Mai 2024 – Ausgabe 43

Pes planovalgus – der Plattfuß des Erwachsenen

Thermann

Prof. Dr. med. Hajo Thermann
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Schlüsselwörter: Pes planovalgus, Plattfuß, konservative Therapie, Kalkaneusosteotomie, Triple-Arthrodese

Plattfüße sind eine normale anatomische Variante, die bei etwa bei 25 Prozent der Menschen beobachtet wird. Die meisten Menschen haben mit ihren Plattfüßen keine ernsthaften Probleme und sind voll belastbar, sodass die reine anatomische Fehlstellung als Variante der normalen Fußstellung, also nicht als krankhaft anzusehen ist und keiner Behandlung bedarf. Eine leichte Fehlstellung lässt sich immer mit Einlagen korrigieren, was vor allem im zunehmenden Alter die oft nur geringen Beschwerden der Patientinnen und Patienten verbessert. Fortgeschrittene oder komplexe Fußdeformitäten hingegen erfordern häufig eine operative Therapie.

Bei Plattfüßen, die durch eine Abflachung des medialen Fußgewölbes und einen Mangel an propulsivem Gang gekennzeichnet sind, kann ein gezielter Eingriff an den Läsionsebenen erforderlich sein. Die drei Läsionsebenen sind das Talonavikulargelenk, das Tibiotarsalgelenk und das Metatarsalgelenk (Mittelfuß). Das Subtalargelenk wird durch Rotationsdefekte zerstört. Es kommt hierbei zu einem Versagen des „Stabilisationslocking-Mechanismus“ und zu einem Verlust der Dezeleration der Innenrotation (Abb. 1 a-e):

  • exzessive Pronation bei Heel Strike (Fersenbeuge)-Peroneus
  • Adduktion und Plantarflexion des Talus zum Kalkaneus
  • Verkürzung der lateralen Fußsäule
  • Druck und Degeneration des Springligaments
  • Laxität und Instabilität der medialen Fußsäule / 1. Strahl
  • fibulares Abutment

Das mediale Seitenband (Ligamentum collaterale) wird einem Stress ausgesetzt und bei unphysiologischer Valgusstellung zwischen Fersenbein (Kalkaneus) und Schienbein (Tibia) belastet. Dies führt zur Degeneration und Laxität des Ligamentum collaterale mediale (Abb. 2).

Ätiologie

Die Ätiologie de Pes planovalgus ist multifaktoriell. Mögliche Ursachen sind unter anderem:

  • degenerativ (häufig)
  • chronisch entzündliche Erkrankungen (Rheumatische Arthritis (RA), Psoriasis­Arthiritis (PsA), Reiter-Syndrom etc.)
  • idiopathisch
  • Sehnen-Hypovaskularisation (Midportion)

Klinische Untersuchung

Bei der klinischen Untersuchung vor Ort ist auf folgende Parameter zu achten (Abb. 3 a-c):

  • abgeflachtes oder aufgehobenes Längsgewölbe
  • Vorfußabduktion
  • Too-many-Toes-Zeichen (bei dorsaler Betrachtung des Fußes sind fast alle Zehen sichtbar)
  • keine Rückfußinversion und kein Einbeinstand möglich

Passive Dorsiflexion mit Wiederherstellung des medialen Längsgewölbes (Jack-Test) führt bei einem Pes planovalgus nicht zur Wiederherstellung des medialen Längsgewölbes.

„Der symptomatische Plattfuß muss stadien­gerecht korrigiert werden, um langfristig eine Arthrose im oberen Sprunggelenk zu vermeiden.“

Diagnostik

Für die Rekonstruktion sind in der Dia­gnostik auch die Belastungsaufnahmen in dorsaler und sagittaler Ebene wichtig. Hier ist besonders die talare Rotation zum Kahnbein (Os naviculare) und zum 1. Strahl des Os metatarsale 1 zu evaluieren. Ferner sieht man in der Sagittalebene häufig die Elevation des 1. Strahls. In fortgeschrittenen Stadien findet sich auch ein medialer Tilt im Bereich des oberen Sprunggelenks (Abb. 4 a-c).

Im MRT sind die posteriore tibiale Sehne, das Ligamentum peroneale und das Ligamentum interosseum sichtbar. Hier finden sich Läsionen und Degenerationen, teilweise Risse bei Impingement des lateralen Tuberkels des Talus, Ödeme im Bereich der Spongiosa und Zysten in der anterioren Apophyse des Kalkaneus.

Zur Diagnose des eher jugendlichen oder des rotationssteifen Plattfußes sollte immer eine Computertomographie durchgeführt werden, um Synostosen zu beurteilen, die die Bewegung des Subtalar- und des Talonavikular-Gelenks einschränken.

Behandlung

Die erste Behandlung bei geringer Symptomatik ist die Verordnung von Einlagen sowie eine Stabilisierung des Rückfußes. Bei schweren Formen des Plattfußes, die aus allgemeinen Gründen nicht operiert werden können, kann ein maßgefertigter orthopädischer Schuh eingesetzt werden. Die Rehabilitation umfasst die zentrische Dehnung der Quadrizeps- und Wadenmuskulatur. Ebenfalls sollten die Triggerpunkte des Flexor hallucis longus und des Flexor digitorum behandelt werden, um die Schwäche der tibialen Muskulatur auszugleichen. Eine genaue Stadieneinteilung ist nach Johnson und Strom, modifiziert von Myerson (Grad 1 bis 4), möglich:

  • Grad 1: nicht deformiert
  • Grad 2: flexible Rückfußdeformität
  • Grad 3: fixierte Rückfußdeformität
  • Grad 4: überlagerte Sprunggelenk­s­arthritis

Man unterscheidet zwischen „flexiblem“ Plattfuß (Grad 1 und 2) und fixiertem / festem Plattfuß.

Operative Techniken

In Bezug auf die mediale Translation durch Kalkaneusosteotomie (Klassifikation nach Marc Myerson) wird eine Technik mit einer Osteotomie im Bereich der Tuber calcanei mit medialer Translation angewandt, sodass insbesondere die Achillessehne wieder in eine neutralere Position gebracht wird und nicht weiter im Valgus zieht.

Der Autor verwendet eine eigene modifizierte Form der „Dome“-Osteotomie (Abb. 5a-c):

Das Ziel operativer Eingriffe beim Plattfuß muss also immer sein, dass die Achillessehne in der Achse der Tibia „zieht“.

Ein weiteres beim Plattfuß eingesetztes OP-Verfahren ist die „Evans Kalkaneus-­Verlängerungsosteotomie“ modifiziert nach B. Hintermann. Durch das Einbringen eines triangulären Knochenkeils wird hier die Abduktion aufgehoben und damit automatisch der mediale Gelenkbereich angehoben, der durch die Schrägstellung des Taluskopfes entsteht. Die Korrektur erfolgt in der dorsoplantaren Ebene, bis die Coxa pedis und das Os naviculare den Taluskopf wieder vollständig überdecken. Diese Technik von Evans wird von Hintermann aus meiner Sicht dahingehend verbessert, dass er die Osteotomie unmittelbar vor der posterioren Facette schräg zwischen der medialen und der anterioren Facette durchführt, um einen wesentlich stärkeren Hebel auf das Subtalargelenk ausüben zu können (Abb. 6 a-d).

In Einzelfällen kommt es zu einer Erhöhung des Druckes im Kalkaneokuboid-Gelenk, was aus meiner Sicht eher selten ist. In diesem Fall kann man aber auch die Peroneus-brevis-Sehne etwas verlängern, um somit den Zug zu reduzieren.

Weichteilrekonstruktion

Springligament / Flexor-digitorum-Transfer

Auf der medialen Seite muss eine Weichteilrekonstruktion durchgeführt werden, auf jeden Fall bei Laxität des medialen Kollateralbandes, vor allem aber auch zur Rekonstruktion des Springligamentes und zum Ersatz des teilweise kaum noch vorhandenen M. tibialis posterior. Hierbei wird die Sehne des M. flexor digitorum in einer Schlingentechnik im Kuboid fixiert (Abb. 7 a, b). Bei zusätzlichen Instabilitäten des 1. Strahls wird die Cotton-Osteotomie durch eine flektierende Osteotomie des Cuneiforme 1 oder die von mir bevorzugte Lapidusarthrodese des 1. Strahls durchgeführt.

In einigen Fällen, etwa bei moderater Taluskippung im Bereich des oberen Sprunggelenks und bei moderater Hallux-Fehlstellung mit schwerer Arthrose im oberen Sprunggelenk, kann eine Evans­Osteotomie sowie eine Weichteilrekon­struktion mit einer Sprunggelenksprothese kombiniert werden.

Bei Endstage-Plattfüßen mit peritalarer Arthrose wird im unteren Sprunggelenk, im Talonavikular-Gelenk und im Kalkaneokuboid-Gelenk eine Triple-Arthrodese mit Rückfußkorrektur als einzige operative Versorgung zum Erlangen der Schmerzfreiheit durchgeführt (Abb. 8). Die Triple-Arthrodese wird in erster Linie bei rheumatoider Arthritis sowie bei schweren posttraumatischen Fällen oder neurologischen Grunderkrankungen eingesetzt.

Fazit

Das Valgus-Plattfuß-Syndrom zeigt ein breites Spektrum verschiedener Deformitäten und nosokomialer Einheiten auf, die zu einem nicht-propulsiven Gang führen. Vor Beginn einer Behandlung muss evaluiert werden, welche drei Ebenen betroffen sind: tibiotalar, talonavikular und mediatarsal. Das Subtalargelenk unterliegt Rotationsfehlern mit den Konsequenzen einer Insuffizienz des Subtalargelenks und des Chopart-Gelenks. Der chirurgische Zugang sollte alle drei Ebenen adressieren und rekonstruieren. Der symptomatische Plattfuß muss stadiengerecht korrigiert werden, um à la longue eine Arthrose im oberen Sprunggelenk zu vermeiden.