Mai 2021 – Ausgabe 37
„Minced Cartilage“ – eine neuartige Therapie zur Behandlung von Gelenkkorpelschäden
Keywords: Knorpelersatz, Minced Cartilage
Knorpeldefekte des Kniegelenkes können durch verschiedene Knorpelersatztechniken behandelt werden. Die Ziele jeder Knorpelersatztherapie sind eine hohe Qualität und Langfristigkeit des Ersatzgewebes sowie ein schneller ReturntoSport. Die neuartige „Minced Cartilage“Therapie („zerkleinerter“ Knorpel) ist ein einfaches Verfahren, welches im Rahmen einer Operation durchgeführt werden kann, ohne dass die Anzüchtung von Knorpelgewebe notwendig ist. Wissenschaftliche Studien zeigen sehr gute postoperative Ergebnisse, welche auf das hohe biologische Potenzial zurückgeführt werden, da es sich um autologe aktivierte Chondrozyten handelt.
Entstehung und Verlauf von Knorpelschäden
Die Ursache von Knorpelschäden ist vielfältig, so können direkte oder indirekte Traumen, Überbelastungen oder auch Fehlstellungen Knorpelschäden auslösen. Lokalisierte Knorpelschäden führen nachweislich zu einer Umverteilung der Druckbelastung im Gelenk. Durch Scherbelastungen, insbesondere im Randbereich der Knorpelschäden, werden diese im Verlauf fortschreiten und können für die Entstehung einer Arthrose ursächlich sein.
Symptomatik
Knorpelschäden präsentieren sich meist durch eine relativ unspezifische Symptomatik. Da das Knorpelgewebe selbst keine Schmerzen auslöst (keine Nervenzellen), wird vermutet, dass eine Knorpelschädigung erst dann Schmerzen verursacht, wenn der darunterliegende Knochen reagiert. Somit treten Schmerzen meist erst bei einer vollschichtigen Knorpelschädigung auf. Anfänglich berichten die Patienten meist über wiederkehrende Ergüsse. Die unspezifische Symptomatik der Knorpelschäden kann eine frühzeitige Diagnose manchmal verschleppen.
Therapie von Knorpelschäden
Die Behandlung von Knorpelschäden wird im Wesentlichen in drei verschiedene Therapiekonzepte unterteilt. Diese sind abhängig vom Patientenalter, der Defektgröße und -lokalisation sowie der Defekttiefe (Abb. 1).
Die Knorpelzelltransplantation stellt die Therapie der Wahl bei großen Knorpelschäden (> 2cm2) dar. Es handelt sich um ein zweizeitiges Therapieverfahren. Im Rahmen der ersten Operation wird Knorpelgewebe entnommen und dieses anschließend 3–4 Wochen kultiviert. Im Rahmen einer zweiten OP werden die Knorpelzellen dann in den Knorpelschaden transplantiert. Die Überlegenheit bei großen Knorpelschäden wurde im Vergleich zu anderen Knorpelersatzverfahren mehrfach wissenschaftlich bestätigt. Nachteile des Verfahrens sind die hohen Kosten sowie das zweizeitige Vorgehen.
Knochenmarkstimulierende Therapien
Knochenmarkstimulierende Therapien wie die Mikrofrakturierung sind für kleinere Knorpeldefekte vorgesehen. Hierbei wird der Knochen im Defektbereich mit einer Ahle perforiert, was eine Einblutung aus „Minced Cartilage“ – eine neu artige Therapie zur Behandlung von GelenkkorpelschädenVon Steffen Thier und Benjamin Weinkaufdem Knochen auslöst. Das Blut beinhaltet viele Ursprungszellen und führt so zur Ausbildung einer Knorpelnarbe. Die Mikrofrakturierung ist limitiert auf kleine Knorpelschäden und zeigt in jüngeren Studien nach ca. 3–5 Jahren eine deutliche Ergebnisverschlechterung. Aufgrund dessen ist diese Therapieoption aus unserer Sicht nicht mehr zu empfehlen.
Im Rahmen einer Knorpel-Knochen- Transplantation wird ein Knorpel Knochenzylinder aus einem nicht belasteten Anteil des Gelenkes entnommen und in den Knorpeldefekt im Bereich der Belastungszone transplantiert. Auch dieses Verfahren ist bezüglich der Größe limitiert und schafft einen zusätzlichen Entnahmedefekt.
Minced Cartilage
Grundsätzlich kann man die Technik der„Minced Cartilage“ (to mince = zerkleinern) als eine einzeitige Knorpelzelltransplantation beschreiben. Während der Operation wird gesunder Knorpel aus dem Randbereich des Knorpelschadens gewonnen und unmittelbar in kleinste Stückchen (Knorpelchips) zerschnitten. Direkt im Anschluss werden die Knorpelchips mit einem Gewebekleber in den Knorpeldefekt eingeklebt. Der Ablauf einer „Minced Cartilage“ ist in Abb. 2 dargestellt. Durch das Zerschneiden werden die Knorpelschäden aktiviert und es kommt zum Herauswandern der Knorpelzellen aus den Knorpelstückchen. Diese Knorpelzellen bauen dann die extrazelluläre Matrix des Knorpels (bestehend aus Kollagen und Proteoglykanen) wieder auf. Die extrazelluläre Matrix ist wichtig für die einzigartigen mechanischen Eigenschaften des Knorpelgewebes. Da es sich um eine einzeitige Therapiemöglichkeit handelt, kann immer spontan während einer Gelenkoperation reagiert werden. Das Verfahren ist unmittelbar umzusetzen. Bisherige Studien zu dem Thema zeigen sich als vielversprechend (Abb. 3).
So wurden von drei unterschiedlichen Arbeitsgruppen sehr gute Zweijahresergebnisse publiziert. Die erste Studie ist von der Arbeitsgruppe um Cole et al. von 2011. Hier wurde die Mikrofrakturierung mit der „Minced Cartilage“Therapie verglichen. 29 Patienten wurden über zwei Jahre nachuntersucht. Die Patienten mit „Minced Cartilage“ zeigten ein und zwei Jahre postoperativ signifikant bessere Ergebnisse.
Christensen et al. publizierten 2015 ihre Ergebnisse nach der Behandlung von Knorpelschäden mit Knochenbeteiligung. Bei den acht Patienten wurde der Knochendefekt mit körpereigenem Knochen aufgefüllt und anschließend eine Minced Cartilage-Therapie durchgeführt. Postoperativ zeigten die Patienten eine deutliche Verbesserung. Die MRT-Untersuchungen nach der Operation zeigten im Verlauf eine sehr gute Qualität des Knorpelersatzgewebes und eine Rekonstruktion des subchondralen Knochens.
Massen et al. behandelten 27 Patienten durch eine „Minced Cartilage“Therapie und untersuchten die Patienten über zwei Jahre nach. Die Behandlung führte zu einer deutlichen Verbesserung des Schmerzlevels und der Funktion des Kniegelenkes. In den MRT-Untersuchungen konnte eine gute Defektfüllung bestätigt werden. Behandlungsassoziierte Komplikationen wurden in keiner der Studien beobachtet.
Fazit
Die klinischen Ergebnisse der Minced Cartilage-Therapie sind vielversprechend. Bisherige Daten bestätigen, dass das Minced Cartilage-Verfahren sicher anzuwenden ist und sehr gute postoperative Ergebnisse zeigt. Komplikations/bzw. Revisionsraten sind nicht höher als bei anderen Knorpelersatztherapien.