Mai 2021 – Ausgabe 37
Minimalinvasive Achskorrektur der Tibia mit eingeschobener winkelstabiler Platte
Dr. Med. Andreas Klonz
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Dr. med. Steffen Thier
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Dr. med. Benjamin Weinkauf
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Keywords: Achsfehlstellung, Achskorrektur, minimalinvasive Osteosynthese, Plattenosteosynthese
Achsfehlstellungen langer Röhrenknochen führen zu Fehl- und Überbelastung benachbarter Gelenke mit daraus resultierenden, z. T. erheblichen Beschwerden. Zur Korrektur stehen verschiedene Verfahren zur Verfügung, die eine möglichst weichteilschonende Osteotomie und eine stabile, aber nicht zu starre Osteosynthese ermöglichen. In diesem Beitrag wird eine minimalinvasive Osteosynthese mit eingeschobener Platte bei Fehlstellung der Tibia beschrieben.
Achsfehlstellungen im Schaftbereich großer Röhrenknochen sind in den meisten Fällen auf Unfälle und Knochenbrüche zurückzuführen. Häufig liegt eine fehlgeschlagene Primärbehandlung zugrunde, z. B. eine konservative Behandlung, bei der die initiale Fehlstellung unterschätzt wurde oder bei der es im Verlauf zu einer zunehmenden Fehlstellung gekommen ist. Auch nach einer operativen Behandlung kann primär ein Achsfehler resultieren oder durch komplikativen Verlauf entstehen, z. B. durch ein Implantatversagen.
Durch die Achs- und Längenänderung kommt es zur Fehlbelastung und Überlastung angrenzender Gelenke und/ oder der Wirbelsäule, die früher oder später symptomatisch werden können.
Die Indikation zur Korrektur kann primär präventiv oder später bei spezifischen Beschwerden gestellt werden.
Die Fehlstellung muss dann hinsichtlich Varus/Valgus, Extension/Flexion, Rotation, Translation und Länge und dann auch hinsichtlich ihrer Auswirkung auf die gesamte Biomechanik des Bewegungsapparates analysiert werden.
Zur operativen Korrektur stehen verschiedene Möglichkeiten zur Auswahl, die je nach Situation unterschiedliche Vor- und Nachteile haben. Wie bei der Primärversorgung von Knochenbrüchen sollte das gewählte Verfahren die „Biologie“ und Durchblutung im Bereich der Osteotomie möglichst wenig stören, also wenig Weichteilschaden verursachen. Die Stabilität muss ausreichend groß sein, um eine Teilbelastung über mehrere Wochen zu ermöglichen, ohne dass es zum Versagen der Osteosynthese kommt. Die Knochenbruchheilung sollte durch eine geeignete Steifigkeit der Konstruktion an geregt werden.
Die Osteotomie selbst muss weichteilschonend erfolgen. Schließende (closed wedge) Verfahren sind primär stabiler und führen naturgemäß zum Kontakt und sogar zur Kompression der Osteotomieflächen. Hier wird eine primäre Knochenheilung möglich. Es resultiert aber eine Verkürzung. Öffnende Osteotomien (open wedge) sind hinsichtlich der gewünschten Korrektur besser zu steuern, können weichteilschonender durchgeführt werden und führen zur Wiederherstellung der Länge. Es verbleibt aber ein Spalt zwischen den Knochen, der sekundär mit Kallus oder primär mit Spongiosa gefüllt werden muss. Die Osteosynthese kann durch verschiedene Verfahren erfolgen:
Ein intramedullärer Nagel kann insbesondere im rein diaphysären Bereich die Achsen perfekt ausrichten. Das erforderliche Aufbohren ist mit einem gewissen Weichteilschaden verbunden, kann aber auch die Knochenheilung anregen, wenn es technisch gut und vorsichtig erfolgt. Die Konstruktion ist sehr stabil, häufig aber zu starr, um die Heilung eines etwaigen Defektes zu ermöglichen
Ein Fixateur externe schont die Weichteile prinzipiell weitestmöglich. Mit ihm sind große, mehrdimensionale Korrekturen möglich, bei denen die Korrektur langsam Tag für Tag nachgestellt werden kann und so eine Kallusdistraktion und auch eine Anpassung der Weichteile ermöglicht wird. Diese Verfahren sind technisch sehr anspruchsvoll und deshalb komplexen Fehlstellungen und spezialisierten Zentren vorbehalten. Der Fixateur muss sorgfältig gepflegt werden, der Tragekomfort ist beschränkt.
Offene Korrekturen mit Schrauben/ Plattenosteosynthese sind erforderlich, wenn eine extrem genaue Korrektur oder eine Neurolyse erforderlich ist. Am Unter arm z. B. führen bereits kleine Fehlstellungen zwischen Speiche und Elle zu erheblichen Problemen. Am Oberarm muss meist der Nervus radialis mobilisiert werden. Nachteilig sind die Weichteildissektion und die Störung der „Biologie“.
Im Folgenden stellen wir die Technik der minimalinvasiven Osteosynthese mit eingeschobener Platte vor, die wir insbesondere bei weniger komplexen Fehlstellungen und vor allem am Tibiaschaft einsetzen. Typischerweise handelt es sich hier um konservativ behandelte Frakturen, die bei intakter Fibula zunehmend in eine Varusfehlstellung gehen.
OP-Planung und Technik
Zur Planung der Operation sollte die Ursache der Problematik analysiert wer den. Primäre Weichteilprobleme und Infektionen sollten bei der Wahl des Verfahrens berücksichtigt werden.
Zur Planung werden Achsaufnahmen an teriorposterior und lateral von der betroffenen und von der gesunden Seite an gefertigt.
Die Analyse der Fehlstellung erfolgt nach den „Principles of Deformity Correction“ von Dror Paley, welcher die Planung und Durchführung von Achskorrekturen maßgeblich entwickelt hat.
Bei intakter Fibula ist die Fehlstellung meist moderat. Ansonsten muss insbesondere auch der Rotationsfehler klinisch und radiologisch genau eingeschätzt werden. Das Center of rotation of angulation (CORA) wird bestimmt. Es liegt im Schnittpunkt der Mittelachsen des proximalen und des distalen Fragments und damit in der Regel NICHT direkt in der ehemaligen Frakturlinie. Je nach Verfahren liegt der technisch umsetzbare Drehpunkt woanders, beim Fixateur externe zum Beispiel außerhalb des Knochens. Zur Planung muss der tatsächliche Drehpunkt dann durch Parallelverschiebung des CORA bestimmt werden (Abb. 1b). Die Osteotomie erfolgt mög- lichst weichteilschonend, z. B. mit einer Giglisäge, unter stetiger Spülung (Abb. 2a).
Eine Fehlstellung der Fibula oder eine Synostose zwischen Fibula und Tibia müssen gelöst werden, um die Korrektur der Tibia zu ermöglichen.
Die Reposition wird dann über die Platte erreicht. Nach Auswahl einer geeigneten relativ langen winkelstabilen Großfragmentplatte wird diese anhand der gesunden Seite und der angestrebten Reposition vorgebogen. Die Platte wird über kleine Inzisionen eingeschoben, ausgerichtet und preliminar mit Drähten fixiert (Abb. 2b). Es ist sowohl eine mediale als auch eine laterale Position der Platte möglich. Ggf. muss das Plattenlager
im Bereich der ehemaligen Fraktur von Kallus freigeräumt werden. Mit Zugschrauben werden dann die Fragmente an die Platte gezogen und damit ausgerichtet. Nach Erreichen der gewünschten Korrektur und Plattenlage wird die Platte abschließend fixiert. Dies erfolgt im Wesentlichen winkelstabil und osteotomiefern. Im Bereich der Osteotomie wird eine längere Strecke der Platte nicht mit Schrauben fixiert, um ein „Schwingen“ der Platte zu ermöglichen. Das Besetzen dieser Löcher führt zu einer zu starren Konstruktion, die der Knochen heilung abträglich ist und zum Plattenbruch führt.
Die „schwingende“ Konstruktion hingegen ermöglicht die sekundäre Knochenheilung mit Kallus, der die geöffnete Osteotomie im Verlauf von einigen Wochen ausfüllt. Dazu ist in der Nachbehandlung eine Teilbelastung von ca. 15 kg erforderlich. Das postoperative Ergebnis zeigt Abb. 3., das Endergebnis nach Entfernung der Platte nach anderthalb Jahren Abb. 4.