Mai 2022 – Ausgabe 39

Koxarthrose bei sportlich aktiven Senioren – konservativer Therapieansatz mit Fokus auf funktionellem Training

Dr. med. Mathias Schettle

Schlüsselwörter: Koxarthrose, sportlich aktive Senioren, konservative Arthrosetherapie, funktionelles Training

Die Koxarthrose als eine der häufigsten Arthrosemanifestationen spielt eine wichtige Rolle als limitierender Faktor bei sportlich aktiven Menschen über 65. Zwar existiert eine Vielzahl an nationalen und internationalen Leitlinien und Empfehlungen bezüglich konservativer Therapiemaßnahmen der Koxarthrose, eine stringente Behandlungsstrategie bleiben die Empfehlungen jedoch zumeist schuldig. Hieraus ergibt sich ein sehr heterogenes Bild in Bezug auf Art, Umfang und Zeitpunkt der konservativen Therapie der Koxarthrose generell und im Hinblick auf eine sportlich aktive Patientenklientel.

In der Pathogenese der Koxarthrose sollten vor allem zwei prädisponierende Faktoren bedacht werden. Zum einen sind hier die individuellen Lebensumstände eines Patienten und zum anderen Faktoren auf Gelenksebene in Betracht zu ziehen. Als individuelle körperliche Risikofaktoren sind neben Alter, Körpergewicht und genetischer Prädisposition vor allem dauerhaft ausgeübte Tätigkeiten, sei es beruflich oder sportlich, zu benennen. Neben der sportartindividuellen Belastung und dem damit einhergehenden bio­mechanischen Stress für das Hüftgelenk, vor allem bei High­Impact­Sportarten, spielen auch Verletzungen im Bereich des Hüftgelenkes, wie beispielsweise Labrum­läsionen, eine wesentliche Rolle in der Pathogenese der Koxarthrose.

Wenn zusätzlich noch prädisponierende morphologische Besonderheiten des Hüftgelenks vorhanden sind oder, als weiterer Faktor, die periartikuläre Musku­latur beeinträchtigt ist, kann es gerade bei Sportlern bereits sehr frühzeitig zur degenerativen Veränderung des Hüft­gelenkes kommen.

Als morphologisch prädisponierende Faktoren für die Entwicklung einer Koxarthrose ist neben der Hüftdysplasie vor allem ein femoroazetabuläres Imping­ement zu nennen. Beide anatomische Varianten führen zu einer pathologischen Veränderung des Belastungsmusters im Hüftgelenk und damit zu einer Fehl-­ bzw. Überbelastung. Diese kann wieder­ um in Kombination mit biomechanischem Stress, wie beispielsweise repetitiven Scherbeanspruchungen, zu Verände­rungen im Hüftgelenk auf zellulärer und molekularer Ebene führen.

Ein nicht zu unterschätzender Anteil in der Pathogenese der Koxarthrose wird auch der periartikulären Muskulatur zugeschrieben. Muskuläre Dysfunktionen gerade der tiefen Hüftstabilisatoren spielen eine wichtige Rolle in Bezug auf einen pathologischen Bewegungsablauf und damit für die gesamte Biomechanik des Hüftgelenkes. Daher stellt gerade die Behandlung der gelenknahen Musku­latur mit ihren stabilisierenden Eigen­schaften einen wichtigen Behandlungs­ansatz in der konservativen Therapie der Koxarthrose dar.

Die konservative Therapie ist in der Versorgung unterrepräsentiert

Im Verhältnis zu den über die letzten Jahrzehnte bestens etablierten operativen Verfahren der Endoprothetik spielt die konservative Therapie der Koxarthrose in unseren Breiten nach wie vor eine sehr untergeordnete Rolle. Eine der Ursachen besteht darin, dass die Koxarthrose in ihren frühen Stadien in der Mehrheit der Fälle nicht zum Arzt führt. Fortgeschrittene Befunde schränken jedoch in den Augen vieler Kollegen die Indikationsstellung für einen konservativen Ansatz ein. Aller­dings wird bereits seit Jahren auch eine mögliche Fehl-­ bzw. Überversorgung in diesem Zusammenhang immer wieder diskutiert.

Die Erfahrung zeigt jedoch, dass gerade seitens älterer, aber teilweise ein Leben lang sportlich aktiv gebliebener Patienten eine zunehmende Nachfrage an gelenk­erhaltenden, konservativen Maßnahmen in Bezug auf degenerative Gelenkerkran­kungen besteht. Nicht zuletzt, weil endo­prothetische Operationen mit ihren potenziellen Risiken und Komplikationen einem häufig noch erträglichen Schmerz­ geschehen, gerade bei sportlich Aktiven mit entsprechend besserer muskulärer Gelenkführung, gegenüberstehen.

Was ist therapeutisch nachgewiesenermaßen zu empfehlen?

Ziel eines konservativen therapeutischen Ansatzes ist, neben der für den Patienten meist im Vordergrund stehenden Schmerz­reduktion die Verbesserung der Beweg­lichkeit und eine stabilere Gelenkführung.

Im Akutstadium konnte ein positiver Effekt von Hyaluronsäureinjektionen im Hinblick auf eine deutliche und länger anhaltende Schmerzreduktion im Vergleich zu reinen Kortisoninjektionen bereits vielfach belegt werden. Die Injektionen gelten als sicher, jedoch empfiehlt sich am Hüftgelenk aufgrund der Nähe zu neurovaskulären Strukturen ein bildgestütztes Verfahren unter Röntgen­ oder Ultraschallkontrolle. Neben einer Verbesserung der Gelenk­homöostase kann hier, gerade durch hoch­ molekulare Hyaluronsäure, der Gleitme­chanismus des Hüftgelenks verbessert werden. Auch gibt es Hinweise, dass sich dadurch das Fortschreiten der Erkrankung verlangsamen lässt, wenngleich die Effektivität von Hyaluronsäureinjektionen in früheren Stadien der Erkrankung deutlich höher zu sein scheint.

Um neben der Schmerzreduktion vor allem die mechanische Umgebung des Hüftgelenkes zu verbessern und damit die unphysiologische Gelenksbelastung zu reduzieren, stehen Bewegungsthera­pie und funktionelle Therapie in ihren verschiedensten Formen im therapeu­tischen Fokus.

Auch wenn gezeigt wurde, dass die funk­tionelle Therapie keinen Einfluss auf die Erkrankung an sich hat, so spielt diese doch eine wichtige Rolle in der Symptom­behandlung der Koxarthrose und wird daher auch von praktisch allen klinischen Guidelines im konservativen Arthrose­management empfohlen. Die Rolle der periartikulären Muskulatur, die das Hüft­gelenk stabilisiert und in gewissem Sinne auch zu einer Schockabsorption beiträgt, ist gerade bei einem primär konservativen Therapieansatz nicht zu unterschätzen. Die Stärkung und die Konditionierung der periartikulären Muskelgruppen sollte den Grundpfeiler jeglicher konservativen Therapie darstellen.

So konnte gezeigt werden, dass Funk­tionstraining, Ausdauertraining, Muskel­kräftigung und Therapie im Wasser jeweils einen deutlich positiven Effekt nicht nur auf die Verbesserung der Gelenkfunktion hatten, sondern dass damit auch häufig eine mittel-­ bis langfristige Schmerz­reduktion einherging. Der Erfolg bestätigte sich vor allem bei regelmäßig und lang­fristig von Patienten durchgeführten Aktivitäten. Ein Therapiezeitraum von mindestens 12 Wochen und die strikte Einhaltung eines kontinuierlichen Übungs-­ bzw. Therapieplanes scheinen für den Erfolg der Behandlung jedoch unabding­bar, ebenso wie eine kontinuierliche professionelle Anleitung. Ein signifikant positiver Effekt der Trainingstherapie ist in diesem Zusammenhang teilweise sogar unabhängig vom Alter und dem radiologischen Befund beschrieben.

Gerade sportlich aktive Senioren mit der Diagnose einer Koxarthrose, die häufig ein überdurchschnittliches Leistungs­niveau und eine bessere muskuläre Gesamtkonstitution im Vergleich zu ihrer Altersgruppe aufweisen, profitieren ausdrücklich von einer nachhaltigen funktionellen Therapie.

Beispiel aus der Praxis

Als ein Beispiel aus der Praxis möchte ich einen mittlerweile 76­jährigen Patienten anführen, der mich erstmals vor vier Jahren mit seit kurzer Zeit persistierenden Hüftschmerzen links konsultierte. Der initiale Befund ist in Abb. 2 dargestellt. Eine Bewegungseinschränkung in der betrof­fenen Hüfte war schon seit der späten Jugend bekannt, dennoch war er immer beschwerdefrei sportlich aktiv. Nach einer initialen Behandlung mit hochviskö­ser Hyaluronsäure wurde ein intensives Trainingskonzept in Zusammenarbeit mit einer physiotherapeutischen Einrich­tung erstellt und der Patient dort über Monate regelmäßig betreut. Nach knapp vier Monaten wurde erneut mit sportlicher Belastung begonnen. Seither führt der Patient die erlernten Eigenübungen im Sinne einer Trainingstherapie konsequent fort und erhält etwa einmal pro Jahr erneute Hyaluronsäureinjektionen.
Als passionierter Alpinist geht er zum aktuellen Zeitpunkt etwa zwei­ bis dreimal pro Woche auf den Berg mit jeweils etwa 600-­800 Höhenmetern.

Fazit

Trotz diverser Leitlinien fehlen konsistente und nachhaltige Therapiekonzepte in der konservativen Therapie der Koxarthrose. Konsequentes und längerfristiges funk­tionelles Training unter professioneller Anleitung sollte nach der akuten Schmerz­behandlung beim sportlich aktiven, älteren Patienten im Vordergrund stehen, um die sportliche Aktivität und die damit verbundene Lebensqualität wiederher­zustellen bzw. aufrechtzuerhalten. Sollte ein Gelenkersatz mittelfristig dennoch unumgänglich sein, erweist sich das funktionelle Training im Vorfeld auch für die postoperative Rehabilitation als wertvolle Vorbereitung.