Mai 2023 – Ausgabe 41

Knorpelzelltransplantation am Kniegelenk – auch im Alter noch erfolgreich?

Maja Siebold

Prof. Dr. med. Rainer Siebold
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Schlüsselwörter: Knorpelzelltransplantation, Knorpeldefekt, minimalinvasiv, Knorpelregeneration

Die Knorpelzelltransplantation gilt als gutes Verfahren zur Behandlung von umschriebenen Knorpeldefekten bei jungen Patienten. In diesem Beitrag wird sowohl anhand eigener Ergebnisse als auch anhand von Daten aus der Literatur gezeigt, dass auch Patienten, die über 50 Jahre alt sind, bei sorgfältiger Indikationsstellung von einer Knorpeltransplantation profitieren.

Die Knorpeloberfläche im Kniegelenk ist äußerst robust, dennoch können grundsätzlich in jedem Alter Schädigungen auftreten. In jungen Jahren überwiegen dabei „Knorpellöcher“ durch (Sport-)Unfälle, in höherem Alter steigt der Anteil an Knorpelverschleiß mit generalisiertem Abrieb der Knorpeloberfläche, jedoch sind auch weiterhin begrenzte „schlaglochartige“ Knorpellöcher möglich. Letztere sind die Domäne der Knorpelzelltransplantation, d. h., eigener Knorpel wird entnommen, im Labor angezüchtet und anschließend minimalinvasiv wieder in den Knorpeldefekt im Kniegelenk implantiert. Dadurch kann der Knorpelschaden komplett regenerieren und der Verlauf der Arthrose verlangsamt oder im optimalen Fall gestoppt werden. Aber gelingt das auch bei Patienten im Alter von über 50 Jahren? Welche Rolle spielt das Alter bei der Regeneration des Knorpels?

Akuter Knorpelschaden

Unsere Kniegelenke sind im Alltag, bei Unfällen und im Sport oftmals starken Stoß-, Beuge- und Rotationsbelastungen ausgesetzt. Quetsch- und Stoßverletzungen können dabei die Belastungsgrenze unseres Gelenkknorpels übersteigen und zu akuten Knorpelschäden in jedem Alter führen.

Dabei lösen sich Gelenkknorpelstücke vom darunterliegenden Knochen und brechen aus der Gelenkoberfläche heraus. Bildlich gesprochen entsteht ein „Schlagloch“ in der Gelenkoberfläche, was in der Regel nicht abheilt, da der Knorpel nicht durchblutet ist. Es verbleibt ein tiefer Knorpeldefekt, der durch mechanische Irritation und Eröffnung der Knochenoberfläche zu wiederkehrenden Schmerzen und Kniegelenksschwellung führt. Alltagsbelastung und mehr noch sportliche Betätigung sind dadurch eingeschränkt.

Grundsätzlich kann in einem solchen Fall durch konservative Maßnahmen wie Belastungsreduzierung, Schonung, Physiotherapie und Schmerzmedikation behandelt werden. Der Schaden wird dadurch jedoch nicht behoben – die Schmerzen bleiben.

Deshalb entscheiden sich viele betroffene Patienten zur Operation mit Reparatur des Knorpels durch eine Knorpelzelltransplantation. Dabei werden körpereigene Knorpelzellen aus dem verletzten Kniegelenk entnommen, durch ein spezialisiertes Labor angezüchtet und schließlich über eine arthroskopische OP wieder in den Defekt eingebracht. Die „Reparatur“ des Gelenkknorpels ist sinnvoll, um eine

Ausbreitung der Knorpelschäden zu verhindern und um die Beschwerden zu beseitigen. Aber wie sind die Erfolgschancen bei Patienten über 50 Jahren? Heilt der Knorpel in diesem Alter noch? Wo liegen die Grenzen der Behandlung?

Daten aus der Literatur zur Knorpelzelltransplantation im Alter

In der wissenschaftlichen Literatur gibt es einige Studien, die sich mit der Frage der Knorpelzelltransplantation im Alter beschäftigt haben. In einer Studie aus Südkorea von Kim et al. (2021) wurden 16 Patienten nach Knorpelzelltransplantation mit einem Durchschnittsalter von 58 Jahren klinisch nachuntersucht, bei 12 Patienten wurde eine Biopsie des Knorpelregenerats zwei Jahre nach der OP durchgeführt. Die Autoren berichten von einer deutlichen Verbesserung der Symptome und von einer guten hyalinen Knorpelregeneration.

In einer prospektiven Studie von Minas et al. (2021) mit 56 Patienten und einem Alter zwischen 45-60 Jahren zum Zeitpunkt der Knorpelzelltransplantation wurden ebenfalls überzeugende Ergebnisse erzielt. Zwei Jahre nach der Knorpelzelltransplantation beurteilten 72 % der Patienten das Ergebnis der OP als gut oder sehr gut, nur bei 14 % war die OP erfolglos. Bei der Hälfte der Patienten wurden Begleiteingriffe an der Beinachse durchgeführt, um die Knorpelregeneration und Nachhaltigkeit der Knorpelreparatur zu verbessern. In eine Studie von Marcacci et al. (2011) wurden 61 Patienten eingeschlossen, die zwischen 40 und 62 Jahren alt waren. Es wurden zwei verschiedene operative Knorpelregenerationsverfahren angewendet. Fünf Jahre nach der Operation gaben 80 % der Patienten eine subjektive Verbesserung der Beschwerden an, bei 20 % schlug die Knorpelzelltransplantation fehl. Im Vergleich zu jüngeren Patienten waren die Ergebnisse jedoch etwas schlechter. Niemeyer et al. (2010) verglichen eine Gruppe von 37 Patienten mit einem Durchschnittsalter von 48 Jahren mit einer Gruppe von 37 Patienten mit 31 Jahren. Nach zwei Jahren war das Ergebnis in der jüngeren Gruppe nach der Knorpelzelltransplantation nur geringfügig besser.

Eigene Studie zur Knorpelzelltransplantation im Alter

In unserer eigenen Studie von Siebold et al. aus dem Internationalen Zentrum für Orthopädie der ATOS Klinik Heidelberg (2023) konnten wir das Ergebnis von 30 Patienten nach arthroskopischer minimalinvasiver Knorpelzelltransplantation mit einem Durchschnittsalter von 43 Jahren mit dem Ergebnis von 20 Patienten mit einem Durchschnittsalter von 53 Jahren vergleichen. In die Studie wurden nur Patienten eingeschlossen, bei denen gleichzeitig eine Beinachsbegradigung durchgeführt wurde.

Das Ergebnis der Knorpelregeneration wurde im Rahmen der Metallentfernung arthroskopisch optisch und mechanisch überprüft („second look“). Dabei konnten wir zeigen, dass es schon 7-12 Monate nach der Knorpelzelltransplantation keine Unterschiede bei der Knorpelregeneration zwischen den Altersgruppen gab. Auch bei Patienten über 50 Jahren konnte bei mehr als 80-85 % eine sehr gute und vollständige Knorpelregeneration bestätigt werden. Obwohl die Patienten in der älteren Patientengruppe vor der OP mehr Beschwerden hatten, konnte nach der Operation in beiden Gruppen ein ähnlich gutes Qualitäts- und Belastungsniveau erzielt werden.

Insgesamt konnte bei allen Patienten unabhängig vom Alter eine signifikante Verbesserung aller erhobenen Daten (Knorpelregeneration, Lysholm, Tegner, IKDC, KOOS, Zufriedenheitsskala) festgestellt werden.

Grenzen der Knorpelzelltransplantation

Wichtig für die Regeneration des Knorpels ist eine ausreichend hohe „Knorpelschulter“ (= Umgebungsknorpel) um den Knorpeldefekt herum. Ist die Knorpelschulter z. B. 4 mm hoch, kann das Knorpelregenerat ebenfalls geschützt auf diese Höhe wachsen und den Defekt „plan“ und dauerhaft verschließen. Ist die Knorpelschulter allerdings nur z. B. 1 mm dünn, so wird das Knorpelregenerat auch nur 1 mm hochwachsen und ist damit zu dünn. In diesem Fall und bei großflächiger Knochenglatze (bei Arthrose) kommt eine Knorpelzelltransplantation zu spät. Auch ein fehlender oder zerschlissener Meniskus, eine ausgeprägte Beinachsdeformität und ein instabiles Knie sind keine guten Voraussetzungen für ein nachhaltiges Knorpelregenerat. Die Indikation erfordert sehr viel klinische Erfahrung und muss für jeden Patienten individuell beurteilt werden.

Patienenbeispiele mit guter Knorpelregeneration

Im Folgenden zwei Beispiele von eigenen Patienten über 50 Jahren mit guter Knorpelregeneration:

53-jähriger Patient mit einem großen Knorpelschaden von 6 cm (Abb. 1a), der mit einer minimalinvasiven Knorpelzelltransplantation behandelt wurde, in der Abbildung sichtbar als weiße Stippchen (Abb. 1b). Zehn Monate später zeigte sich beim Second look eine vollständige Knorpelregeneration (Abb. 1c).

Beim zweiten Fall handelt es sich um einen 58-jährigen Patienten mit einem beidseitigen Knorpelschaden von 3cm2 an der Oberschenkelrolle und 1cm2 an der gegenüberliegenden Stelle am Schienbeinkopf (Abb. 2a, rote Pfeile). Nach minimalinvasiver Knorpelzelltransplantation, erkennbar an den weißen Stippchen (Abb. 2b), konnte beim Second look bereits nach sieben Monaten ein vollständiges Knorpelregenerat sowohl femoral als auch tibial nachgewiesen werden (Abb. 2c, rote Pfeile).

Fazit

Die Behandlung von Knorpeldefekten am Kniegelenk durch eine minimalinvasive Knorpelzelltransplantation ist ein seit fast 20 Jahren etabliertes Verfahren zur Knorpelreparatur. Wissenschaftliche Studien bestätigen, dass auch bei Patienten zwischen 50 und 60 Jahren bei strenger Indikationsstellung eine sehr gute Chance für eine vollständige Knorpelregeneration besteht. Die Ergebnisse älterer Patienten sind dabei vergleichbar zu jüngeren mit einer Knorpelregenerationsrate von 80- 85 % und deutlich verbesserter Lebensqualität. Eine exakte Indikationsstellung zur Operation ist die Grundlage für eine erfolgreiche Knorpelregeneration und erfordert viel klinische und operative Erfahrung.