Oktober 2020 – Ausgabe 36

Kurzschaftprothesen für junge Patienten: Knochensparen ohne Risiko?

Prof. Dr. med. Rudi G. Bitsch
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Keywords: Kurzschaftendoprothese, Gleitpaarung, Schenkelhalsteilerhaltung

Aufgrund der höheren Lebenserwartung und des höheren Aktivitätsniveaus jüngerer Patienten ist das Risiko für zukünftige Wechseloperationen eines Hüftgelenksersatzes größer als bei älteren Patienten. Deshalb sind hier besondere Maßstäbe bei der Auswahl der Prothesenkomponenten anzulegen. Kurzschaftprothesen stellen bei sorgfältiger Indikationsstellung und korrekter technischer Anwendung eine gute Option für jüngere Patienten dar.

Insbesondere die Gleitpaarung, d. h. das Material der sich gegeneinander be­wegenden Komponenten (Hüftkopf und Pfanneninsert), hat bei jüngeren Patien­ten besondere Bedeutung. Spezielle Keramiken finden hier bevorzugt Verwen­dung, denn diese Gleitpaarung bietet beste Voraussetzungen für ein abriebar­mes Verhalten über lange Zeiträume.

Weiterhin spielt das Implantatmodell eine große Rolle für ein gutes Langzeiter­gebnis. Neben den seit Jahrzehnten bewährten Hüftprothesen in normaler Länge, die von fast allen Prothesenher­stellern als Standard mit sehr guten Standzeiten angeboten werden, wächst der Anteil der sogenannten Kurzschaftprothesen kontinuierlich.

Als Vorzüge dieses relativ neuen Prothe­senkonzeptes werden vor allem die gelenknahe (metaphysäre) Knochenver­ankerung mit weniger Knochenverlust, die proximale Kraftübertragung und damit die Vermeidung von Knochenab­bau (Stress Shielding), die optimale Rekonstruktion der Gelenkgeometrie und die Möglichkeit einer minimalinvasiven, weichteilschonenden Implantationstech­nik genannt. Diese Vorteile machen Kurz­schäfte gerade für junge Patienten mit guter Knochenqualität interessant.

Den erhofften Vorteilen der Kurzschaft­prothesen stehen jedoch auch Bedenken gegenüber, die sich aus der kurzen Ver­ankerungsstrecke und den damit verbun­denen besonders hohen Anforderungen an die Fixation im Knochen ergeben.

Kurzschaftprothesen müssen zudem als heterogene Prothesengruppe verstan­den werden und können in schenkelhals­resezierend, ­erhaltend und ­teilerhaltend eingeteilt werden. Es bestehen un­terschiedliche biomechanische Kon­zepte mit mehr oder weniger Sicherheits­reserven bezüglich der Verankerung.

Unser Vorgehen

Am Deutschen Gelenkzentrum in der ATOS Klinik Heidelberg werden aus­schließlich Implantate mit hervorragen­den Langzeitdaten in den großen Implantat­Registern verwendet. Es erfolgt eine individuelle Beratung und Nutzen­ Risiko­Abwägung bezüglich des zu verwendenden Implantatmodells und der Gleitpaarung. Die Auswahl des opti­malen Implantats erfolgt dabei nach patientenindividuellen, medizinischen, anatomischen, knochenqualitativen und endoprothetischen Faktoren.

Jungen oder biologisch junggebliebe­ nen Patienten steht dabei auch ein meta­physär verankerndes, schenkelhalsteiler­haltendes, kalkargeführtes Kurzschaft­prothesenmodell (Optimys®­Schaft der Firma Mathys) zur Verfügung.

Gute Registerdaten für Schenkelhalsteilerhalten des Implantat 

Hierbei handelt es sich um eines der besten Hüftimplantate im Australischen Endoprothesenregister mit einer Revisi­onsrate von 0,9 % bzw. 1,3 % nach 3 Jah­ren bei 1.053 beobachteten Prothesen. Weiterhin besteht die 5A*­Bewertung des Orthopedic Data Evaluation Panel (ODEP). Diese guten Eigenschaften des Implantats (1) werden ebenfalls in ver­schiedenen Studien belegt: So bestehen Revisionsraten von 0 % zum Fünfjahres­zeitpunkt in einer Gruppe von 216 Pro­thesen und eine gesteigerte Knochen­ dichte in den Gruen Zonen 2,3 und 5 bei stabilem CCD (Caput Collum Diaphysen­) Winkel in einer DEXA­Studie (2) (3).

Verschiedene Designmerkmale dieses Prothesensystems begünstigen ein „gutmütiges Verhalten“ und stellen Sicher­heitsreserven im Vergleich zu anderen Kurzschaftprothesen dar: Der gute Sitz entlang des Kalkars wird erreicht durch die anatomische Kurvatur des Implanta­tes. Dadurch kann der Schaft den indi­viduellen Bedingungen des Patienten an­ gepasst werden mit dem Ziel, die Ana­tomie optimal zu rekonstruieren. Ein Titan­ Plasmaspray und eine Kalziumphosphat­ Beschichtung begünstigen das Anwach­sen des Knochens an den Schaft. Mithilfe des ausgeprägten dreifach konischen Designs soll eine gute Primär­- und Rota­tionsstabilität erreicht werden. Weiterhin kann sich die polierte Spitze des Schaftes am sich verjüngenden Femur abstützen, ohne dort selbst einzuwachsen, und da­ mit das Risiko von Absenkungen vor der Osteointegration minimieren (Abb. 1).

Zusammen mit der praktizierten weich­ teilschonenden Operationsmethode über den vorderen Zugang (AMIS­Zu­ gang) unter Verwendung eines direkt vom Operateur steuerbaren Operations­tisches (Rotex® Table der Firma Condor) und einer abrieb-armen Keramik­Keramik­ Gleitpaarung besteht ein optimales The­rapieangebot für junge und/oder sport­lich aktive Patienten, das auch die simultane beidseitige Versorgung er­möglicht.

Kontraindikationen beachten

Zum verantwortungsvollen Umgang mit dem Implantat gehört dabei allerdings auch die Beachtung mehrerer Kontrain­dikationen. Der Kurzschaft wird von mir nicht verwendet bei Vorliegen von Fakto­ren, die eine stabile Verankerung des Implantats gefährden, wie z. B: ein nicht zum Implantat passender Markkanal (z. B. erhöhte Antetorsion des Schenkelhalses, CCD­Winkel <120° und >145°), Knochen­defekte und ­-fehlformen des proximalen Femurs (z. B. posttraumatisch, nach Voroperationen) oder Einschränkungender Knochenqualität (z. B. Osteoporose, Devaskularisation oder Zustand nach Knochenbestrahlung) sowie ein BMI >35.

Fazit

Bei richtiger Indikation und bei korrekter Anwendung ausgewählter Kurzschaft­prothesen gibt es eine gute Behand­lungsstrategie für den Hüftgelenksersatz junger Patienten, die ein knochenspa­rendes Vorgehen ohne erhöhtes Risiko ermöglicht.