November 2022 – Ausgabe 40

Die Triathletin Laura Philipp, mehrfache Ironman-Siegerin unter anderem bei den European Championships 2021 und 2022, lebt als Spitzenathletin nach einem ausgefeilten Plan. Nicht nur das Training, sondern auch die Ernährung und viele andere Faktoren tragen dazu bei, dass sie über einen Zeitraum von mehr als einem Jahrzehnt Höchstleistungen erbringen kann. Trainiert wird die 35-Jährige von ihrem Ehemann Philipp Seipp, mit dem sie in Heidelberg lebt. Die ATOS Klinik Heidelberg zählt zu den Sponsoren von Laura Philipp.

Wie schafft man es, für einen Wettkampf auf den Punkt fit und ausgeruht zu sein? Wie findet man in der Nacht vor dem Wettkampf Schlaf?

Grundsätzlich ist Schlaf für mich extrem wichtig, weil ich ohne ausreichend Schlaf nicht leistungsfähig wäre. Ich versuche daher, mindestens acht, besser neun Stunden zu schlafen. Ich benutze dazu ein Whoop-Band als Schlaftracker, das mir auch als Schlafcoach dient und mir je nach Trainingsbelastung Schlafempfehlungen gibt. Das hilft mir, einen Rhythmus mit festen

Zubettgeh- und Aufstehzeiten einzuhalten. Unterbrochen wird dies natürlich, wenn ein Wettkampf ansteht, weil gerade Ironman-Rennen sehr früh starten. Da muss ich dann schon um 3 Uhr morgens aufstehen, wenn das Rennen um 6 Uhr startet, damit ich mit gutem Abstand zum Rennen noch etwas essen kann.

In der Nacht vor dem Wettkampf schlafe ich fast nicht – daran habe ich mich gewöhnt, das geht vielen anderen Sportlern ebenso. Man ist aufgeregt, man ist nervös, voll Vorfreude und man weiß, dass der Wecker sehr früh klingelt … da kommen viele Faktoren zusammen, die dazu führen, dass die Nacht vor dem Wettkampf oft nicht gut ist. Anfangs war ich darüber sehr verunsichert, weil ich fürchtete, meine volle Leistungsfähigkeit nur abrufen zu können, wenn ich gut geschlafen habe. Da meine Wettkampfergebnisse trotz schlechten Schlafs aber gut waren, bin ich in Abstimmung mit Experten zu dem Schluss gekommen, dass es für mich eben zur Wettkampfvorbereitung gehört, so angespannt zu sein.

Wichtig ist aber trotzdem, sich hinzulegen und dem Körper Ruhe zu gönnen. Dabei sollte man sich aber keinesfalls in einer Gedankenspirale „ich muss aber doch schlafen …“ hochschaukeln, sondern einfach nur Ruhe halten, vielleicht ein paar Atemübungen machen und diesen Zustand akzeptieren. Wenn man eher ein nervöser Typ ist, lautet die wichtigste Botschaft, sich nicht verrückt zu machen. Viel wichtiger sind die Nächte vor der letzten Nacht, und da versuche ich einfach, meinem Rhythmus zu folgen und Dinge zu tun, die mir guttun, und mich zu entspannen.

Gibt es Wintertraining für Triathleten, z. B. mit Skilanglauf?

Es gibt den Satz „Die Sieger vom Sommer werden im Winter gemacht“. Obwohl wir eine Sommersportart ausüben, ist der Winter für uns Triathleten mit die wichtigste Trainingszeit. Da legen wir die Grundsteine für die Erfolge im Sommer, auch wenn es nicht immer ganz einfach ist mit Schwimmen, Radfahren, Laufen, wenn draußen Schmuddelwetter ist oder gar Schnee liegt. Skilanglauf ist bei Schnee eine sehr gute Alternativsportart, die perfekt für Triathleten ist, denn Skilanglauf ist wie Schwimmen, Radfahren und Laufen in einer Disziplin. Man trainiert gleichzeitig Oberkörper und Beine und absolviert ein super Herz-Kreislauf-Training. Vor allem beim Skaten hat man auch etwas andere Bewegungsabläufe, sodass man noch weitere Muskelgruppen aktiviert.

Ansonsten klappt Triathlontraining auch im Winter gut, indem man z. B. aufs Mountainbike ausweicht, dessen Reifen etwas mehr Grip haben. Schwimmen findet ohnehin im Hallenbad statt, und Laufen geht ja zum Glück fast immer. Wenn die Bedingungen draußen sehr schlecht sind, kann man auch mal das Laufband benutzen.

Im Wintertraining kann man auch neue Reize setzen, z. B., indem wir im Fitnessstudio mit Krafttraining gezielt eine starke Basis bauen und an Schwachstellen arbeiten. Man kann im Winter Muskeln aufbauen, die im Sommer durch einseitige Bewegungen wieder schwächer geworden sind.

Welche Rolle spielt der Zyklus für Training und Wettkampf? Gibt es zyklusangepasstes Training?

Der Zyklus spielt vor den Wechseljahren in meinen Augen eine extrem große Rolle für die Leistungsfähigkeit im Training und natürlich auch im Wettkampf. Dies gilt aber nur, wenn man einen natürlichen Zyklus hat, also keine hormonelle Verhütung anwendet, da bei der hormonellen Verhütung die eigene Hormonproduktion eingestellt wird.

Wenn man einen natürlichen Zyklus hat, bemerkt man, dass man sich in der ersten Zyklushälfte viel stärker fühlt und bestimmte Trainingseinheiten oder Wettkampfbelastungen in der zweiten Zyklushälfte schwieriger werden können. Das bezieht sich zum einen auf die Leistungsfähigkeit, aber auch auf die Anpassungsfähigkeit, z. B. an Hitze. Die Körperkerntemperatur ist in der zweiten Zyklushälfte höher, daher kann es sein, dass man in der zweiten Zyklushälfte viel schneller an sein Temperaturlimit kommt.

Mit zyklusangepasstem Training kann man versuchen, durch eine schlaue Trainingsstrukturierung die sehr fordernden, intensiven Trainingseinheiten in die erste Zyklushälfte zu legen und in der zweiten Hälfte mehr Ausdauer- und grundlagenbasiertes Training zu machen, was einfach leichter fällt. Allein durch diese Verschiebung und Anpassung der Trainingsinhalte stresst man den Körper weniger stark über das Training hinaus. Dies führt dazu, dass sich die Leistungsfähigkeit entwickelt und man sich auch im Training viel besser fühlt, weil man nicht gegen sich arbeitet, sondern mit der eigenen Physiologie.

Bei Wettkämpfen wird es schwieriger, die Termine stehen ja fest. Bei kleineren Vorbereitungsrennen kann man sich aber durchaus mal gezielt einen Wettkampf aussuchen, der in der ersten oder zweiten Zyklushälfte liegt, und dann schauen, wie es einem geht. Daraus lernt man für die Situation, dass ein Highlight-Rennen in der zweiten Zyklushälfte liegt: Was kann ich tun, um den Körper dann zu unterstützen – sich z. B. angepasst zu verpflegen, mehr zu trinken, vielleicht auch mit Supplements zu helfen.

Unterscheidet sich die Ernährung in Wettkampfphasen von der in Trainingsphasen?

Der Unterschied ist nicht gravierend. Natürlich ist in Trainingsphasen das Trainingsvolumen oft deutlich höher, d. h., der Energieumsatz ist viel größer, und ich muss neben den Hauptmahlzeiten auch die Trainingseinheiten extrem gut verpflegen. Da steht am Ende des Tages ein viel höherer Energieumsatz und auch eine viel höhere Energieaufnahme. Auch die Proteinversorgung ist in Trainingsphasen etwas höher, weil die Belastung höher ist.

In Wettkampfphasen wird das Training vom Volumen her zurückgefahren, die Einheiten sind viel kürzer, und es reicht, vor und nach den Einheiten zu den normalen Mahlzeiten zu essen. In der Wettkampfwoche versucht man dann, die Aufteilung der Makronährstoffe etwas zu verschieben. Das bedeutet, den Schwerpunkt mehr auf die Kohlenhydrate zu legen im Sinne eines leichten Carbo- Loadings. Ballaststoffe und schwerer verdauliche Lebensmittel werden eher zurückgefahren, zwei bis drei Tage vor dem Rennen bevorzuge ich also eine leichte, kohlehydratbetonte Kost.

Wird eine gezielte Prävention gegen Verletzungen betrieben? Wenn ja, was und gegen welche Verletzungen?

Triathlon ist eine sehr spezielle, zeitintensive Sportart, weil man für drei verschiedene Disziplinen trainieren muss. Der Trainingsaufwand und -umfang ist deutlich höher als bei anderen Sportarten, damit geht eine erhöhte Verletzungsanfälligkeit einher. Die meisten Verletzungen entstehen in der Regel beim Laufen, sofern beim Radfahren kein Sturz im Spiel ist. Beim Laufen ist die Stoßbelastung auf den Körper groß, Verletzungen entstehen, wenn man z. B. nicht ganz sauber oder technisch nicht optimal läuft, Dysbalancen oder Fehlstellungen hat.

Wir betreiben gezielte Prävention, indem wir versuchen, in allen drei Sportarten die Bewegungsausführung möglichst zu optimieren, also sehr viel an der Technik zu arbeiten – das ist eine sehr gute Prävention. Beim Schwimmen geht es z. B. um die Schultern, dass man eine Bizepssehnenreizung vermeidet. Beim Radfahren dient der Prävention, dass man sich im Fitnessstudio einen starken Rumpf baut, damit die langen zyklischen Belastungen nicht zur Überlastung führen. Beim Laufen gilt es, die ganzen Klassiker wie Sehnenreizungen zu vermeiden, aber auch die im Triathlon gehäuft vorkommenden Ermüdungsbrüche. Sie beruhen oft auf Fehlstellungen.

Insgesamt kann man vielen Problemen durch Krafttraining vorbeugen, ferner durch eine gute Bewegungsausführung mit viel Augenmerk auf der Technik, sowie durch eine gute Belastungssteuerung mittels Trainingsplan und Coach. Der Körper soll optimale Reize bekommen, aber auch Zeit für Ruhe. In den Ruhezeiten erholen sich nicht nur die Strukturen, sondern der Trainingsreiz entfaltet sich dann auch erst. In der Ruhe wird man stärker!