November 2022 – Ausgabe 40
Kasuistik: Rehabilitation einer Skilangläuferin mit Patellaspitzensyndrom
Nadine Dreyer
Klaus Remuta
Schlüsselwörter: Patellaspitzensyndrom, anterior knee pain, jumper’s knee, Rehabilitation, Return to sports
Das Patellaspitzensyndrom (auch anterior knee pain, jumper ́s knee) ist aufgrund der oft langen Ausfallzeiten und der langwierigen Behandlungsdauer ein gefürchtetes Krankheitsbild. Die postoperative Rehabilitation und eine aufwendige Return-to-sports-Strategie sicherten den Erfolg bei einer Hochleistungssportlerin.
Symptome eines Patellaspitzensyndroms (PSQ) sind im Hochleistungssport sehr häufig zu finden, insbesondere in Sportarten mit hoher Sprung- oder Laufbelastung. Die Behandlung ist komplex und erfordert neben der vollständigen Diagnostik (Röntgen, MRT, Ultraschall, klinische Beurteilung, Fehlstellungen/ -haltungen) eine aufwendige Return- to-sports-Strategie.
Im vorliegenden Fall einer 24 Jahre alten Hochleistungssportlerin (Skilanglauf, Abb. 1) mit persistierenden Schmerzen an der Tuberositas tibiae und der distalen Patellasehne bestand anamnestisch ein Zustand nach M. Osgood-Schlatter, eine Normvariante der Tuberositas tibiae sowie ein Zustand nach MPFL-Rekonstruktion.
Konservative Behandlungsmethoden wurden durchgeführt, waren aber nur kurzfristig erfolgreich. Dabei kamen verschiedene Techniken der klassischen Verfahren (Querfriktion, Faszientechniken, Kryotherapie, Manuelle Therapie; exzentrisches Loading etc.) zum Einsatz.
Die Bildgebung zeigt ein aktiviertes Ossikel in der Patellarsehne, osteophytäre Anbauten im Bereich der Tuberositas tibiae und eine retropatellare Chondromalazie mit Lateralisation der Patella, worauf der Entschluss zur operativen Entfernung des Ossikels und zum Trimming der Tuberositas tibiae erfolgte.
Nach erfolgreicher OP und dreiwöchiger Teilbelastung mit 20 kg wurde zur adäquaten Lastaufnahme in der Rehabilitationsphase ein vierwöchiger stationärer Reha-Aufenthalt geplant.
In der Rehabilitation des klassischen PSQ gibt es eine Vielzahl von Behandlungsansätzen (Collins 2018). Im vorliegenden Fall wurde die Behandlungsstrategie als Kombination aus postoperativem Management und begleitenden Maßnahmen aus der konservativen PSQ-Behandlung gewählt. Zum Zeitpunkt des Beginns der stationären Reha (vierte postoperative Woche) erfolgte der Übergang von der Teilbelastung (20 kg) zur Körpergewichtsbelastung. Die korrekte Lastübernahme unter erleichterten Bedingungen erfolgte sowohl im Schwimmbad bei Wassertiefen von 1,40 m (entspricht einer Entlastung um ca. 60 % des Körpergewichts) als auch am Laufband (Alter-G, Proxomed; de Heer 2020) bei einer Entlastung um 80 % und einer Gehgeschwindigkeit von 4,5 km/h für insgesamt fünf Tage. Parallel zur direkten Lastaufnahme starteten die konservativen Maßnahmen.
Als Ausdauerhochleistungsportlerin wurde sowohl ein regeneratives Fettstoffwechseltraining mit Zeiten von 1,5 h/Tag initiiert als auch am 3-Punkt-Ergometer (Kieser) bzw. am Oberkörperergometer (AKZ) unter Entlastung der operierten Struktur dreimal wöchentlich ein hochintensives Intervalltraining durchgeführt. Aus dem postoperativen Schema wurde das operierte Bein auf dem Fahrradergometer mit stark verkürzter Kurbel (Kniewinkel maximal 80°, Last 35-50 Watt) dreimal tgl. mit 10 Min. belastet. Im Verlauf der weiteren Variation des Ausdauertrainings wurde auch mit alternativen Trainingsmethoden gearbeitet (Abb. 2).
Durch Testungen aus dem FMS- und SFMA-Screening ergab sich für den allgemeinen Athletik-Bereich in Rücksprache mit dem Heimtrainer und der Athletin die Möglichkeit, sowohl Defizite bekannter Herkunft als auch struktur- und operationsbedingte Einschränkungen zu bearbeiten (Abb. 3).
Im Verlauf der Rehabilitation erfolgte eine Phasen- und kriterienangepasste Progression der Belastungen.
Kriterien
- Entzündungszeichen
- 24-Std.-Schmerzverhalten
- Reduktion bzw. Stagnation ROM/Kraft • Rumpfstabilität
- Hüftbeweglichkeit/Stabilität
- Sprunggelenksbeweglichkeit/Stabilität
Reha-Phasen
- Ende Proliferationsphase
- Restrukturierungsphase
- Remodellierungsphase
Die adäquate Ansteuerung der Quadrizepsmuskulatur wurde in diversen Settings aus der Physiotherapie (contra- lateral Crossover, Spiegeltherapie, EMG-Training etc.) unterstützt.
Sportartspezifische Trainingsinhalte ergänzten nach Erreichen der Körpergewichtsbelastung das Training (Abb. 4).