Oktober 2021 – Ausgabe 38

Operative Therapie der Glutealsehnenruptur

Prof. Dr. med. Patrick Weber
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Prof. Dr. med. Hans Gollwitzer
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Keywords: Peritrochantäre Schmerzsyndrome, Glutealsehnenruptur

Peritrochantäre Schmerzsyndrome sind ein häufiges Krankheitsbild in der orthopädischen Praxis. Dieses umfasst die Bursitiden am Trochanter, die Coxa saltans externa und die Pathologien an den Glutealsehnen. In über der Hälfte der Fälle bestehen dabei bei Patienten mit peritrochantären Schmerzsyndromen Pathologien an den Glutealsehnen, Bursitiden konnten deutlich seltener nachgewiesen werden.

Die Pathologien der Glutealsehnen werden häufig unterschätzt. Bei ca. 10 % der 60-Jährigen liegen Verletzungen der Glutealsehnen vor, Frauen sind dabei häufiger betroffen. Bei Patienten mit Schenkelhalsfrakturen konnten sogar in bis zu 22 % Glutealsehnenrupturen nachgewiesen werden.

In der Vergangenheit waren die Verletzungen der Glutealsehnen am häufigsten iatrogen bedingt durch die transglutealen lateralen Zugänge in der Hüftendoprothetik. Dadurch haben sich in den letzten Jahren speziell in der primären Hüftendoprothetik, teilweise auch in der Revisionsendoprothetik, muskelschonende Vorgehensweisen weiterentwickelt, wie z. B. der anteriore Zugang mit deutlich weniger Traumatisierung der Glutealmuskulatur.

Diagnostik

Bei größeren Schädigungen an der Glutealmuskulatur kommt es zum Trendelenburg- oder Duchenne-Hinken.
Bei kleineren Schäden (unter 50 % der Sehne) können die Patienten die Schwäche häufig kompensieren. Auch bei der Untersuchung in Seitenlage können die Patienten meistens durch Anspannung der Ersatzmuskeln (M. tensor fasciae latae und M. gluteus maximus) noch gut abduzieren. Erst bei Untersuchung in 20-30° Beugung zeigt sich durch Ausschaltung dieser Muskeln bei Glutealsehnenverletzungen ein Schmerz oder eine Schwäche. Gerade bei Schäden des M. gluteus minimus ist die aktive Innenrotation häufig aufgehoben.

Sonographisch können durch erfahrene Untersucher Glutealsehnenpathologien bereits diagnostiziert werden. Goldstandard in der Diagnostik von Glutealsehnenrupturen ist jedoch die MRT-Untersuchung aufgrund der objektivierbaren Darstellung von Sehnendefekten und zudem aufgrund der möglichen Beurteilung begleitender Muskelatrophien.

Therapie

Gerade bei Partialrissen oder bei reinen Sehnenentzündungen steht die konservative Therapie im Vordergrund. Bewährt hat sich die einmalige Infiltration mit Lokalanästhetikum und einem Kortikosteroid peritrochantär. Neben der therapeutischen Wirksamkeit erlauben diese Injektionen insbesondere eine diagnostische Differenzierung von peritrochantären und ausstrahlenden Schmerzen. Auf häufigere Kortisoninjektionen sollte aufgrund der Rupturgefahr der Sehnen verzichtet werden. Zur dauerhaften Ausheilung führen wir bei kurzfristiger Besserung Infiltrationen mit autologem konditioniertem Plasma sowie die extrakorporale Stoßwellentherapie (ESWT) durch. Beide Verfahren können auch kombiniert angewandt werden.

Auch die hochenergetische elektromagnetische Transduktionstherapie (EMTT) zeigt eine gute Wirksamkeit. Begleitend sollte eine krankengymnastische Behandlung mit exzentrischer Dehnung durchgeführt werden.

Falls die konservative Therapie über drei Monate keinen Erfolg zeigt sowie bei größeren Rupturen mit Beteiligung mehrerer Glutealsehnen oder postoperativem Anker- oder Nahtmaterialversagen, wird die baldmögliche anatomische Refixation des Glutealsehnenspiegels an die laterale Trochanter major-Facette empfohlen. Die operative Therapie sollte bei Rupturen nicht zu lange hinausgezögert werden, um eine irreversible Muskelatrophie zu vermeiden. Nicht anatomische Techniken oder Heilversuche durch alleiniges Traktusrelease oder Bursektomie gehen mit schlechtem Outcome und meist persistierender Schmerzsymptomatik einher.

Bei ausreichend intaktem glutealem Sehnenspiegel ohne höhergradige Atrophie/ Verfettung der Muskulatur ist die knotenlose flächige Double-Row-Refixation

an die laterale Trochanterfacette in gekreuzter Hip-Bridge-Technik, mini-open, auch bei einliegender Hüftprothese zu empfehlen.

Wir führen diese Technik seit Jahren mit hoher Erfolgsrate durch. Sie wurde von den innovativen Rekonstruktionsmöglichkeiten an der Rotatorenmanschette abgeleitet. Durch eine breitflächige Auflage des Sehnenspiegels auf dem Knochen mit wenig Quetschung der Sehne resultiert eine gute Durchblutung und dadurch wird eine hohe Heilungsrate erreicht.

Operationstechnik

Die Positionierung des Patienten erfolgt in Seitenlagerung. Wir verwenden einen mini-open lateralen Zugang, welcher mittig über der Trochanterspitze auf einer Länge von knapp 10 cm erfolgt. Die Faszie wird längs gespalten, bei Massenrupturen kann diese dann direkt dargestellt werden. Bei kleineren Rupturen und knochenseitig liegenden, sog. „under- surface tears“ ist ein Längsspalten des narbigen Gewebes erforderlich, um dann die gesamte Ruptur darzustellen. Nach Anfrischen der Sehnenenden wird der sogenannte Footprint am Trochanter major ebenfalls bis zu gut durchblutetem spongiösem Knochen angefrischt.

Bei Verkürzungen muss ein Release der Muskulatur erfolgen, um die Sehne spannungsfrei/-arm an den Knochen zu fixieren. Als Erstes werden zwei Anker proximal im Bereich des Trochanters gesetzt. Diese werden mit jeweils einem Fibertape armiert, welche dann durch die abgerissene Glutealsehne hindurch gefädelt werden. Weiter distal werden dann zwei weitere Verankerungslöcher für die beiden distalen Anker gebohrt. Die beiden proximalen Fadenreihen werden V-förmig nach distal gezogen und mit der Sehne in den beiden distalen Ankerlöchern fixiert.

Im Anschluss muss eventuell der Längsanteil des Risses genäht werden. Bei sehr großen Rupturen können auch fünf Anker mit einer folgenden W-förmigen Naht erforderlich werden. Im Anschluss kann der Vastus lateralis an die Sehne angenäht werden, um den vastoglutealen Verbund zu verschließen; schließlich wird die Wunde schichtweise verschlossen.

Die Nachbehandlung erfolgt unter Teilbelastung von 20 kg des operierten Beines für sechs Wochen an Unterarm- gehstützen. Die Flexion ist maximal auf 90 Grad für den Zeitraum erlaubt, keine Adduktion, keine aktive Abduktion und keine Außenrotation in Beugung. Nach sechs Wochen kann dann der vorsichtige Belastungs-aufbau erfolgen, ebenso die Erhöhung der Beweglichkeit. Aktive Abduktion gegen Widerstand sollte frühestens nach 8-10 Wochen erfolgen, Spitzenbelastung ist für vier Monate nicht erlaubt.

Die Ergebnisse zeigen sich in unserer Erfahrung von über 150 Fällen einer Erfolgsrate von 80 bis 90 %, falls noch keine schwere Verfettung der Muskulatur vorliegt. Dies deckt sich mit den Ergebnissen der Literatur, welche ebenfalls über eine 85 %ige Erfolgsrate mit

Verbesserung der Schmerzen auf der VAS-Skala von 8 auf ca. 1-2 berichtet.

Bei deutlicher Verfettung der Muskulatur oder erheblicher Retraktion der Sehne ist die Technik nicht mehr erfolgreich durchführbar. In diesen Fällen wird ein Muskeltransfer notwendig. Etabliert hat sich dabei die Ersatzplastik nach Whiteside mit Transfer des anterioren Anteils des M. gluteus maximus sowie die Proximalisierung des M. vastus lateralis über den M. gluteus medius zur Wiederherstellung des vastoglutealen Verbundes. Die Ergebnisse dieser Salvage-Operationen, welche fast nur nach mehrfachen Hüftendoprothesen- Wechseloperationen erforderlich werden, sind aber deutlich schlechter als die Ergebnisse der primären Refixation.