Oktober 2021 – Ausgabe 38

Laterale Epikondylopathie – Diagnostik und konservative Behandlungsmöglichkeiten

Dr. med. Thomas Ambacher
Zum Arztprofil

Keywords: laterale Epikondylopathie, Tennisarm, konservative Behandlung

Die laterale Epikondylopathie ist die häufigste Schmerzursache am Ellenbogengelenk. Der wesentliche Auslöser der Beschwerden sind wiederholte Fehl- und Überbelastungen. Die Therapie erfolgt zunächst konservativ über drei bis sechs Monate, hierfür stehen eine Reihe von Therapieverfahren zur Verfügung. Sehr wichtig für den Behandlungserfolg sind die aktive Mitwirkung und die Geduld des Patienten.

Epidemiologie, Ursachen und Differenzialdiagnosen

Die laterale Epikondylopathie ist mit einer mittleren Prävalenz von 2-3 % ein häufiges Krankheitsbild. Betroffen sind vor allem berufstätige Patienten im Alter zwischen 40 und 50 Jahren, die leichte bis mittelschwere Arbeiten mit hoher Frequenz und Greiffunktionen der Hand durchführen (z. B. Putzarbeiten, Arbeiten an Supermarktkassen, Bandarbeiter).

Im Sprachgebrauch der Patienten ist der Begriff „Tennisarm“ etabliert, welcher jedoch der zugrunde liegenden Pathophysiologie nicht gerecht wird. Auch der Begriff der lateralen Epikondylitis beschreibt das Krankheitsbild nicht oder nur teilweise zutreffend, da in vielen Fällen keine entzündliche Veränderung vorliegt.

Die laterale Epikondylopathie beschreibt zunächst einen lateralen Ellenbogenschmerz und ist die häufigste Schmerzursache am Ellenbogengelenk. Die auslösenden Faktoren und zugrunde liegenden Pathologien sind vielfältig, sodass nur eine differenzierte Diagnostik auch eine erfolgversprechende kausale Therapie ermöglicht.

Für die Auslösung der Beschwerden wesentlich sind wiederholte Fehl- und Überbelastungen über einen längeren Zeitraum. Daneben gibt es allgemeine Risikofaktoren wie Rauchen, Übergewicht, dominante Seite und Alter über 40 Jahre, welche das Auftreten der Beschwerden zusätzlich begünstigen. Anatomische Risikofaktoren stellen anlagebedingte und posttraumatische Instabilitäten des Gelenkes dar, welche häufig maskiert und somit weder für den Patienten noch den Behandler offensichtlich sind. Grundsätzlich muss an intraartikuläre Schäden gedacht werden, welche sich nach lateral projizieren. Insbesondere kann dies durch Knorpelschäden, freie Gelenkkörper und Schleimhautfalten hervorgerufen werden.

Bei einem kleineren Teil der Patienten sind die Schmerzen im Bereich des äußeren Ellenbogens projiziert als Folge von ursächlichen Pathologien im Bereich der Schulter und/oder der Halswirbelsäule. Zumindest müssen diese Optionen bedacht und in die Diagnostik ggf. einbezogen werden, sofern die lokale Gelenkdiagnostik keinen spezifischen Befund zeigt oder die Beschwerden im Verlauf vollkommen therapieresistent sind.

Diagnostik

Die Diagnostik der lateralen Epikondylopathie umfasst verschiedene Untersuchungsmethoden, die je nach Ausprägung und Verlauf des Krankheitsbildes eingesetzt werden:

  • Anamnese und klinische Untersuchung
  • Sonographie
  • Konventionelle Röntgendiagnostik
  • MRT-Untersuchung
  • CT-Untersuchung

Im akuten Stadium ist üblicherweise zunächst die Befragung des Patienten in Verbindung mit der klinischen Untersuchung ausreichend.

Die Inspektion der Weichteile zeigt im akuten Stadium keine äußerlich erkennbaren Entzündungszeichen. Bei chronischen Fällen findet sich teilweise eine diffuse Weichteilschwellung über dem radialen Kondylus und dem Radiusköpfchen (Abb. 1).

Die Ellenbogengelenkfunktion ist meistens frei. Bei hochakuten und chronischen Verläufen zeigt sich teilweise eine endgradige Einschränkung der Extension. Flexion und Umwendebewegungen sind nahezu immer ohne Einschränkung möglich, ebenso wie die Beugung und Streckung im Ellenbogen gegen Widerstand mit voller Kraft. Die Extension der Finger, insbesondere des Mittelfingers, und des Handgelenks gegen Widerstand sowie der kraftvolle Faustschluss sind schmerzhaft. Dabei werden die Beschwerden am knöchernen lateralen Kondylus angegeben, häufig nach distal ausstrahlend in die Extensorenmuskulatur, teilweise bis zum Handgelenk.

Die Palpation ergibt in nahezu allen Fällen einen etwa fingernagelgroßen hochschmerzhaften Druckpunkt im Bereich des lateralen Epikondylus. Die Extensorenmuskulatur lässt sich häufig druckschmerzhaft verspannt ertasten. Die Dehnung der Extensoren bei gleichzeitiger Streckung und Pronation im Ellenbogengelenk ist meistens stark schmerzhaft. Palpiert werden sollten immer zusätzlich noch der Radiuskopf sowie der dorsolaterale Gelenkspalt bei gleichzeitiger Gelenkbewegung. Eventuell ergibt dies Anhaltspunkte für ein Plicasyndrom oder Knorpelschäden.

Beim Plicasyndrom und bei Knorpelschäden im radialen Kompartiment findet sich der Druckschmerz im Bereich des Soft spot und nicht am Epikondylus. Gelegentlich tastet sich auch ein Gelenkerguss als prall elastische Schwellung im Soft spot. Am häufigsten führt die posterolaterale Plica zu Beschwerden (selten die ventrale Plica). Durch Hyperextension des supinierten Ellenbogengelenkes kann eine Plicaeinklemmung provoziert und durch Druck in den Soft spot noch schmerzhaft verstärkt werden.

Differenzialdiagnostisch kann zum Ausschluss einer intraartikulären Ursache ein Infiltrationstest mit Lokalanästhesie über den Soft spot durchgeführt werden. Sofern die Beschwerden dadurch deutlich reduziert werden können, spricht dies eher für eine intraartikuläre Ursache mit der Konsequenz einer diagnostischen Arthroskopie bei therapieresistenten inakzeptablen Beschwerden.

Die sichere Prüfung der Gelenkstabilität ist beim Patienten mit akut schmerzhaftem Ellenbogengelenk häufig nicht oder nur eingeschränkt möglich. Als alltagstauglicher aussagekräftiger Test für eine posterolaterale Rotationsinstabilität haben sich der „Pinzettengriff“ im Seitenvergleich bewährt sowie der „Push up Test“. Hinsichtlich der detaillierten Durchführung der Stabilitätstests wird auf die spezielle Literatur sowie die Videodemonstrationen verwiesen, welche auf verschiedenen Plattformen im Internet abgerufen werden können. Im Falle einer operativen Behandlung kann eine behandlungsbedürftige höhergradige Instabilität durch die Untersuchung in Narkose und anschließend bei der ASK-Untersuchung des Gelenkes ausgeschlossen werden.

In der Sonographie können größere Extensorendefekte und lokale Entzündungszeichen nachgewiesen werden. Bei Knorpelschäden findet sich manchmal ein Gelenkerguss.

Die konventionelle Röntgendiagnostik dient zum Ausschluss von freien Gelenkkörpern, Arthrosezeichen und Ossifikationen im Bereich der Extensoreninsertion. In sehr seltenen Fällen hochakuter Schmerzen findet sich eine Tendinitis calcarea vergleichbar der wesentlichen häufigeren Pathologie an der Schulter.

Eine MRT-Untersuchung ist bei eindeutiger Konstellation in der oben beschriebenen Basisdiagnostik nicht erforderlich. Empfehlenswert ist das MRT bei therapieresistentem Verlauf über drei Monate sowie nach Vorbehandlungen mit lokalen Injektionen zum sicheren Ausschluss eines Extensorendefektes (Abb. 2). In fortgeschrittenen chronischen Stadien zeigen sich zusätzlich noch knöcherne Veränderungen an der Extensoreninsertionszone im Sinne von Verknöcherungsreaktionen (Abb. 3).

Die CT-Diagnostik ist zur Operationsplanung bei fortgeschrittenenen Arthrosestadien und freien Gelenkkörpern indiziert und ansonsten zur Diagnostik der radikalen Epikondylopathie nicht erforderlich.

Allgemeine Therapieplanung

Nach Komplettierung der Diagnostik erfolgt zunächst immer eine nichtoperative Behandlung über mindestens drei bis sechs Monate. Auch bei auswärtiger Vorbehandlung führen wir zunächst die konservative Therapie standardisiert unter regelmäßiger Kontrolle fort.

Ausnahmen sind akute bis hochakute Verläufe insbesondere nach lokalen Injektionen sowie therapieresistente Beschwerden über mehr als sechs Monate mit anhaltenden inakzeptablen Beschwerden und ggf. Arbeitsunfähigkeit. Dann erfolgt primär eine MRT-Diagnostik, und in Abhängigkeit von der individuellen Situation und Vorgeschichte sowie dem MRT-Befund muss entschieden werden, ob bereits eine primäre Operationsindikation ohne weitere konservative Behandlung gegeben ist.

Bereits initial muss der Patient ausführlich darüber aufgeklärt werden, dass die Behandlungsverläufe langwierig sind und auch bei disziplinierter konservativer Therapie mit Zeiträumen von durchschnittlich sechs bis neun Monaten zu rechnen ist, bis eine schmerzarme Belastbarkeit wiederhergestellt ist.

Spezifische konservative Therapiemethoden

An konservativen Behandlungsverfahren sind folgende Anwendungen empfehlenswert:

  • Stabilisierende Ellenbogenbandage (Abb. 4)
  • Bei akuten Stadien evtl. zusätzliche Handgelenksbandage zur Reduzierung der Hand-und Fingerfunktion
  • Im akuten Stadium Antiphlogistika und lokale Kühlung am Epikondylus
  • Im chronischen Stadium lokale Wärmeanwendungen an der Extensorenmuskulatur mehrmals täglich, z. B. mit Kirschkernkissen
  • Mehrmals täglich Dehnungsübungen der Extensorenmuskulatur (nach krankengymnastischer Anleitung)
  • Stoßwellentherapie, 8-10 Sitzungen kombiniert fokussiert/radial
  • Optionale additive apparative Verfahren: Laser, Induktionstherapie
  • Optionales semiinvasives Verfahren: Dry Needling

Nicht durchgeführt werden sollten lokale Infiltrationen mit Kortisonpräparaten, da diese zu Nekrosen der Extensoreninsertion führen können. Eine Option zur lokalen Infiltration wären allenfalls PRP-Verfahren, Blutderivate und Stammzelltherapie, wo- bei wir damit keinerlei persönliche Erfahrung haben und grundsätzlich zum Schutz der empfindlichen Extensoreninsertion keine lokalen Injektionen in diesem Bereich durchführen.

Einen hohen therapeutischen Stellenwert besitzt die Stoßwellentherapie. Empfehlenswert ist die kombinierte fokussierte/ radiale Therapie mit jeweils 2.500 Im- pulsen im Bereich der Insertion und im Bereich der Triggerpunkte der Extensorenmuskulatur. Sichere Therapieeffekte erreicht man allerdings nur bei konsequenter Anwendung über acht bis zehn Sitzungen im Abstand von drei bis vier Tagen. Kombiniert werden kann die Stoßwellenbehandlung mit Kryotherapie.

Dehnungsübungen kann der Patient unter physiotherapeutischer Anleitung erlernen. Im Rahmen der Physiotherapie können auch detonisierende Behandlungsverfahren an der Extensorenmuskulatur und physikalische Anwendungen, wie z. B. die Iontophorese, angewendet werden. Nicht empfehlenswert sind nach aktuellen Studien Querfriktionen der Muskulatur.

Eine semiinvasive Behandlungsoption ist das lokale Dry Needling der schmerzhaften Extensorenzone. Dabei wird nach Desinfektion mit einer sterilen Akupunkturnadel eine wiederholte Punktion des schmerzhaften Druckpunktes durchgeführt, ohne Verwendung von Lokalanästhesie. Dabei werden unterschiedliche Therapieeffekte diskutiert (Schmerzlinderung, Entzündungshemmung, Detonisierung, Durchblutungssteigerung). Eigene Erfahrungen mit dieser Methode weisen eine hohe Streubreite der individuellen Patientenreaktionen auf.

Fazit

Entscheidend für den Therapieerfolg bei konservativer Behandlung ist letztlich die disziplinierte tägliche Anwendung der in Eigenregie möglichen Verfahren (Bandage, Dehnung, Wärme/Kälte) in Kombination mit Schonung des Ellenbogens und der Hand über einen Zeitraum von mindestens drei Monaten sowie einer Stoßwellenbehandlung. Zusätzlich ist in vielen Fällen auch die Attestierung einer Arbeitsunfähigkeit über mehrere Wochen erforderlich.