Oktober 2023 – Ausgabe 42

Orthopädische Schäden bei Handball-Profis

Schnetzke

Prof. Dr. med. Marc Schnetzke
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Dr. med. Sven Lichtenberg
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Prof. Dr. med. Markus Loew
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Schlüsselwörter: Werferellenbogen, Osteochondrosis dissecans, Ellenbogengelenksarthrose, chronische MCL-Insuffizienz

Der Handballsport zählt neben anderen Überkopfsportarten zu den Wurfsportarten mit teils extremen Belastungen, die auf das Schulter- und Ellenbogengelenk einwirken. Als Folge repetitiver Wurfbelastungen kann es am Ellenbogengelenk zu einer chronischen Überlastung von Sehnen, Bändern und des Gelenkknorpels kommen mit teils erheblichen Folgen für die Funktionalität des Gelenkes (sog. Werferellenbogen). Im vorliegenden Artikel werden die drei häufigsten orthopädischen (Spät-)Folgen durch Handballspielen betrachtet.

Ätiogenese

Bei den typischen Wurfsportarten wie Handball, Baseball, Tennis oder Speerwerfen wirken signifikante Valguskräfte auf das Ellenbogengelenk ein. Ein Handball kann von Profisportlern bis auf 130 km / h beschleunigt werden; und das mehrere tausend Mal in einer Karriere. Während des Wurfs wirken ulnarseitig Zugkräfte, die das Ligamentum collaterale ulnare (MCL), den N. ulnaris und die Flexoren reizen. Radialseitig herrschen Kompressionskräfte zwischen Radiuskopf und Kapitulum. Dorsalseitig kommt es zum Anschlagen des Olekranons an die ulnare Wand der Fossa olecrani.

Osteochondrosis Dissecans (OD)

Die Entstehung einer OD wird in der Literatur weiter kontrovers diskutiert. Von den bekannten Ursachen für Entwicklungsstörungen wie Minderperfusion, Traumata, Infektionen, Tumoren oder radioaktive Strahlung zählen die Vaskularisationsstörung und repetitive Mikrotraumata zu den am häufigsten genannten. In der Anamnese finden sich bei 50 Prozent der Patientinnen und Patienten vorangegangene größere Traumata. Untersuchungen zeigen, dass sich durch repetitives Werfen in Abhängigkeit von Wurfhäufigkeit, Trainingsdauer und Wurftechnik 50 – 67 Prozent der OD erklären lassen.

Im aktuellen Beispiel hat sich ein 16-jähriger Patient vorgestellt, der seit fünf Jahren Handball spielt. Der Patient hat zunehmend Blockaden am dominanten rechten Ellenbogen sowie Schmerzen bei Belastung verspürt. Im MRT ist ein Knorpeldefekt am Capitulum humeri mit Dislokation des osteochondralen Fragmentes zu sehen (Abb. 1).

Aufgrund der Blockaden und aufgrund des fortgeschrittenen Stadiums der OD wurde die Indikation zur operativen Therapie gestellt. Es erfolgte eine offene Bergung des osteochondralen Fragmentes. Der Defekt wurde angebohrt (sog. Mikrofrakturierung) und der entnommene Gelenkknorpel wurde anschließend zerkleinert (sog. minced cartilage), in den Defekt eingelegt und mit Fibrinkleber befestigt (Abb. 2).

Sechs Monate postoperativ ist der Patient beschwerdefrei und das MRT zeigt eine gute Regeneration des Gelenkknorpels mit Wiederherstellung der Gelenkfläche (Abb. 3).

Arthose

Die Prävalenz der primären Ellenbogengelenksarthrose beträgt ab dem 40. Lebensjahr etwa 3,5 Prozent. Neben der primären hat insbesondere die posttraumatische Arthrose des Ellenbogens quantitativ eine wesentliche Bedeutung. Die Arthrose tritt insbesondere bei sportlich aktiven männlichen Patienten auf: durch exzessive Schlag- und Wurfbelastungen kann es zu Schädigungen des Gelenkknorpels und in der Folge zur Ausbildung einer Arthrose kommen. Die im ersten Beispiel beschriebene OD kann als Ausgangsstadium für die Entstehung des Vollbildes einer Arthrose angesehen werden. Patienten mit einer Ellenbogenarthrose weisen häufig freie Gelenkkörper mit charakteristischen Blockadephänomenen auf. Dies sind klinisch meist die ersten Zeichen einer beginnenden Ellenbogenarthrose. Freie Gelenkkörper entstehen durch das Abbrechen von Osteophyten, die sich in Folge einer Arthrose typischerweise im Bereich der Olekranonspitze und der Koronoidspitze ausbilden.

Der vorgestellte Patient ist 36 Jahre alt und spielt seit seinem 12. Lebensjahr Handball. Der Patient hat zunächst eine zunehmende Bewegungseinschränkung mit Schmerzen bei endgradiger Beugung und Streckung festgestellt. In der Folge kam es dann auch immer häufiger zu Blockaden. Das CT des Patienten zeigt die typischen Veränderungen einer Arthrose des Ellenbogengelenkes mit multiplen freien Gelenkkörpern und osteo- phytären Anbauten im Bereich des Olekranons und des Koronoids (Abb. 4).

Bei diesem Befund wurde eine Indikation zur operativen Therapie mit arthroskopischer Entfernung der freien Gelenkkörper gestellt. Zusätzlich führten wir bei der Operation eine Resektion der Osteophyten durch, um die Beweglichkeit zu verbessern und die Bildung neuer freier Gelenkkörper zu verzögern. Der Effekt des sog. UAD-Verfahrens (umfangreiches arthroskopisches Debridement) hält in der Regel fünf bis zehn Jahre und kann bei Bedarf dann wiederholt werden.

Mediale Bandinsuffizienz

Während des Wurfs wirken ulnarseitig Zugkräfte auf das Ellenbogengelenk, die das MCL, den N. ulnaris und die Flexoren reizen. In Folge der dauerhaften Zugbelastung auf das MCL kann es zu einer Insuffizienz kommen (Abb. 5).

Chronische MCL-Läsionen äußern sich als medialer Ellenbogenschmerz, der leicht mit einer medialen Epikondylopathie (im Volksmund auch Golferellenbogen) verwechselt werden kann. Sportlerinnen und Sportler beklagen einen Belastungsschmerz, der meist ab 50–75 Prozent der Wurfkraft auftritt. Die konservative Therapie besteht aus sechs bis acht Wochen Sportkarenz. Es wird Physiotherapie zur Stärkung der Flexoren-Pronatoren-Gruppe eingeleitet. Führt die

Schonung nach spätestens sechs Monaten nicht zu einer Beschwerdebesserung, ist eine operative Therapie mit medialer Bandplastik indiziert.

Zusammenfassung

  • Bei Wurfsportarten wirken enorme Valguskräfte auf das Ellenbogengelenk ein.
  • Bei Jugendlichen oder jungen Erwachsenen kann es durch eine Kompression auf das radiohumerale Gelenk zu einem Knorpelschaden am Capitulum humeri kommen (Osteochondrosis dissecans).
  • Langfristig kann durch die Wurfbelastung und die damit einhergehend wiederholte Traumatisierung des Gelenkknorpels das Vollbild einer Ellenbogenarthrose entstehen.
  • Die extremen Valguskräfte beim Werfen können zu einer chronischen Insuffizienz des MCL führen.

Prof. Dr. med. Marc Schnetzke
Dr. med. Sven Lichtenberg
Prof. Dr. med. Markus Loew
DEUTSCHES GELENKZENTRUM HEIDELBERG
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