Mai 2023 – Ausgabe 41

Orthopädische Chirurgie bei sehr alten Menschen – was kommt auf uns zu?

Thermann

Prof. Dr. med. Hajo Thermann
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Schlüsselwörter: Arthrose, Endoprothetik, Hochbetagte, Sturzrisiko, Komplikationen

Die Gruppe der über 80 Jahre alten Menschen wächst überproportional im Vergleich zur Gesamtbevölkerung. Angesichts der Häufigkeit von Hüft- und Kniearthrosen wird eine Welle von endoprothetischen Eingriffen auf die orthopädische Chirurgie zukommen, denn die Datenlage ist eindeutig: Trotz z.T. vermehrter Komplikationen profitieren auch Patienten, die 80 Jahre und älter sind, von der Implantation einer Hüft- oder Knieendoprothese. Daher ist dieser Beitrag ein Plädoyer für die endoprothetische Versorgung von Hochbetagten!

Arthrose wird zum wachsenden Problem: 60 % der Patienten, die hierzulande orthopädisch behandelt werden, haben eine Kniegelenksarthrose, 38 % eine Hüftgelenksarthrose, 25 % eine Schultergelenksarthrose und 11 % eine Sprunggelenksarthrose. Nach einer Erhebung der GEDA (Gesundheit in Deutschland Aktuell, eine Studie des Robert Koch-Instituts) aus dem Jahr 2010 leiden über siebzigjährige Frauen bis zu 52 % an Gelenksarthrose irgendeiner Art gegenüber Männern mit (nur) 38 %. Da die überragende Mehrzahl der endoprothetischen Eingriffe im hohen Alter die Hüfte und Knie betreffen und soli- de wissenschaftliche Untersuchungen da- zu vorliegen, kann dieses Thema auf Evidenz untersucht werden.

Eingriffe im hohen Alter in der Fuß- und Sprunggelenkschirurgie sind hingegen eher selten, da Erkrankungen dieser Gelenke in der Regel mit konservativen Methoden (Arthrodeseschuh etc.) besser beherrschbar sind und die Lebensqualität nicht so stark limitiert wird wie durch eine Knie- oder Hüftarthrose. Zu den Erkrankungen älterer Patienten an Fuß- und Sprunggelenk zählen vor allem Osteoarthrose, Sprunggelenks- und Fußfrakturen, degenerative Sehnenerkrankungen, teilweise mit Rupturen, Plantarfasziitis und solche, die einen OSG-Gelenksersatz, Fusionen und Sehnenrekonstruktionen als operative Maßnahme erfordern.

Vergleichbares gilt für das Schultergelenk als „nicht lasttragendem Gelenk“, dessen Erkrankungen die Lebensqualität eher selten schwer beeinträchtigen. Hier sind Schultergelenksarthrose, Rotatorenmanschettenrupturen, Frakturen und Instabilitäten zu nennen, die operativ versorgt werden müssen.

Knie- und Hüftendoprothetik bei alten Patienten: die Evidenz

Eine Erhebung des statistischen Bundesamtes vom Dezember 2021 zeigt, dass 22,15 % der Bevölkerung bereits älter als 65 Jahre waren. 2020 waren sogar 24 % von insgesamt 62 Millionen Erwerbstätigen zwischen 60 bis 74 Jahre alt. Wenn man das auf die Erwerbsbevölkerung nach Altersgruppen bis 2050 extrapoliert, werden es dann sogar 27 % sein; fast ein Drittel von 56 Millionen Erwerbstätigen wird damit älter als 60 Jahre alt sein.

Die Verhältnisse in den USA wurden sehr genau von Eric L. Rubin untersucht: Er stellte fest, dass die US-Population von 2000 bis 2010 in dem Segment > 65 Jahre viel schneller gewachsen ist als die Gesamtbevölkerung mit 15,1 % gegenüber 9,7 % im Jahr 2000. Und die Kohorte der 85- bis 94-Jährigen hatte die höchste Wachstumsrate während dieser Periode von etwa 30 %. Die amerikanische Bevölkerungsgruppe der über 95-Jährigen wuchs zusätzlich um 26 % an.

In Deutschland haben wir gegenwärtig fast 23.000 Menschen, die über 100 Jahre alt sind. Da die Gruppe der über Achtzig- jährigen überproportional zur Gesamtbevölkerung wächst, müssen wir davon ausgehen, dass aufgrund der Manifestierung von Osteoarthrosen mit zunehmendem Alter dieses Problem an Dringlichkeit gewinnen wird.

Natürlich führt der Anstieg der älteren Bevölkerung dazu, dass der Bedarf für eine endoprothetische Versorgung bei Arthrose des Hüft- oder Kniegelenkes dramatisch ansteigen wird. Kurz et al. sagten bereits 2007 voraus, dass bis zum Jahr 2030 der Bedarf an Knieendoprothesen auf etwa 673 % steigen würde, der an Hüftendoprothesen auf 174 %.

Aufgrund der höheren Lebenserwartung wird zusätzlich auch der Bedarf an Wechsel- und Revisionsoperationen steigen. Deren Eingriffszahlen haben sich bereits im Zeitraum von 2007 bis 2015 verdoppelt und man rechnet mit einer weiteren Verdoppelung bis 2026.

Kurz et al. stellten fest, dass in den Vereinigten Staaten bereits 679 Hüftprothesen und sieben Knieprothesen bei Hundertjährigen implantiert wurden, während bei den Neunzigjährigen schon 33.000 Hüftprothesen und 2050 Knieprothesen eingesetzt wurden.

Daraus kann man schließen, dass alljährlich pro 10.000 Patienten ungefähr 63 Menschen, die 100 Jahre und älter sind, eine Hüftprothese und fünf der Hundertjährigen eine Knieprothese bekommen. Bei Neunzigjährigen belaufen sich die Zahlen auf 136 Patienten mit Hüft- und acht Patienten mit Knieprothese pro 10.000.

Klinische Ergebnisse

Schmerzreduktion bei über Achtzigjährigen
Die internationale Literatur verdeutlicht, dass der Aspekt der Schmerzreduktion bei allen Autoren im Vordergrund steht. Laut Kennedy et al. hat eine Gruppe von Achtzigjährigen in Follow-up-Untersuchungen sechs Jahre nach ihrem endoprothetischen Eingriff in Bezug auf aktuelle Schmerzempfindungen und auf Zufriedenheit im Vergleich zum präoperativen Schmerz ähnliche Angaben wie die jüngere Vergleichsgruppe gemacht. Neben dem Schmerz wurden auch funktionelle Scores sowie die Beweglichkeit in den Gelenken deutlich verbessert. Hier zeigen in den Studien insbesondere der Knee Society-Score oder der Harris Hip-Score, dass durch Endoprothetik signifikante Verbesserungen im Bereich Schmerz nachweisbar sind. Bei den über Achtzig-

jährigen kam es zu einer dreimal höheren Verbesserung des Schmerz-Scores im postoperativen Dreijahres-Follow-up im Vergleich zum Schmerzzustand vor der Operation. Zwischen 72 % und 86 % der Betroffenen mussten nach einer Hüftendoprothetik keine Gehstützen mehr verwenden. Für die Knieendoprothetik waren es 51 % bis 74 %.

Diese Erfolge zeigen eindeutig, dass eine Knie- oder Hüftendoprothese als Behandlungsform bei den über achtzigjährigen Arthrosepatienten in Betracht gezogen werden muss.

Sturzrisiko

Etwa 30 % bis 60 % der älteren Patienten stürzen jedes Jahr. Einige von ihnen, etwa 10 % bis 20 %, müssen in einer Klinik aufgenommen werden. Das Sturzrisiko bei gesunden, in einem normalen Umfeld lebenden Menschen im Alter von 60 Jahren liegt pro Jahr bei nur 0,65 % pro Person. Diese Zahl verdoppelt sich ab dem Alter von 75 Jahren mit steigender Tendenz.

Nur wenige Studien haben sich mit dem Effekt einer endoprothetischen Versorgung auf das Sturzrisiko befasst. Eine Studie über Knieendoprothetik beschreibt, dass 24,2 % der Patienten zwischen 66 und 85 Jahren drei Monate vor der endoprothetischen Versorgung gestürzt sind. Im ersten Jahr nach dem chirurgischen Eingriff wur- de diese Rate auf 11,7 % reduziert. Interessanterweise konnte festgestellt werden, dass 45,8 % der Patienten, die präoperativ aus nicht eindeutig orthopädischen Gründen gefallen sind, auch postoperativ ein höheres Risiko für einen Sturz haben.

Ein höheres Alter ist verbunden mit einer höheren Rate von periprothetischen Frakturen nach Hüft- und Knieendoprothesen. Bei Patienten im Alter von 80 Jahren und älter zeigt sich eine leicht erhöhte Rate im Vergleich zu jüngeren Patienten. Insgesamt zeigt die Datenlage aber nicht eindeutig, dass nach einer endoprothetischen Versorgung die Sturzhäufigkeit

„Die Daten zeigen, dass eine Welle von endoprothetischen Eingriffen bei älteren Patienten auf uns zukommen wird und dass die orthopädischen Chirurgen auf diese steigenden Anforderungen sehr gut vorbereitet sein müssen.“

reduziert ist, sodass auch nach der Ope- ration eine Sturzprävention in der Rehabilitation und im weiteren Regenerations- verlauf durchgeführt werden muss.

Morbidität und Mortalität

Je älter die Patienten sind, umso wahrscheinlicher finden sich Komorbiditäten (das gleichzeitige Vorkommen von zwei oder mehr verschiedenen Krankheiten), welche zu perioperativen Komplikationen führen können. Daher gibt es viele orthopädische Chirurgen, die über Achtzigjährige aus Angst vor potenziellen Komplikationen nicht mehr operieren.

Natürlich gibt es eine Korrelation zwischen präoperativen Komorbiditäten und post- operativen Komplikationen. Dies konnten zahlreiche Studien nachweisen. Ferner zeigen die Studien, dass Hypertension, Herzarrhythmien sowie ischämische Herzerkrankungen sehr häufig bei älteren Patienten vorkommen, die einer endoprothetischen Versorgung bedürfen. Thomason et al. untersuchten die Effekte von präoperativen Komorbiditäten und dem sogenannten ASA (American Society of Anesthesiology)-Score im Hinblick auf perioperative Komplikationen. Die Hypertension war präoperativ die am meisten erwähnte Komorbidität, gefolgt von ischämischen und nicht ischämischen Kardiomyopathien. Sie konnten 27 Komplikationen bei 19 Patienten feststellen, wobei vier Betroffene massive Komplikationen (Herzstillstand, postoperatives Hämatom mit sekundärer Operation und

zwei Spätdislokationen) aufwiesen. Demgegenüber standen kleinere Komplikationen wie Harnverhalt, nicht bedrohliche Arrhythmien und zerebrale Konfusion. Es konnte aber keine Korrelation zwischen den präoperativen Komorbiditäten und dem ASA-Score einerseits sowie den postoperativen Komplikationen hergestellt werden. Biric et al. untersuchten eine Gruppe von 183 Patienten, die 90 Jahre und älter waren, und 4225 Patienten, die das 80. Lebensalter erreicht und eine Hüftendoprothese bekommen haben.

Eine retrospektive Studie von Kreder et al. verglich Patienten im Alter von 80 Jahren und älter mit einer weiteren Gruppe von 65- bis 70-Jährigen, die eine endoprothetische Versorgung erhalten haben. Er stellte fest, dass die ältere Gruppe im Vergleich zu den jüngeren Patienten ein 3,4-faches Mortalitätsrisiko aufwies und immerhin auch eine 2,7-fache Wahrscheinlichkeit für einen Myokardinfarkt sowie eine 3,5-fache Wahrscheinlichkeit einer Lungenentzündung.

Diese Beobachtungen wurden in erster Linie bei Hüftendoprothesen gemacht, während es keine altersbezogene Differenz bei Knieendoprothesen zu verzeichnen gab. Bei einer bundesweiten Untersuchung von stationären Patienten von D ́Apuzzo et al. konnte festgestellt werden, dass bei über 58.000 der Patienten im Alter von 90 Jahren und älter im Vergleich zu den 45- bis 80-Jährigen, die zwischen 1993 und 2008 eine endoprothetische Versorgung erhielten, eine Komplikationsrate von 32 % bei den Neunzigjährigen zu beobachten war gegenüber 22 % in der jüngeren Gruppe. Die Betroffenen, die älter als 90 Jahre alt waren, hatten beispielsweise kardiale, respiratorische und gastrointestinale Komplikationen, Erkrankungen des zentralen Nervensystems oder auch Hämatombildungen. Es gab aber keinerlei Unterschied im Hinblick auf periphere vaskuläre Erkrankungen, Wunddehiszenzen und postoperative Infektionen.

Eine Studie von Gregory, die zwischen 2000 und 2007 entstand, zeigt bei 31 Probanden der Neunzigjährigen nur eine Komplikationsrate von 9 % und eine Revisionsrate von 3 %, was ohne Frage absolut akzeptabel ist. Auffällig war, dass bei 71% der Betroffenen eine Transfusion notwendig war, was häufiger ist im Vergleich zu jüngeren Altersgruppen. Bemerkenswert ist in allen Studien, dass bei den Achtzigjährigen und älteren Patienten sich die Hospitalisationszeit in verschiedenen Studien von 3,3 bis zu 13 Tagen verlängert hat. Die neuesten Studien zeigen jedoch auch einen Rückgang der Verweildauer von 3,4 Tagen bei den Neunzigjährigen und 2,8 Tagen bei den Achtzigjährigen.

Die neueren Studien zeigen auch, dass bei den Patienten im Alter von 80 Jahren und höher die Mortalitätsrate nach Endoprothetik 4,4-mal höher ist als bei jüngeren Patienten – mit einem Durchschnittsalter von 70 Jahren. Bei den Achtzigjährigen liegt die Erhöhung ungefähr beim 3,4-Fachen. Augenfällig ist, dass jene Patienten über 80 Jahren, die eine Hüftprothese erhalten haben, ein niedrigeres Mortalitätsrisiko als Gleichaltrige haben, die aus anderen medizinischen Gründen hospitalisiert wurden.

Review der gesamten Litertur

Im Rahmen einer aufwendigen Review- Arbeit von Benjamin Murphy im Journal of Bone and Joint Surgery 2018 wurde die gesamte Literatur zu primärer Hüft- und Knieendoprothetik untersucht mit der Frage, welchen Impakt das fortgeschrittene Alter auf die Ergebnisse hat. Es wurden dafür im Medline und am MBASE insgesamt 8500 Artikel herangezogen, wobei die komplexen Kriterien, die an die Untersuchung des Impakts gestellt wurden, am Ende nur 32 Artikel zur Analyse zuließen, da viele der wissenschaftlichen Beiträge den Fokus eher auf chirurgische Techniken oder auf die Rehabilitation legten und das Alter weniger in Betracht zogen, weshalb sich der Flow Chart am Ende auf wenige verwertbare Studien eingrenzte.

Trotz der engen Einschlusskriterien zeigen die wissenschaftlichen Abhandlungen doch einen sehr heterogenen Zugang zur Definition von Alter und eine große Variation von Messmethoden und den Outcome Measurements: Die allgemeinen Outcome-Messungen beinhalten Assessments der Mortalität, Komplikationen, Schmerzen, funktionelles Vermögen, die vom Patienten angegebene Zufriedenheit, Activity of Daily Living (ADL), gesundheits- bezogene Lebensqualität und die Kosten der Operation. Die Mortalität bei den neunzigjährigen Patienten, die sich einer endoprothetischen Versorgung unterzogen, liegt bei 2,6 und 2,9 %, was in etwa 11,5-mal höher ist als bei der jüngeren Kontrollgruppe. Hingegen war die Rate bei

den Achtzigjährigen nur 3,4 % höher als bei jüngeren Patienten. Jauregui et al. haben hingegen nur eine Mortalitätsrate von 0,9 % bei den Neunzigjährigen feststellen können, welche nur vier- bis fünfmal höher wäre als bei jungen Patienten. Zusätzlich stieg die Mortalitätsrate innerhalb eines Jahres mit zunehmendem Alter auf 2,5 bis 3,7 % bei den Achtzigjährigen und 5,5 bis 14,3 % bei den Neunzigjährigen, die eine endoprothetische Versorgung hatten.

Komplikationen

Wie schon erwähnt, steigen die medizinischen Komplikationen wie kardiologische Probleme, Konfusion und Delirium, Pneumonien, urogenitale Probleme, Bedarf an Bluttransfusionen mit zunehmendem Alter, wie in allen Studien gezeigt wurde. Insbesondere bei den Patienten im Alter von 80 ist das Risiko eines Myokardinfarktes 2,5-mal so hoch und das Risiko, eine Pneumonie zu entwickeln, ist auf das 3,5- Fache erhöht. Das Risiko, eine zerebrale Konfusion zu erleiden, ist in dem Fall 3,6- mal höher und urogenitale Komplikationen kommen 2,2-mal häufiger vor als bei jüngeren Patienten.

Tägliche Aktivitäten und Patientenzufriedenheit

Bei dem Fragebogen zur ADL (ADL = Activity of Daily Living) kann festgehalten werden, dass die älteren Patienten nicht dieselben Ergebnisse in der funktionellen Verbesserung erreichen konnten im Vergleich zur jüngeren Gruppe, sie aber durchaus zu einer genauso hohen Zufriedenheit gelangen wie ihre jüngeren Altersgenossen.

Zusätzliche Verbesserung durch geriatrisches Co-Management

Geriatrisches Co-Management ist in der jüngsten Zeit, insbesondere in den USA, immer populärer geworden. Darunter versteht man ein neues interdisziplinär arbeitendes Modell zur Versorgung von vor allem älteren Patienten, die eine intensivere und fächerübergreifendere Versorgung (etwa unter Beteiligung der Geriatrie, der inneren Medizin, Physiotherapie und Pflege) benötigen. Das Modell zielt darauf ab, die Zusammenarbeit der Fachgebiete abzustimmen, zu koordinieren und zu verbessern, um die Bedürfnisse älterer Menschen zu erfüllen.

In einer prospektiven, randomisierten und kontrollierten Studie mit 526 Patienten mit primärer Hüft- und Knieendoprothese wurde Folgendes festgestellt: Die Studiengruppe wurde rund um den endoprothetischen Eingriff gemeinsam durch ein geriatrisches Co-Management und durch ein orthopädisches Team auf die Behandlungen vorbereitet und umfangreich betreut. Demgegenüber stand die Betreuung durch ein orthopädisches Team ohne zusätzliche Assistenz. Es zeigten sich in der Co-Management-Kohorten-Gruppe signifikante Verbesserungen im Hinblick auf kleine Komplikationen in der stationären Aufenthaltszeit. Eine andere Studie konnte nachweisen, dass bei einer intensiven präoperativen Vorbetreuung durch ein geriatrisches Team die Wahrscheinlichkeit wächst, dass die Patienten nach dem chirurgischen Eingriff schnell wieder in ihre häusliche Umgebung entlassen werden können.

Die Effektivität des geriatrischen Co-Managements im Vergleich zum klassischen und uns bekannten orthopädischen Versorgungsmodell konnte in einer retrospektiven Studie über Knie- und Hüftendoprothesen nachgewiesen werden, da

  • die Co-Management-Gruppe eine Verkürzung des Aufenthaltes in der Klinik von 4,3 auf 3,9 Tage bewirkte und alle Patienten nach Hause entlassen werden konnten
  • die Re-Hospitalisationsrate bei alleiniger orthopädischer Versorgung bei 4,4 % lag, während dies mit geriatrischem Co-Management nur in 1,8 % der Fälle notwendig war.

Die Daten sind nicht ganz auf deutsche Verhältnisse übertragbar, da die Patienten in der Regel hierzulande nicht wie in Amerika direkt nach Hause entlassen, sondern in eine Rehabilitationsklinik überwiesen werden.

Die Daten zeigen aber eindeutig – gerade unter diesen Umständen –, dass eine komplexe, umfassende, geriatrische Vorbetreuung sowie eine perioperative und postoperative Betreuung für den Erfolg der Operation aus meiner Sicht zwingend notwendig sind. Von daher sollte darüber nachgedacht werden, ob auch von der medizinischen und gesellschaftspolitischen Seite eine Zertifizierung des perioperativen Managements bei Patienten über 80 Jahren stattfinden muss, um eine bessere Versorgung dieser Altersgruppe zu gewährleisten.

Fazit

Die internationalen Studien konnten eindeutig nachweisen, dass ältere Patienten endoprothetisch versorgt werden können, selbst wenn die Komplikationsrate in einigen Fällen unter Umständen steigt. Dies ist jedoch individuell abzuklären und hängt vom einzelnen Patienten ab. Dazu sind eine genaue Analyse und eine offene Aufklärung (mit Einbezug der Familie) notwendig. Darüber hinaus konnte gezeigt werden, dass der neue Ansatz aus den USA – das ganzheitliche und interdisziplinär orientierte geriatrische Co-Management – zu einer erfolgreichen Implantation von Hüft- und Knieprothesen bei älteren Patienten beitragen kann.