Oktober 2021 – Ausgabe 38

Gelenkerhaltender Eingriff bei Patella-Arthrose

Prof. Dr. med. Rainer Siebold
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Maja Flores K. Siebold

Keywords: Retropatellare Arthrose, gelenkerhaltende Eingriffe, Knorpelregeneration

Die retropatellare Arthrose gehört zu den häufigsten Krankheitsbildern des Kniegelenks. Dabei reibt sich der Knorpel hinter der Kniescheibe und im Kniescheibengleitlager (Trochlea) nach und nach ab. Durch gelenkerhaltende Eingriffe mit Korrektur der Patellaposition und zusätzliche Knorpelregeneration lassen sich gesunde Gelenkkompartimente oft langfristig erhalten und die Endoprothese hinausschieben.

Anfänglich ist der arthrotisch geschädigte Knorpel nur aufgefasert, das Endstadium ist die sogenannte „Knochenglatze“. Dann ist der Knorpelbelag des Kniescheibengelenks vollständig verbraucht, das Vollbild der Kniescheibenarthrose liegt vor.

Anfangs treten nur „gewitterartige“ Beschwerden auf, beim Vollbild der Arthrose werden jedoch die Schmerzen hinter der Kniescheibe und die Einschränkungen, z. B. beim Treppensteigen oder Aufstehen aus dem Sitzen, immer größer. Anlaufschmerzen, Nachtschmerz, Knieschwellung, Steifigkeitsgefühl und eingeschränkte Mobilität sind die Folge. Sportliche Belastungen, sogar Radfahren, sind dann meist schwierig bis ausgeschlossen.

Ursachen für die Arthrose

Ein Verschleiß hinter der Kniescheibe entsteht meist durch eine chronische Fehlstellung der Kniescheibe mit lateraler Verkippung der Kniescheibe. Durch die „Kilometerleistung“ über die Lebensjahrzehnte reibt sich der Knorpel dann meist durch die Fehlstellung außen einseitig ab, ähnlich wie beim schräg stehenden Autoreifen. Aber auch Unfälle mit Knorpelschäden durch Anpralltraumata und eine Instabilität der Kniescheibe mit Luxationen können zur Patella-Arthrose führen.

Wir führen im IZO an der ATOS Klinik Heidelberg sehr viele gelenkerhaltende Eingriffe bei Patella-Arthrose durch. Dabei wird die Stellung der Kniescheibe korrigiert und der Knorpel regeneriert. Da das übrige Gelenk (mediales und laterales Kompartment) bei den betroffenen Patienten meist in Ordnung ist, wird dadurch die Implantation einer Prothese zunächst vermieden.

Im folgenden sind drei Fälle dargestellt:

Fall 1:

Der junge 33-jährige Patient stellt sich mit Kniescheibenbeschwerden rechts vor. Er hat sehr viel Sport getrieben, zuletzt Radfahren und Joggen. Dabei zunehmende Schmerzen hinter der Kniescheibe bis VAS 6 auf der Schmerzskala (0-10 max). Wahrscheinlich war die Kniescheibe einmal nach lateral herausgesprungen. Sport aufgrund der belastungsabhängigen Schmerzen unmöglich.

Das MRT-Bild vor der Operation (Abb. 1a) zeigt die starke Fehlstellung der Kniescheibe nach lateral mit Verkippung und mit komplett aufgehobenem Gelenkspalt zwischen Kniescheibe und Gleitlager. Knorpelabrieb Grad 4° beider Gelenkpartner = Arthrose.

Bei der Operation wird die Kniescheibe im Gleitlager zentriert. Dabei wird die Verkippung reduziert und die Kniescheibe nach zentral verlagert. In diesem Fall werden eine OP nach Elmslie (Medialisierung der nach distal gestielten Tuberositas tibiae und Spaltung des Ligamentum patellae longitudinale laterale (lateral release)) und eine MPFL-Rekonstruktion durchgeführt. Auch wird die Arthrose durch eine Knorpelzelltransplantation behandelt.

Das Ergebnis (Abb. 1b) zeigt eine gute, jetzt weitgehend anatomische Kniescheibenstellung mit Knorpelregenerat auf den MRT-Bildern und weitem lateralen Gelenkspalt.

Fall 2

Der 48 Jahre alte Patient stellt sich wegen jahrelanger diffuser Kniebeschwerden vor. Sehr starke Beschwerden bis VAS 8-10 (10=max) bei Belastung. Nur noch Walking und leichtes Training im Fitnessstudio sind möglich.

Das MRT-Bild vor OP (Abb. 2a) zeigt einen kräftigen Erguss. Es besteht eine patellofemorale Dysplasie mit Jägerhutform der Patella, lateralem Überstand und Knochenspornbildung. Viertgradige Knorpelschäden im Kniescheibengelenk an beiden Gelenkpartnern = Arthrose.

Bei der Operation werden eine Positionierung der Kniescheibe im Kniescheibengleitlager und eine Knorpelzelltransplantation zur Regeneration des Knorpels durchgeführt. Das MRT im Verlauf zeigt ein schönes Korrektur- und Regenerationsergebnis des Knorpels mit weitem lateralem Gelenkspalt (Abb. 2b).

Fall 3

63-jährige Patientin mit zunehmend starken Kniescheibenschmerzen. Anlaufschmerz, Schwellung, schmerzfreie Gehstrecke noch 100-500 m. Insbesondere Bergabgehen und Treppensteigen ist nur sehr mühsam möglich und schmerzhaft.

Das MRT-Bild vor der OP (Abb. 3a) zeigt einen Kniegelenkserguss, Dysplasie der Kniescheibe und des Gleitlagers, Jägerhutform der Patella, Knochenglatze, Überhang der Kniescheibe nach außen, Knochenödem in der Kniescheibe durch die Arthrose.

Bei der Operation wird die Kniescheibe wiederum in die Mitte des Gleitlagers versetzt und der Knorpel wird – diesmal durch Einpassen einer Kollagenmembran – regeneriert.

Die MRT-Bilder nach der Operation
(Abb. 3b) zeigen die gute Kniescheibenstellung im Gleitlager mit sehr guter Knorpelregeneration und weitem lateralen Gelenkspalt. Die Patientin ist mit dem OP-Ergebnis sehr zufrieden. Eine Prothese war bisher nicht nötig.

Fazit

Die Geradstellung der Kniescheibe im Gleitlager hat sich zur Schmerzreduktion und zur Wiederherstellung der Funktion in unseren Händen sehr bewährt. Der geschädigte Knorpel kann entweder durch das Einkleben einer Kollagenmembran oder durch eine Knorpelzelltransplantation zumindest teilweise sehr gut regeneriert werden. Natürlich muss der Patient bei Arthrose immer realistische Erwartungen an das Operationsergebnis haben. Die Operation kann jedoch eine sehr gute Lösung sein, um Kniescheiben-Beschwerden für Jahre weitgehend zu beheben, aktive Lebensqualität zu sichern und gesunde Gelenkabschnitte möglichst lange ohne Prothese zu erhalten.