Mai 2021 – Ausgabe 37
Korrektur-Osteotomien am Humerus nach Trauma
Prof. Dr. med. Marc Schnetzke
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Dr. med. Sven Lichtenberg
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Prof. Dr. med. Markus Loew
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Keywords: Korrekturosteotomie, Humerus, posttraumatische Deformität, Drehosteotomie
Infolge von Frakturen des Humerus kann es zu posttraumatischen Achsabweichungen oder Deformitäten kommen, die mit deutlichen funktionellen und kosmetischen Einschränkungen einhergehen können. Die häufigsten posttraumatischen Deformitäten treten infolge einer kindlichen suprakondylären Humerusfraktur auf. Im Vergleich dazu, zwar deutlich seltener, aber auch im Bereich des proximalen Humerus und des Humerusschaftes, können Achsabweichungen bzw. chronische Instabilitäten nach Trauma verbleiben, bei denen eine Korrekturosteotomie möglich ist. Im folgenden Artikel werden die Möglichkeiten der Korrekturosteotomie am Humerus anhand von drei Fällen veranschaulicht.
Proximale Humerusfraktur
Die proximale Humerusfraktur gehört zu den häufigsten Frakturen des Menschen. Eine der häufigsten Komplikationen nach konservativer und operativer Therapie der Humeruskopffraktur stellt die sekundäre Dislokation des Humeruskopfes dar. Wie im dargestellten Beispiel kommt es hierbei meist zu einem Abrutschen des Kopfes nach medial (varische Abkippung). Bei guter Knochenqualität und intaktem Gelenk kann die Korrekturosteomie eine gute Alternative zur prothetischen Versorgung darstellen (1). Eine 58jährige Patientin hat sich eine subkapitale Humerusfraktur zugezogen, welche initial mittels Plattenosteosynthese versorgt wurde (Abb. 1b).Im Verlauf verheilte die Fraktur in varischer Achsabweichung mit deutlichem funktionellen Defizit. Die Abduktion und Flexion waren jeweils bis 80° möglich, die Außenrotation nur bis 0°. Die Abduktion war deutlich schmerzhafter. Aufgrund des Patientenalters, der guten Knochenqualität und des intakten Schultergelenks wurde in Absprache mit der Patientin eine Korrekturosteotomie mittels Kondylenplatte durchgeführt (Abb. 2).Postoperativ bestand ein deutlich verbessertes Bewegungsausmaß (Abduktion und Flexion 130°) und Schmerzfreiheit. In der radiologischen Verlaufskontrolle zeigte sich ein Jahr postoperativ eine beginnende posttraumatische Arthrose.
Chronische Schulterluxation
Das Schultergelenk ist das am häufigsten luxierende große Gelenk beim Erwachsenen. In der Folge von Luxationen des Schultergelenkes können chronische Instabilitäten verbleiben. Gründe für verbleibende Instabilitäten sind knöcherne Glenoiddefekte (sog. Bankart Fraktur) und knöcherne Defekte am Humeruskopf (sog. engaging Hill SachsDefekte). Im dargestellten Fall hat sich ein 19jähriger Patient eine traumatische vordere Schultergelenkluxation zugezogen, welche primär arthroskopisch mittels Refixation der Gelenklippe versorgt worden war (Abb. 3). In der Folge war es zu rezidivierenden Luxationen des Schultergelenkes gekommen. In der durchgeführten Computertomographie zeigte sich ein großer HillSachsDefekt, welcher bei Außen rotation am Glenoidvorderrand einhakte und zu einer Luxation führte (Abb. 4). Aufgrund der kombinierten Pathologie aus einem einhakenden (engaging) HillSachs Defekt und knöchernem Defekt am Glenoidvorderrand wurde in diesem Fall eine Drehosteotomie (Innenrotationsosteotomie) des proximalen Humerus mittels Kondylenplatte in Kombination mit einer LatarjetOperation (Versetzung des Proc. coracoideus an den Glenoidvorderrand) durchgeführt. In der Kontrolle zwei Jahre postoperativ ist das Schultergelenk stabil bei gutem funktionellen Ergebnis (Abb. 5).
Kindliche suprakondyläre Humerusfraktur
Das Ellenbogengelenk nimmt aufgrund seiner Funktion in der Gelenkkette des Arms eine herausragende Stellung an der oberen Extremität ein. Die benachbarten Gelenke können nur begrenzt Funktionseinschränkungen des Ellenbogengelenks kompensieren. Posttraumatische Deformitäten am Ellenbogen entstehen in der Regel nach fehlverheilten kindlichen supra und intrakondylären Humerusfrakturen (2). Der Cubitus varus stellt dabei die häufigste posttraumatische Deformität am kindlichen Ellenbogen dar (3). Ab dem 8. Lebensjahr findet keine Korrektur der Fehlstellung in der Sagittalebene (Varus/Valgus) mehr statt. Die operative Korrektur der Deformität am distalen Humerus kann dabei weitgehend unabhängig vom Alter durchgeführt werden. Die Indikation zur Korrektur wird dabei in Abhängigkeit vom Leidensdruck des Kindes bzw. der Eltern durchgeführt. Es empfiehlt sich, eine Korrektur nicht zu früh durchzuführen, da es in der Folge zu einer erneuten Achsabweichung kommen kann.
Das Patientenbeispiel zeigt den Fall einer 13 jährigen Patientin mit fehlverheilter kindlicher distaler Humerusfraktur (Abb. 6). In der Folge ist ein Cubitus varus von knapp 40° sowie ein deutliches funktionelles Defizit verblieben (Extension/Flexion 0–30–100°). Eine Besserung des Bewegungsausmaßes war aufgrund des abgeschlossenen Knochenwachstums nicht mehr zu erwarten. Zur Korrektur wurde eine valgisierende und flektierende Korrekturosteotomie (open wedge) durchgeführt (Abb. 7). In der Kontrolle sechs Monate postoperativ ist die Osteotomie vollständig durchbaut, der Cubitus varus ist korrigiert bei deutlich verbessertem Bewegungsausmaß mit Extension/Flexion 0–10–130 (Abb. 8).
Fazit
Die Osteotomie im Bereich des Oberarms bietet die Möglichkeit posttraumatische Deformitäten zu korrigieren und damit funktionelle und – insbesondere am distalen Humerus – kosmetische Einschränkungen zu behandeln. Korrekturosteotomien im Bereich des Humeruskopfes führen wir heutzutage nur in Ausnahmefällen durch, da wir heute auf schonendere operative Therapieverfahren zurückgreifen können. Im Gegensatz dazu stellt die Korrekturosteotomie am distalen Humerus bei posttraumatischen Deformitäten am distalen Humerus das Verfahren der Wahl dar um funktionelle und kosmetische Defizite auszugleichen.
Zusammenfassung
Posttraumatische Deformitäten am distalen Humerus mit funktioneller oder kosmetischer Einschränkung können durch eine Korrekturosteotomie gut adressiert werden.Aufgrund der Etablierung moderner Alternativverfahren (z. B. Remplissage, knochensparende Endoprothesen) rückt die Korrekturosteotomie und/oder Drehosteotomie am Humeruskopf zunehmend in den Hintergrund.