Oktober 2023 – Ausgabe 42

Hüftendoprothetik bei beidseitiger Hüftarthrose: simultan beidseitige oder zweimal einseitige Operation?

Prof. Dr. med. Fritz Thorey
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Markus Deckert

Schlüsselwörter: Koxarthrose, beidseitige Hüftendoprothese, einzeitiges/ zweizeitiges Vorgehen, minimalinvasiv

Jährlich werden in Deutschland mehr als 200.000 Implantationen einer Hüft-Totalendoprothese durchgeführt, bei denen in einem Fünftel der Fälle bereits bei Erstversorgung eine beidseitige Koxarthrose vorliegt. Bei diesen Patientinnen und Patienten besteht die Möglichkeit, beide Seiten in einem Eingriff (simultan einzeitig) oder mit einem Abstand hintereinander (zweizeitig) zu operieren. Es gibt jedoch keine generelle Empfehlung für ein einzeitiges Vorgehen, bei vielen Operateuren gibt es auch Bedenken dagegen. Die Entscheidung zu dem einen oder dem anderen Vorgehen beeinflussen viele Faktoren, die in diesem Artikel diskutiert werden.

Koxarthrose: Erkrankungsbild und Therapie

Bis zu 10 Prozent der Weltbevölkerung leiden unter einer symptomatischen Arthrose im Hüftgelenk, wobei man diese vermehrt bei älteren Menschen vorfindet (2). Für die Degeneration des Gelenkknorpels sowie des umliegenden Gewebes sind unterschiedliche Vorgänge von Bedeutung. Zu diesen gehören eine veränderte und pathologische biomechanische Beanspruchung der Gelenkkomponenten, eine unzureichende muskuläre Stabilisierung, ferner entzündliche zelluläre Umbauprozesse des Gewebes sowie dysplastische und traumatische Vorerkrankungen. Aber auch personenbezogene Einflussfaktoren wie Alter, Gewicht, Geschlecht, Tätigkeiten, Herkunft und Genetik spielen eine entscheidende Rolle (1, 2, 3). All diese Faktoren haben Einfluss auf den fortschreitenden degenerativen Verschleiß des Gelenks.

Hauptsymptome der Koxarthrose sind vorwiegend Schmerzen sowie eine eingeschränkte Beweglichkeit des Gelenks. Anfangs treten diese nur gelegentlich oder bei längerer Belastung auf, mit fortschreitender ErkrRuhe (1, 3). Entscheidend sind hierbei die Einschränkungen im Alltag, die den Patienten bzw. die Patientin zur Vorstellung beim Arzt bewegen. Zur Diagnosestellung reicht meist eine ausführliche Anamnese mit gezielter Untersuchung der Gelenke aus. Zusätzlich lassen sich mittels radiologischer Verfahren (Röntgen, MRT u. a.) pathologisch veränderte Gelenkstrukturen bildlich darstellen (1, 2).

Den Beginn jeglicher Therapie sollten Basismaßnahmen wie die Aufklärung des Patienten bzw. der Patientin, Gewichtsreduktion, Muskelaufbau, Physiotherapie und die Hinzunahme von Hilfsmitteln ausmachen. Bringen diese keine Besserung, kann man mit einer medikamentösen Schmerztherapie beginnen oder eine Linderung mittels intraartikulärer Injektionen versuchen (Hyaluronsäure, Kortison u. a.) (1, 2, 3). Sollten die konservativen Maßnahmen jedoch keine zufriedenstellende Besserung der Symptomatik bewirken, bleibt meist nur noch eine Behandlung mittels operativer Verfahren. Bei milder Schädigung des Gelenks mit bestimmten Fehlstellungen (z. B. Hüftimpingement) kann eine Hüftarthroskopie mit Knorpeltherapie häufig die Ursache der Beschwerden beheben. Bei einer fortgeschrittenen Arthrose und schlechter Funktionalität ist jedoch oft der Ersatz des Gelenks mittels Hüftendoprothese sinnvoll (1, 2, 3).

Simultane beidseitige Hüftprothese: ein sicheres Verfahren?

Die Implantation einer Hüftendoprothese ist heutzutage eine der am häufigsten und erfolgreichsten durchgeführten Operationen in der Orthopädie. Weltweit werden zirka eine Million Versorgungen jährlich durchgeführt, deren Ziele die Schmerzfreiheit sowie die Wiederherstellung einer möglichst optimalen Funktion des Hüftgelenks sind. Hierzu werden die degenerativ veränderten Gelenkanteile, die Hüftpfanne und der Hüftkopf, durch Implantate ersetzt. Diese sollten muskelschonend minimalinvasiv, das heißt durch natürliche Muskellücken, eingesetzt werden, was eine schnellere RehabiEingriff ermöglicht. Mittlerweile ist dies auch mit Roboter-assistierten Systemen möglich, die ein hohes Maß an Präzision bieten (4).

Bei einigen Patientinnen und Patienten liegt bereits bei der Erstdiagnose eine Arthrose beider Hüftgelenke vor (Abb. 1). Diese Betroffenen profitieren von einem beidseitigen Gelenkersatz, den man entweder in zwei nacheinander folgenden Operationen (Abb. 2) oder in einer einzigen Narkose (Abb. 3) durchführen kann. Dieses Verfahren wurde bereits 1971 von Dr. John Charnley, dem Pionier der Hüftendoprothetik, in einem medizinischen Artikel als machbares und sicheres Verfahren beschrieben.

Seitdem die ersten beidseitigen Hüftendoprothesen einzeitig implantiert wurden, gibt es immer wieder eine Diskussion über dieses Vorgehen, da einzelne Studien in der Vergangenheit ein erhöhtes Komplikationsrisiko mit erhöhtem Transfusionsbedarf und vermehrtem Auftreten von tiefen Beinvenenthrombosen sowie höhere Infektionsraten und damit schlechtere funktionelle Ergebnisse für den simultanen Gelenkersatz zeigten (5). Neu- ere Studien und Metaanalysen konnten wiederum keine erhöhten Komplikationsraten bzw. Unterschiede zwischen den Verfahren feststellen; es wurde sogar ein reduziertes Vorkommen von tiefen Beinvenenthrombosen und Lungenembolien beobachtet (5, 6, 7). Insbesondere in Metaanalysen wurden teilweise große Kollektive von über 60.000 Patientinnen und Patienten (17.762 einzeitig vs. 46.147 zwei- zeitig) von verschiedenen Operateuren und Krankenhäusern verglichen, wobei kein signifikanter Unterschied gefunden wurde (5). Auch konnte kein erhöhtes Risiko für kardiovaskuläre Komplikationen, Bluttransfusionen und ein damit verbundenes Risiko für Infektionen festgestellt werden. Jedoch wird hierbei stets darauf verwiesen, dass Patientinnen und Patienten, die sich dem einzeitigen Verfahren unterziehen, tendenziell jünger und ohne schwerwiegende Vorerkrankungen sind (6, 7). Die gesamte Operationsdauer, die Dauer des Krankhausaufenthalts und die stationären Kosten waren in der einzeitigen Gruppe geringer (5, 7) und funktionell scheint es keine signifikanten Unterschiede zwischen den beiden Verfahren zu geben (7). Da es jedoch nur wenige qualitativ hochwertige Studien, insbesondere Single-Surgeon-Studien, zu diesem Thema gibt, haben wir unsere eigenen Patientinnen und Patienten in einer Studie nachuntersucht.

Eigene Ergebnisse

Wir untersuchten 219 Patienten bzw. Patientinnen mit 438 Hüftendoprothesen, die eine beidseitige Versorgung vom Operateur Prof. Dr. Fritz Thorey erhalten haben. 252 Hüften wurden beidseitig einzeitig und 186 Hüften in zwei Eingriffen versorgt. Hierbei wurden die Patientinnen und Patienten vor und nach der Operation hinsichtlich der Funktionalität ihrer Hüften mittels Fragebögen analysiert. Insbesondere die aktuelle Zufriedenheit und der Schmerzzustand wurden anhand von visuellen Analogskalen (1 bis 10) zwischen den Patientinnen und Patienten mit simultanem beidseitigen mit denen mit zweizeitigem Vorgehen verglichen. Die simultan behandelten Patientinnen und Patienten waren dabei durchschnittlich drei Jahre jünger und hatten einen um zirka einen Punkt geringeren BMI.

Als Ergebnis zeigten sich keine signifikanten Unterschiede bzgl. der Funktionalität zwischen den beiden Gruppen. Beide erzielten vergleichbare Verbesserungen in allen relevanten Scores. Hinsichtlich des postoperativen Ergebnisses waren beide Patientengruppen sehr zufrieden und die Schmerzen konnten signifikant reduziert werden. Zusätzlich untersuchten wir den Einfluss von Alter, Geschlecht und BMI auf die Ergebnisse. Hier zeigten sich ebenfalls keine signifikanten Unterschiede. Die gesamte OP-Dauer unterschied sich mit einem Mittelwert von zirka 2,7 Minuten nicht wesentlich voneinander.

Da diese Studie anhand von Patientendaten eines einzelnen Operateurs erhoben wurde, haben die Ergebnisse eine höhere Aussagekraft als die Ergebnisse von vielen verschiedenen Operateuren und Krankenhäusern in den oben diskutierten Studien.

Fazit

Nach den Ergebnissen unserer eigenen klinischen Nachuntersuchung und der aktuellen Studienlage scheint der simultane beidseitige Hüftgelenksersatz bei beidseitiger Koxarthrose eine gute und sichere Alternative im Vergleich zum zweizeitigen Vorgehen zu sein, da er vergleichbare funktionelle Ergebnisse liefert sowie kein erhöhtes Risiko für schwerwiegende Komplikationen vorliegt. Wichtig ist jedoch die Auswahl der Patientinnen und Patienten, die für dieses Verfahren in Betracht kommen. Hierbei sollten Vorerkrankungen, persönliche Wünsche und andere Faktoren berücksichtigt werden, um ein bestmögliches Ergebnis für die zu operierenden Personen zu erreichen.

Prof. Dr. med. Fritz Thorey
Markus Deckert
IZO – Internationales Zentrum für Orthopädie ATOS Klinik Heidelberg
fritz.thorey@atos.de