Mai 2021 – Ausgabe 37
Gelenkerhaltende Beinachsbegradigung bei schmerzhaftem O-Bein
Keywords: Varusfehlstellung, Beinachskorrektur, Umstellungsosteotomie
Bei Varusfehlstellung ist eine gelenkerhaltende Achskorrektur hervorragend dazu geeignet, Schmerzen bei innenseitigen Gelenkschäden zu lindern. Die Operation führt meist zu einer sehr effektiven Schmerzreduktion, sodass viele Patienten wieder deutlich aktiver sein können. Oft kann durch den Eingriff auch die Implantation einer Teilprothese oder Komplettprothese für lange Zeit vermieden werden.
O-Beine führen im Stehen zu einer Druckerhöhung auf der Innenseite der Kniegelenke. Über Jahrzehnte kann es durch die chronische Überlastung zu innenseitigen Gelenkschäden kommen. Genetische Faktoren spielen hierbei eine große Rolle, der Prozess wird jedoch durch traumatische Meniskus und Knorpelschäden in jungen Jahren oft stark beschleunigt. Das Endstadium ist eine manifeste schmerzhafte mediale Kniearthrose.
Der natürliche Verlauf des Kniealterns wird durch Unfälle mit Verletzung des Meniskus, des Knorpels, der Bänder und starke körperliche Belastung häufig stark beschleunigt. So können sich schon früh – bei manchen Menschen bereits um das 30. bis 40. Lebensjahr – schmerzhafte Überlastungserscheinungen, eine zunehmende Gelenkspaltverschmälerung und schließlich eine mehr oder weniger stark ausgeprägte schmerzhafte innenseitige Kniegelenksarthrose entwickeln (Abb. 1). Dadurch sind betroffene Patienten zunehmend stark eingeschränkt, zunächst bei Belastung, dann auch im Alltag und sogar in Ruhe, z. B. im Schlaf.
Ziel der Behandlung bei O-Bein-Beschwerden sollte es deshalb sein, erste Symptome und Schmerzen so weit wie möglich zur beheben, um die Lebensqualität zu erhalten. Es ist ratsam, zunächst externe Ursachen der Überlastung zu identifizieren und zu beseitigen. Stärkere sportliche Belastung, z. B. StopandGoSport wie Fußball, Squash etc. sollten gemieden werden, da hierbei sehr starke Druckbelastungen auf den geschädigten Gelenkabschnitt wirken. Gewichtsreduktion kann bei Übergewicht sehr hilfreich sein. Zusätzlich kann eine gezielte Physiotherapie, Schmerzmedikation und eine Schuhaußenranderhöhung von 3–5 Millimetern Linderung bringen. Auch der Einsatz von Hyaluronsäure präparaten oder/und eine Eigenbluttherapie (ACP) in Form von Injektionen in das Kniegelenk können zu einer Verbesserung beitragen.
Bei erfolgreicher konservativer Therapie mit weitgehender Schmerzfreiheit besteht zunächst meist keine Indikation zur Operation. Eine Ausnahme liegt jedoch vor bei jüngeren Patienten mit sehr starkem O-Bein, denn die starke Fehlstellung kann über die Jahre zur Arthrose führen. Auch bei starker Beeinträchtigung der Lebensqualität durch Schmerzen und Funktionseinschränkung trotz konservativer Behandlung ist meist eine Operation anzuraten.
Bei fortgeschrittenem Befund kommen unterschiedliche operative Maßnahmen in Betracht. Häufig wird eine alleinige Arthroskopie zur „Gelenksäuberung“ vorgeschlagen, diese bringt aber oft wenig Besserung oder führt nicht selten sogar zu einer Verschlechterung.
Zur Entlastung der schmerzhaften Knieinnenseite führen wir eine operative Beinachsbegradigung = Umstellungsosteotomie durch. Das Prinzip ist eine dauerhafte Druckentlastung der Knieinnenseite durch Umverteilung der Drucklast auf das Zentrum oder (leicht) auf die Außenseite des Kniegelenkes. Dadurch können die medialen Knieschmerzen wirkungsvoll gelindert werden. Wichtig ist, dass es sich dabei um einen gelenkerhaltenden Eingriff handelt.
Die richtige Patientenauswahl ist wie bei jeder Operation der Schlüssel zum Erfolg und erfordert viel Erfahrung. Bei der Entscheidung müssen Alter, Gewicht, Kniegelenksbeweglichkeit, Bandstabilität, Ausmaß des O-Beins und Begleitschäden im Gelenk berücksichtigt werden. Auch das Aktivitätsniveau und der Beruf sind wesentliche Kriterien. Wichtig ist auch, dass der innenseitige Gelenkspalt nicht ganz aufgehoben ist, sondern noch eine gewisse Gelenkspaltweite besteht.
Zu diagnostischen Zwecken werden Röntgen und MRTBilder sowie Ganzbeinstandaufnahmen durchgeführt (Abb. 1). Bestätigt sich ein O-Bein von ca. 5 Grad oder mehr, kann eine Beinachsbegradigung sinnvoll sein. Meist führen wir eine sogenannte „valgisierende“ Beinachskorrektur mit innenseitigem Aufklappen des Schienbeinkopfes durch. Dabei wird das Bein intraoperativ begradigt und die Achskorrektur bis zur Knochenheilung durch eine stabile TomoFixPlatte (Fa. Synthes) gehalten (Abb. 2). Damit können die Patienten nach 2–4 Wochen bereits wieder mit vollem Körpergewicht belasten. Der stationäre Aufenthalt beträgt 3–4 Tage, begleitend werden physiotherapeutische Maßnahmen durchgeführt. Die Titanplatte wird nach ca. einem Jahr wieder entfernt.
Der größte Vorteil des Verfahrens ist, dass gelenkerhaltend operiert wird. Der Patient muss allerdings verstehen, dass vorbestehende Schäden dadurch nicht geheilt, sondern nur entlastet werden. Um Knorpelschäden zu beheben, kann zusätz lich ein Aufbau des Knorpels durch eine körpereigene Knorpelzelltransplantation durchgeführt werden (Abb. 4). Natürlich ist das Ziel der Umstellungsosteotomie, die Schmerzen im Idealfall für mehrere Jahre stark zu reduzieren. Dabei ist die Ausgangssituation für die Prognose entscheidend. Je geringer der Verschleiß zum Zeitpunkt der Operation, desto länger hält in der Regel der OPErfolg an. Erfreulich ist, dass 10–15 Jahre nach der Operation noch 90–95 % der Patienten ihr eigenes Gelenk haben und noch keine Gelenkprothese benötigen.
Nur noch selten wird heute die zuklappende, außenseitige Achskorrektur am Schienbeinkopf bei O-Bein durchgeführt, da die Operation deutlich schwieriger und invasiver ist. Schließlich hat auch noch die vordere und hintere Osteotomie am Schienbeinkopf eine gewisse Bedeutung. Dadurch kann die Neigung (Slope) des Schienbeinplateaus korrigiert werden, was zum Beispiel bei chronischem vorderen oder hinteren Kreuzbandriss mit Slopeveränderungen zur Stabilitätsverbesserung eingesetzt wird.