Oktober 2024 – Ausgabe 44

Fred wird wieder traben!

Thermann

Prof. Dr. med. Hajo Thermann
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Die erste große Liebe meiner Tochter Mariko war der Wallach Roll Dancer. Weil er so elegant war in seinem Trab, wurde er von mir Fred Astaire genannt, und seit- her hieß der Roll Dancer „Fred“. Doch eines Tages, nur zweieinhalb Jahre später, begann Fred zu lahmen. Das brachte meine Tochter zur Verzweiflung!

Da sie damals in Berlin studierte, wurde das Pferd in der Pferdeklinik der Charité bei Prof. Dr. med. vet. Christoph Lischer vorgestellt. Nach MRT und Röntgen wurde dort folgende Diagnose gestellt: Tendinopathie der tiefen Beugesehne im Bereich der Bursa podotrochlearis; schwerer Knorpeldefekt der Facies flexoria des Strahlbeines und chronische Bursitis podotrochlearis (Abb. 1).

Mariko war sich bewusst und daher traurig, dass die „natural history“ dieses Krankheitsbildes zu einer zeitnahen Fraktur führt und man Fred hätte einschläfern müssen. Wie Väter so sind, versprach ich ihr: „Fred wird wieder traben“ (wovon ich mehr oder weniger überzeugt war).

Ich nahm Kontakt mit dem Veterinärmediziner Prof. Lischer auf und erläuterte ihm meine jahrzehntelange internationale Erfahrung als Orthopäde in der Behandlung von Knorpeldefekten (nicht nur im Sprunggelenksbereich). Wir verstanden uns auf Anhieb und beschlossen schließlich, Fred gemeinsam zu operieren (Abb. 2).

Die Arthroskopie des Strahlbeins ist laut Prof. Lischer nicht beschrieben, sodass ich mich mit großer Verve in die Anatomie des Hufgelenks und seiner Umgebung stürzte. Der Plan war, arthroskopisch zu versuchen, in den Bereich der Läsion am Strahlbein zu gelangen, sie zu debridieren, den Defekt mit Innotere-Paste (Hydroxylapatit) aufzufüllen und dann die Läsion mit Knochenmark und Wachstumsfaktoren zu decken.

Prof. Lischer führte das Arthroskop über die Beugesehne in den Bereich des Strahlbeins, sodass ich dann mit Shaver und Fräse eine Arthrolyse durchführte, bis wir in den besagten zystischen Bereich mit der Knorpelläsion gelangten (Abb. 3 und 4).

Die Innotere-Paste, die sehr gut modellierbar ist und nicht sofort abbindet, wurde eingebracht und mit einem Elevatorium nachjustiert. Zusätzlich wurde Knochenmark aus dem Sternum und dem ACP injiziert und der Defekt unter Sicht ausgehärtet (Abb. 5,6).

Der postoperative Verlauf war sehr erfreulich (Abb. 7). Fred erholte sich sehr schnell. Ein Jahr später kam es jedoch zu einem kleinen Zwischenfall: Die Kernspintomographie zeigte einen freien Gelenkkörper mit inneren Fragmenten im Bereich der Beugesehne. Dieser wurde kurz darauf durch einen kleinen endoskopischen Eingriff entfernt.

Die anschließende und hoffentlich letzte Rehabilitation war unauffällig und zufriedenstellend. Das Versprechen an meine Tochter, dass sie wieder auf Fred reiten wird, konnte ich einhalten – zwar nur auf normalem Niveau mit Ausritten ins Gelände usw., aber Fred kann wieder traben und das freut uns alle sehr! (Abb. 8).

„Wie Väter so sind, versprach ich meiner Tochter: Fred wird wieder traben!“