Fußlänge davon entfernt stehen. Die Ellenbogen werden seitlich im 90°-Winkel gebeugt auf Schulterhöhe an die Wand gebracht und nach außen rotiert, sodass nun auch die Handrücken Kontakt zur Wand haben (Abb. 4). Aus dieser Position werden die Arme langsam und kontrolliert an der Wand nach oben geführt. Dabei ist es wichtig, dass Handrücken, Unterarme und Ellenbogen möglichst durchgehend Wandkontakt behalten. Die Bewegung wird so weit wie möglich ausgeführt, ohne dabei die natürliche Haltung der Wirbelsäule zu verändern oder ins Hohlkreuz zu kippen (Abb. 5). Nach der maximalen Mobilisierung werden die Arme kontrolliert wieder in die Ausgangsposition zurückgeführt.

Eine Variation dieser Übung stellen die Wall Angels dar, die durch eine flügelartige Bewegung an einen Schneeengel erinnern. Auch hier sitzt man frei und aufrecht mit Rücken, Gesäß und Kopf an der Wand, während die Arme in U-Form positioniert sind. Während der Ausführung werden die Arme in einem weiten Bogen langsam nach oben über den Kopf geführt, sodass sich beide Hände in der Endposition berühren (Abb. 6). Das Ziel ist es, gleichzeitig die Schulterbeweglichkeit, die Spannung in der Brustmuskulatur und die Streckfähigkeit der Brustwirbelsäule zu fördern. Auch hier gilt: Je nach individueller Beweglichkeit kann der Wandkontakt leicht variieren. Entscheidend ist die saubere, kontrollierte Ausführung.

Wichtig ist für Personen z. B. mit eingeschränkter Beweglichkeit oder mit muskulären Schwächen: Die Übung gilt nicht erst dann als „richtig“ ausgeführt, wenn jede Wiederholung in vollem Bewegungsumfang abgeschlossen wurde. Entscheidend sind vielmehr die gezielte muskuläre Aktivierung und das bewusste Ansteuern der richtigen Muskelgruppen.

Beide Übungen lassen sich auch für Einsteiger gut anpassen. Eine einfache Möglichkeit zur Modifikation besteht darin, einen Hocker an die Wand zu stellen und die Wall Slides oder Wall Angels in aufrechter Sitzposition durchzuführen. Dabei sollte der Rücken – inklusive des unteren Rückens, der Brustwirbelsäule und des Hinterkopfs – immer noch möglichst vollständig die Wand berühren.

Ein bisschen Rückentraining für Zwischendurch

Die sogenannte Lock-3-Routine, benannt nach dem australischen Physiotherapeuten Dr. Andrew Lock, besteht aus drei Übungen in Bauchlage, die vor allem auf die Aktivierung der schulterblattstabilisierenden Muskulatur abzielen – insbesondere auf die drei funktionellen Anteile des M. trapezius (pars descendens, transversa und ascendens). Diese Muskeln spielen eine zentrale Rolle für eine aufrechte Haltung, die Funktionalität der Brustwirbelsäule und die Belastbarkeit der Schulter-Nacken-Region im Alltag.

Durch die kontrollierte Ansteuerung der Rückenmuskulatur und der Schulterblattmuskulatur bei der Lock-3-Routine werden Haltefunktion und muskuläre Koordination verbessert. Die Lock-3-Routine benötigt keine Geräte, wenig Platz und kann flexibel in den Tagesablauf integriert werden – etwa morgens vor dem Start in den Tag oder als Ausgleich nach längerer Schreibtischarbeit. Sie lässt sich als evidenzbasiertes und praxiserprobtes Instrument sowohl in der Prävention als auch in der Rehabilitation von Schulter-Nacken-Beschwerden einordnen.

Die Lock-3-Sequenz:

Teil 1 und 2: Arme nach hinten strecken in Bauchlage
Bei der ersten Übung liegt man flach auf dem Bauch, die Beine bleiben gestreckt, und der Kopf ruht entspannt auf einem kleinen Kissen oder direkt auf der Matte. Die Arme werden nun gestreckt nach hinten geführt, etwa entlang des Körpers. Zuerst zeigen die Handflächen dabei nach oben (Innenrotation) (Abb. 7a) und dann für die zweite Übung nach unten (Außenrotation) (Abb. 7b). Die Schulterblätter werden sanft und kontrolliert zusammengezogen, während man die Arme leicht vom Boden abhebt, ohne zu schwingen oder ins Hohlkreuz zu fallen. Der Fokus liegt auf einer bewussten Aktivierung der Rückenmuskulatur zwischen den Schulterblättern. Die Spannung wird für fünf bis zehn Sekunden gehalten, bevor die Arme wieder abgelegt werden.

Teil 3: T-Raises in Bauchlage
Die dritte Übung ähnelt der vorherigen, allerdings werden die Arme nun seitlich auf Schulterhöhe ausgestreckt (Abb. 8). Die Daumen zeigen zur Decke, um eine funktionelle Ausrichtung im Schultergelenk zu gewährleisten. Die Arme werden jetzt sanft angehoben, während man bewusst die Schulterblätter nach hinten unten zieht. Auch diese Übung erfordert keine großen Bewegungen, sondern eine konzentrierte muskuläre Spannung zwischen den Schulterblättern und entlang des oberen Rückens. Diese Haltung wird fünf bis zehn Sekunden gehalten, bevor die Arme wieder kontrolliert abgelegt werden.

Bonus: Y-Raises in Bauchlage
Für diese Übung bleibt man in der Bauchlage, diesmal werden die Arme jedoch schräg nach vorne oben ausgestreckt, sodass sie zusammen ein „Y“ bilden (Abb. 9). Die Daumen zeigen zur Decke, sodass die Außenrotation in der Schulter gefordert ist. Aus dieser Position hebt man die Arme leicht vom Boden ab. Wichtig ist, dass die Bewegung nicht aus dem Schwung, sondern aus der gezielten Spannung in der Muskulatur erfolgt. Der Kopf bleibt dabei in Verlängerung der Wirbelsäule – also nicht überstreckt. Auch hier werden die Schulterblätter aktiv in Richtung Wirbelsäule gezogen, um dort die Rückenmuskulatur zu beanspruchen. Nach fünf bis zehn Sekunden Spannung legt man die Arme wieder ab, und nun kann die Routine von vorne beginnen.

Wer die Übungen der Lock-3-Routine etwas herausfordernder gestalten möchte, kann zusätzlich den Brustkorb leicht vom Boden abheben. Dabei bleibt der Blick weiterhin nach unten gerichtet, um weiterhin eine Überstreckung der Halswirbelsäule zu vermeiden. Durch das Anheben des Oberkörpers wird nicht nur die Rückenspannung intensiviert, sondern auch die Rumpfmuskulatur stärker aktiviert. Wichtig ist, dass die Bewegung nicht aus dem Hohlkreuz heraus entsteht.

Training der Rumpfmuskulatur

Ein gezieltes Training der Rumpfmuskulatur stellt für Menschen mit anhaltenden Rückenschmerzen eine wirksame Maßnahme dar. Stabilisationsübungen – häufig unter dem Begriff Core-Stability-Training zusammengefasst – zielen darauf ab, die haltungsrelevanten Muskelgruppen rund um die Wirbelsäule gezielt zu kräftigen.

Übungen zur Rumpfstabilität eignen sich ebenso zur Linderung bestehender Beschwerden wie zur Vorbeugung: Regelmäßiges Training stärkt das muskuläre Stützkorsett, erhöht die Belastbarkeit der Wirbelsäule und kann das Risiko erneuter Schmerzepisoden senken. Entscheidend ist dabei weniger die exakte Auswahl der Übungen, sondern die Regelmäßigkeit (Wang et al., 2012).

Ein besonders effektives und einfach umsetzbares Beispiel für ein Trainingskonzept ist die sogenannte „McGill Big 3“-Einheit. Sie wurde vom kanadischen Rückenexperten Stuart McGill entwickelt und besteht aus drei aufeinander abgestimmten Übungen, die zentrale Rumpfmuskeln aktivieren und stabilisieren. Ziel ist es, die Haltemuskulatur zu stärken, die den Rumpf im Alltag stabilisiert und vor Überlastung bei alltäglichen Bewegungen schützt, wie Gehen, Tragen, Heben oder Sitzen.

Die Übungen – Curl-up, Side Plank und Bird Dog – lassen sich ohne Hilfsmittel durchführen und sind auch für Einsteiger geeignet. Die Kombination der drei Übungen bietet einen strukturierten Einstieg in das Rumpfstabilisationstraining. Sie eignen sich sowohl zur Selbstanwendung wie auch als Bestandteil eines physiotherapeutischen Trainingsplans.

McGill Big 3

1. Curl-up
Der Curl-up (Abb. 10) ist eine Alternative zum klassischen Sit-up mit dem Zusatz, dass die Wirbelsäule dabei in neutraler Position bleibt. Ziel ist es, die gerade Bauchmuskulatur gezielt zu aktivieren, ohne den unteren Rücken zu fordern.

Dabei liegt man auf dem Rücken, ein Bein ist ausgestreckt, das andere angestellt. Die Hand, welche auf der gegenüberliegenden Seite des angestellten Beines ist, wird flach unter den unteren Rücken positioniert, um dessen natürliche Lordose zu unterstützen. Nun hebt man den Brustkorb ganz leicht an – nur so weit, dass der Kopf und die Schulterblätter vom Boden abheben (Abb. 10). Die Bewegung ist minimal, aber gezielt. Wichtig ist, dass der untere Rücken ruhig bleibt. Nach fünf bis zehn Sekunden Spannung wird der Oberkörper langsam wieder abgelegt.

2. Side Plank

Der Side Plank (Abb. 11) fördert die seitliche Stabilität und kräftigt gleichzeitig die seitlichen Bauch- und Rückenmuskeln. Die Ausführung erfolgt in Seitenlage, wobei der untere Ellenbogen direkt unter der Schulter platziert wird. Der Körper wird seitlich aufgestützt, sodass eine gerade Linie von den Füßen bis zum Kopf entsteht. Der Bauch bleibt angespannt, das Becken aufgerichtet, und der freie Arm kann zur Stabilisierung auf der Hüfte ruhen. Für Einsteiger empfiehlt sich eine Variante mit angestellten Knien: Die Beine sind angewinkelt, und die Knie bleiben am Boden. Diese leichtere Version aktiviert dennoch die gewünschten Muskelgruppen.

Wichtig ist dabei eine saubere Technik: Das Becken sollte nicht absinken, die Schultern sollten so gut wie möglich übereinander ausgerichtet werden, und der Kopf sollte in Verlängerung der Wirbelsäule gehalten werden. Bereits fünf bis zehn Sekunden Haltezeit pro Seite in korrekter Ausführung können ausreichen, um einen stabilisierenden Trainingsreiz zu setzen. Mit zunehmender Übung kann die Haltezeit allmählich gesteigert oder durch Varianten – wie das Anheben des oberen Beins – intensiviert werden.

3. Bird-Dog

Der Bird-Dog (Abb. 12) ist eine koordinativ anspruchsvollere Übung, welche die Zusammenarbeit zwischen Armen, Beinen und Rumpf trainiert. Man beginnt im Vierfüßlerstand: die Hände unter den Schultern, die Knie unter der Hüfte. Nun streckt man einen Arm nach vorne und das diagonale gegenüberliegende Bein nach hinten aus, wobei die Hüfte stabil gehalten wird und der Rücken gerade bleiben soll. Diese Position wird für fünf bis zehn Sekunden gehalten, bevor langsam zur Ausgangsposition zurückgekehrt wird. Danach folgt die andere Seite. Auch hier gilt: lieber kontrolliert und langsam ausführen als zu weit strecken und dabei die Spannung verlieren.

Alle drei Übungen lassen sich gut zu einer kurzen, aber effektiven Trainingseinheit kombinieren, die nur etwa zehn bis fünfzehn Minuten in Anspruch nimmt und mehrmals pro Woche durchgeführt werden kann.

Fazit

Rückenschmerzen sind Ausdruck eines komplexen Zusammenspiels aus körperlichen, psychischen und sozialen Einflussfaktoren, die in ihrer Wechselwirkung das individuelle Schmerzgeschehen mitbestimmen. Ein modernes Verständnis von Rückenschmerzen folgt daher dem biopsychosozialen Modell, das die Lebensumstände, die Alltagsbelastungen, die körperliche Konstitution sowie weitere Einflussfaktoren berücksichtigt. Bewegungsmangel, inadäquates Haltungs- und Bewegungsverhalten, psychischer Stress, emotionale Überforderung oder mangelnde Regenerationsphasen tragen dazu bei, dass die körperliche Leistungsfähigkeit sinkt und der gesamte Halteapparat an funktioneller Qualität verliert.

Hier liegt eine therapeutische und präventive Chance: Der Weg zur Rückenfunktionalität führt über aktive Bewegungstherapie mit Programmen, die individuell angepasst, alltagstauglich, funktionell und nachhaltig sind. Die McGill-Big-3-Sequenz bietet ein solches wissenschaftlich fundiertes Programm.

Für die Prävention spielen auch die Haltung im oberen Rückenbereich sowie die Schulterblattmuskulatur eine wesentliche Rolle. Die Lock-3-Routine adressiert diesen Bereich gezielt und hilft insbesondere Personen mit sitzender Tätigkeit, die Schulter- und Nackenmuskulatur gezielt zu stärken, die Bewegungsqualität zu verbessern und die muskuläre Ausdauer in diesem Bereich zu fördern. Unterstützend wirken auch Übungen wie Wall Slides und Wall Angels.

Neben gezieltem Training spielt auch die Alltagsbewegung eine wichtige Rolle für die Rückenfunktion. Besonders regelmäßiges Spazierengehen und bewusst eingeplante Bewegungspausen können eine große Wirkung entfalten. Wer regelmäßig aufsteht, sich kurz bewegt oder kleine Wege bewusst zu Fuß zurücklegt, leistet damit einen wirkungsvollen Beitrag zur Rückenfunktion – ganz nach dem Prinzip: Jeder Schritt zählt.

Rückenfunktionalität ist kein Zufallsprodukt. Sie entsteht durch bewusste Entscheidungen, konsequente Verhaltensänderungen und realistische Zielsetzungen. Wer Bewegung als essenziellen Bestandteil seiner Gesundheitsvorsorge begreift, legt den Grundstein für ein aktives, schmerzfreieres Leben. Der Rücken ist dabei nicht nur ein zentrales Element körperlicher Stabilität, sondern auch ein Spiegel unserer Lebensweise. Wer ihn stärkt, stärkt auch sich selbst – physisch, psychisch und emotional.

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