Mai 2022 – Ausgabe 39

In drei Schritten zur Allergiediagnose

Dr. med. Verena Mandelbaum
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Schlüsselwörter: Allergie bei Kindern, IgE, Allergiediagnostik, ImmunoCAP- System, Allergy-Explorer-Test, allergenspezifische Immuntherapie

Beschwerden wie laufende Nase, juckende Augen, Husten in Ruhe oder bei Sport, aber auch Hautausschläge, Bauchschmerzen, Reaktionen auf Nahrungsmittel oder auf Bienen/Wespen kommen bei Kindern häufig vor. Sie sollten beim Facharzt abgeklärt werden, denn sie sind bei Kindern zu 80 % allergisch bedingt. Erst wenn die Allergie identifiziert ist, kann eine gezielte Therapie erfolgen.

Allergien sind ein ständig zunehmendes gesundheitliches Problem. Durch den Klimawandel und die Luftschadstoffe werden die Pollen immer aggressiver, der Anstieg der Temperaturen führt zu längeren und intensiveren Pollenflugzeiten. Ein heute geborenes Neugeborenes wird mit einer Wahrscheinlichkeit von 50 % mindestens einmal in seinem Leben eine allergische Reaktion erleiden.

Da das Voranschreiten der Allergie mit einem Etagenwechsel von der Nase auf die Lunge einhergehen kann, ist eine frühzeitige Therapie wünschenswert, die sowohl akut lindernd als auch langfristig heilend wirken sollte. Voraussetzung dafür ist eine gezielte Diagnostik, die bereits bei kleinen Kindern durchgeführt werden kann. Als etablierter Standard gilt das ImmunoCAP­System, das spezifische IgE­Antikörper nachweist. Hierzu war bislang eine intravenöse Blutentnahme notwendig, die bei kleinen Kindern oder bei Patienten mit schlechten Venen schwierig sein konnte. Außerdem war die gezielte Abfrage des vermuteten Allergens notwendig, was teilweise zu umfangreichen Testungen führte.

295 Allergene auf einen Streich überprüfen

Inzwischen erleichtert ein neues Test­system die Diagnostik gerade auch bei Kindern: das neue ALEX2 Multiplex­ Messsystem, das qualitativ vergleichbar mit dem ImmunoCAP­System mittels ELISA­Technologie Antikörper gegen 295 Allergene innerhalb weniger Stunden bestimmen kann. Als Ausgangsmaterial reichen dafür 100 μl Blut, z. B. von einem kleinen Piks aus der Fingerbeere. Die Testung kann ganzjährig durchgeführt werden und muss also nicht zur Hoch­saison der Beschwerden erfolgen, da die Immunglobuline im Blut ganz­jährig verweilen.

Beim zweiten Schritt kommt der Allergy Explorer zum Zuge. In seiner Analyse kann ALEX2 allergen­spezifische IgE­ Antikörper gegen die meisten relevanten Allergenquellen (außer Arzneimitteln, z. B. Penicillin) identifizieren, gleich, ob es sich um Felltiere, Schimmelpilze, Insektengifte, Nahrungsmittel oder Pollen handelt: Von Akazie bis Zypresse, von Amaranth bis Weißer Gänsefuß, von Hausstaubmilben und Schaben über Hamster und Katze bis  zur Ziege, ebenso Allergene in tierischen Nahrungsmitteln wie Hühnerei, Milch oder Fisch sowie in pflanzlichen Nahrungs­mitteln und Gewürzen – von Anis bis zur Weintraube reicht das Spektrum des ALEX2 ­Tests.

ALEX2 ist auch mit vielen molekularen Allergenen bestückt. Diese ermöglichen ein besseres Verständnis der individuellen Allergie bei Kreuzreaktionen, wie z. B. Birkenpollen/Äpfel, und bei risikobehafte­ten Nahrungsmitteln (z. B. Erdnuss). Dies hilft dem Arzt bzw. der Ärztin, maßge­schneiderte Ernährungsempfehlungen vorzuschlagen. Denn einige Nahrungs­mittel werden in rohem Zustand nicht vertragen, können jedoch durch Hitze­behandlung (kochen/backen/braten) zerstört werden: z. B. wird roher Apfel nicht vertragen, Apfelmus hingegen schon. Es gibt jedoch auch Allergene, die durch Hitzebehandlung nicht neu­ tralisiert werden und schwere Reaktionen auslösen können – diese müssen dann konsequent vermieden werden.

Oft beginnt die allergische Karriere mit der Reaktion gegen eine einzelne Aller­genquelle. Im Lauf der Zeit können sich weitere Allergien gegen verwandte Allergieauslöser entwickeln. Mit einer Analyse auf molekularem Level kann der primäre Allergieauslöser identifiziert und die Therapie dementsprechend gestaltet werden.

Aus allen Ergebnissen des ALEX2­Tests wird als letzter Schritt ein Laborbericht erstellt, der patientenfreundlich die Resultate erklärt. Sollte es noch Fragen über die weitere Therapie geben, kann ein Gespräch mit der Fachärztin erfolgen.

Die Behandlungsoptionen

Aus der Allergiediagnostik ergeben sich mehrere Möglichkeiten: zum einen kann häufig eine selbstständige Therapie mit freiverkäuflichen antiallergischen Medi­kamenten durchgeführt werden. Damit lassen sich einige der akuten Symptome lindern, allerdings keine dauerhaften Erfolge erzielen.

Eine gezielte Ernährungsberatung kann unnötige Diäten und damit gerade bei Kindern den unnötigen Ausschluss zu vieler Nahrungsmittel verhindern.

Einige Allergien können ursächlich behandelt werden, indem eine Toleranz gegen die entsprechende Allergenquelle induziert wird. Diese sogenannte Allergen­ spezifische Immuntherapie (AIT) ist für Insektengifte, Milben, Pollen, Schimmel­pilze und Tierhaare verfügbar. Für eine langfristige Heilung sollte daher bei die­sen Allergien in Rücksprache mit dem Allergologen möglichst frühzeitig eine AIT geplant werden. Sie kann mit Spritzen oder auch – bei bestimmten Allergenen – sehr erfolgreich mit Hochdosistabletten oder Tropfen über drei Jahre durch­ geführt werden.

Gegenwärtig wird der ALEX2­Test nicht von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen; manche Privatkassen erstatten jedoch die Kosten.