Mai 2025 – Ausgabe 45
Langzeitergebnisse nach Knorpelzelltransplantation
Nach einem Interview von Katharina Ditschke, SWR.
Die Transplantation körpereigener Knorpelzellen (ACT) ist ein bewährtes Verfahren zur Regeneration von Knorpelschäden am Kniegelenk. In 85-90 % kann der Knorpelschaden dadurch komplett verschlossen werden. Es entsteht ein stabiler Ersatzknorpel, der dem ursprünglichen Knorpel in Funktion und Qualität ähnelt. Die Langzeitergebnisse sind gut. Wir führen die Technik seit 20 Jahren bei ca. 80 bis 100 Patienten pro Jahr erfolgreich durch. In verschiedenen wissenschaftlichen Publikationen haben wir ausführlich darüber berichtet.
Im Folgenden nun ein Bericht von Frau Katharina Ditschke (SWR) aus dem Jahr 2019, über die Patientin Frau K.L. nach einer Knorpelzelltransplantation an beiden Kniegelenken bei Prof. Siebold unterzogen hat (Quelle: Radiointerview SWR).
Die Patientin Frau K.L. aus dem Hessischen hat allen Grund zur Freude. Die 56-Jährige kann sich wieder gut im Alltag bewegen, arbeiten und sich dank einer Knorpelzelltransplantation im Knie wieder sportlich betätigen.
K. L.: Inzwischen kann ich wieder 5 Kilometer Waldlauf absolvieren, Fahrrad fahren, drei Mal die Woche schwimmen und ich bin sogar wieder Ski gefahren.
Dass die Patientin heute wieder so fit ist, ist nicht selbstverständlich. Noch vor zwei Jahren hielten die Schmerzen in ihrem Knie sie nicht nur vom Sport ab.
K. L.: Ich hatte im rechten Knie massive Schmerzzustände, konnte nicht mehr Treppen steigen, konnte nicht mehr längere Spaziergänge durchführen und konnte auch meiner täglichen Arbeit in der ambulanten Pflege nicht mehr nachgehen.
Die Patientin leitet zu diesem Zeitpunkt einen ambulanten Pflegedienst. Die tägliche körperliche Arbeit macht ihr und ihrem Knie schwer zu schaffen. Sie trägt Verantwortung für 20 Mitarbeiterinnen und fast 100 Patienten. 2015 hat sie jedoch so große Schmerzen im Knie, dass sie ernsthaft darüber nachdenkt, ihren Pflegedienst aufzugeben.
K. L.: Ich bin zu drei Orthopäden gegangen und alle drei Orthopäden haben mir den gleichen Befund bestätigt. Ich habe Arthrose (im rechten Kniegelenk) Kategorie 3 bis 4 und alle drei Orthopäden haben mir als Therapie ein neues, künstliches Kniegelenk vorgeschlagen.
Und mit dem kann sich Frau L. nicht anfreunden. Auch wenn sie zu dem Zeitpunkt schon starke Schmerzen hat. Tückisch an einem Knorpelschaden ist (nämlich), dass sich der Schmerz oft erst spät meldet, sagt Professor Rainer Siebold (SIE) Kniespezialist von der ATOS Klinik in Heidelberg.
R.S.: Ein Knorpelschaden macht in der Regel erst einmal keine Beschwerden. Es kann dann zu einer Schwellung oder zu einer leichten Reizung des Kniegelenkes kommen mit Schmerzen meistens zunächst in der Kniekehle, gar nicht an der Stelle des Knorpelschadens. Das kann sich fortsetzen zu Schmerzen bei Belastung, dann in Ruhe und auch nachts, bis zur Vollarthrose, die dann letztlich auch einen Dauerschmerz auslöst.
Im Kniegelenk treffen Ober- und Unterschenkel aufeinander. Zwischen ihnen, im Gelenkspalt werden die Knochen von einem ca. 34 Millimeter dicken hyalinen Gelenkknorpel überzogen. Der Knorpel besteht zu 80 % aus Wasser und ernährt sich durch das Wechselspiel von Be- und Entlastung. Er ist wie ein Stoßdämpfer, auf dem sich das Körpergewicht gleichmäßig verteilt. Aber: Knorpel hat keine Nervenzellen, weshalb unser Knie bei Knorpelschäden erst spät Warnsignale sendet. Und er hat keine Selbstheilungskräfte. Hat er also Schaden genommen, wird es kompliziert.
Sportverletzungen wie Meniskus- oder Bänderrisse spielen dabei eine große Rolle. Aber auch eine Fehlstellung der Beinachse wie das O- oder X-Bein, bei der sich die Knorpelschicht an der Innen- bzw. Außenseite schneller abnutzt.
R.S.: Man unterscheidet vier Grade der Knorpelschädigung. Grad 1 ist eine Aufweichung des Knorpels, Grad 2 ist ein Aufbruch der Knorpeloberfläche, Grad 3 ist dann eine Schädigung der Knorpeldicke über 50 % und Grad 4 ist dann die Vollarthrose mit freiliegendem Knochen.
Der Knorpelschaden von Frau L. ist 7 cm² groß. Wie ein massives Schlagloch in der Straße. Im Internet findet sie Professor Rainer Siebold von der ATOS Klinik in Heidelberg. Er ist ein international anerkannter Kniespezialist und bietet seinen Patienten mehrere Möglichkeiten an, Knorpelschäden zu behandeln.
R.S.: Bei Patienten, die Blockaden durch Knorpelschäden haben, macht es natürlich Sinn den Knorpel zu glätten. Der Vorteil der Knorpelzelltransplantation ist, dass der Defekt mit einer großen Wahrscheinlichkeit verschlossen werden kann. Bei anderen Verfahren, sogenannten Primitiv Verfahren wie der Mikrofrakturierung oder dem oberflächlichen Anfräßen des Knochens ist das nicht der Fall und außerdem wird auch nicht so guter Knorpel produziert wie bei der Knorpelzelltransplantation.
Mehrere hundert Knorpelzelltransplantationen – kurz ACT – werden im Jahr in Deutschland durchgeführt. Langzeitstudien zeigen, dass der neu gebildete hyaline Knorpel annähernd die normale Funktion des Gelenkknorpels übernehmen kann.
Aufgrund der guten klinischen Ergebnisse übernehmen die privaten und gesetzlichen Krankenkassen die Behandlung. Die Voraussetzungen für eine ACT sind gut:
R.S.: Grundsätzlich spielt das Alter keine große Rolle, wir haben junge Patienten und auch Patienten, die über 50 Jahre alt sind. Wichtig ist, dass der Defekt so ähnlich aussieht wie ein Schlagloch in der Straße, das heißt, eine gesunde Knorpelschulter hat. Dann kann man die angezüchteten Knorpelzellen in dieses Schlagloch hineinlegen und dort können sie gut geschützt wachsen.
So können Defekte von bis zu 10 cm2 repariert werden. Vorausgesetzt, um den Schaden herum ist der Originalknorpel noch intakt.
Bei einer ACT erfolgen zwei Operationen. In einer ersten, kurzen Kniespiegelung, der sogenannten Arthroskopie, werden den Patienten kleine Knorpelstücke von einer Stelle im Knie entfernt, an der wir sie sonst nicht brauchen. Die Knorpelstücke werden dann, zusammen mit 200 ml Blut des Patienten in ein Labor geschickt, das wie die Fa. Co.don aus dem brandenburgischen Teltow auf die Zellzüchtung spezialisiert ist. Seit rund 25 Jahren entwickelt und züchtet die Firma die körpereigenen Zellen.
Co.don versorgt jährlich rund 1.200 Patienten mit Knorpelzellen. Produktionsleiter Dr. E. erklärt vereinfacht, wie aus den Knorpelstücken neue Zellen entstehen.
Dr. E: Der Knorpel wird begutachtet und enzymatisch verdaut, sodass sich die Zellen aus dem Knorpelverbund lösen. Dann können wir die Zellen kultivieren. Dann ist die sogenannte Aussaat der Zellen im Brutkasten bei 37 Grad. Nach dem Verdau erfolgt die Aussaat in Flaschen, da ist auch das Blut und Serum des Patienten, dem auch der Knorpel gehört. Kann man sich so vorstellen: eine Zellkulturflasche, darin schwimmen die Zellen.
Die Zellen können nur mit Bodenkontakt wachsen. Deswegen werden die Flaschen regelmäßig kontrolliert. Werden die Zellen größer, kommen sie in größere Flaschen.
Dr. E: Wenn sie am Boden wachsen, sind sie schön nebeneinander, wir wollen sie aber in eine Kugel kriegen, ein Sphäroid. Wir füllen die in Mini-Titter-Platten, die muss man sich vorstellen wie ein Mini-Eier-Karton.
Die Zellen werden immer wieder mit frischem Blut gefüttert. Nach ein paar Wochen sind sie groß genug und können geerntet werden. Sie werden mit einem Kunststoffröhrchen abgesaugt und in einen Applikator überführt. Nun müssen die neuen Knorpelzellen innerhalb von
48 Stunden in das Kniegelenk transplantiert werden. Prof. Siebold führt die OP minimalinvasiv durch, sprich, durch zwei, ca. 5 Millimeter kleine Zugänge im Knie. Auch Frau L. hat er die Zellen transplantiert. Da es sich um körpereigene Zellen handelt, kann es keine Abstoßungsreaktion geben. Ein Vorteil der ACT. Nachteil der Methode ist, dass zwei Eingriffe erforderlich sind und die Nachbehandlung viel Geduld erfordert.
K.L.: Bis zu drei Monaten habe ich gebraucht, das Laufen intensiv gleichmäßig zu lernen und dann konnte ich auch wirklich meinen Arbeitsprozess so weiterführen wie ich wollte.
Laut Studien liegt die Erfolgsquote von Knorpelzelltransplantationen bei 85-90 %. Gelenkschonende Sportarten wie Radfahren oder Schwimmen dürfen nach ca. drei Monaten ausgeübt werden. Nach ungefähr einem Jahr ist der neue Knorpel eingeheilt. Dann steht auch dem Joggen, Ski fahren und anderen Sportarten in der Regel nichts mehr im Wege.
Die Patientin K.L. beschreibt ihre Situation im Februar 2025 so:
K.L.: Knieexperte Prof. Dr. Siebold führte bei mir am rechten und linken Knie (Arthrose beidseitig) vor 10 Jahren eine Knorpelzelltransplantation durch. Aufgrund dieser hervorragenden Leistung konnte ich meine Lebensqualität vollständig zurückgewinnen. Der Traum von schmerzfreien Kniegelenken ging für mich in Erfüllung.
Meinen Beruf als Pflegedienstleitung in der ambulanten Pflege, der auch schwere körperliche Belastungen beinhaltet, konnte ich wieder bewältigen.
Sportliche Aktivitäten, wie Schwimmen, Nordic Walking (8 km) und Skifahren brachten mir neues Lebensglück zurück. Dank Prof. Dr. Siebold und seinem Team bin ich nach 10 Jahren sehr dankbar für diese zielführende und erfolgreiche Behandlung. Patienten kann ich nur anraten, sich bei den Experten der ATOS Klinik über aktuelle Behandlungsmethoden zu informieren.
Fazit
In der klinischen Praxis ist die Knorpelzelltransplantation heute nicht mehr wegzudenken. In der wissenschaftlichen Literatur liegt die Erfolgsquote 10 Jahre nach Knorpelzelltransplantation bei mehr als 70 %.