November 2022 – Ausgabe 40
Die VANTAGE-Totalendoprothese des Sprunggelenks – ein völlig neuer Ansatz
Schlüsselwörter: Sprunggelenksprothese, tibiale Verankerung, talare Komponente, tibiale Komponente
In den vergangenen 30 Jahren gab es in Europa nur vier verschiedene Sprunggelenksendoprothesen. Nun ist eine neue, in mehrfacher Hinsicht in ihrem Design veränderte Sprunggelenksprothese verfügbar, bei der viele Kritikpunkte an den bisherigen Produkten innovativ aufgelöst werden konnten. Für die Patientinnen und Patienten ergibt sich daraus eine frühere Belastbarkeit und bessere Beweglichkeit des Gelenks.
Ab 1970 gab es die ersten Sprunggelenksprothesen, die vom Design her eher einer umgekehrten Hüftprothese glichen und leider keinen Erwartungen standhielten. Erst in den 1990er-Jahren wurde durch den Arzt Hakon Kofoed mit der sogenannten S.T.A.R.-Prothese ein modernes Design mit drei Komponenten entwickelt, welches die Endoprothetik als ein seriöses, verlässliches Implantat bei richtiger Anwendung qualifizierte.
Im weiteren Verlauf wurden mit dem Drei-Komponenten-Design in Europa vier zueinander in Konkurrenz stehende Prothesen entwickelt: die AES-Prothese, die HINTEGRA-Prothese, die S.T.A.R.- Prothese (Abb. 1), die MOBILITY-Prothese und die Salto-Prothese.
Prof. Hajo Thermann (Senior-Autor dieses Beitrags) hatte die Möglichkeit, alle Prothesen im Laufe der Zeit zu implantieren und sie miteinander zu vergleichen. Da die AES- und die MOBILITY-Prothese vom Markt genommen wurden, entschied er sich vor ca. vier Jahren für die verbesserte S.T.A.R.-Prothese. In der Revisions- Endoprothetik war mit dem Flat-Cut-Talus der HINTEGRA-Prothese ein optimales Implantat zu diesem Zeitpunkt vorgestellt worden.
Die Autoren der Vantage-Prothese (James Nunley, Marc Easely, Jim Di`Orio und Victor Valderrabano), mit denen sich Prof. Thermann seit 2002 über die Nachteile der damals existierenden OSG-Prothesen intensiv ausgetauscht hat, haben mit aufwendigen Studien und Weiterentwicklungen ein neues, besseres Design geschaffen (Abb. 2).
Das Hauptproblem in der Diskussion war die tibiale Verankerung, die von anterior durchgeführt wurde und damit keine wirkliche Festigkeit aufwies. Unser allgemeiner Wunsch dank der langjährigen Erfahrung war es, die Verankerung nicht mehr von anterior, sondern physiologisch von kaudal einzuschlagen.
Das zweite Problem war eine angenäherte Form der talaren Komponente, die sowohl die normale als auch die pathologische Anatomie der Arthrose des oberen Sprunggelenks berücksichtigt. Mit dieser Vision wurden das normale Sprunggelenk ebenso wie der Talus des arthrotischen Sprunggelenks in zahlreichen CT-Rekons- truktionen berechnet, um ein perfektes talares Design zu konstruieren. Basierend auf den CT-Rekonstruktionsstudien des gesunden Talus konnte man die kraniale Oberfläche der talaren Komponente anatomisch nachbilden, die der Biomechanik des natürlichen Sprunggelenks entspricht.
Dem gegenüber steht die Kurvatur des kaudalen Anteils der Vantage-Prothese, die den Rekonstruktionen der pathologischen CT-Daten entspricht, sodass im kranialen Teil eine normale Anatomie geformt und im kaudalen Anteil ein Korrelat für den pathologischen Talus bei OSG- Arthrose nachempfunden wurde (Abb. 3 und 4).
Die Vantage-Prothese unterscheidet sich auch in der tibialen Komponente, die eine kortikale Abdeckung gewährleistet und durch eine Aussparung lateralseitig die fibulare Artikulation ungehindert ermöglicht. Besonders interessant sind auch die Fixierungen, die in der tibialen Komponente einen zentralen Pressfit-Zapfen mit Plasmaspray-Beschichtung haben, sodass hier zentral ein Pfeiler für das Einwachsen gewährleistet ist.
Zur Rotationsstabilität wurden noch drei periphere Plasma-Zapfen hinzugefügt. Auf diese Weise wird eine große Knochenintegration mit einer hohen Rotationsstabilität erreicht (Abb. 5).
Der kaudale Radius der Krümmung auf der Unterseite der talaren Komponente basiert auf den Studien, welche sich den Veränderungen des Talus durch die Arthrose gewidmet haben.
Das spezifische Design wird den arthrotischen Veränderungen des Talus gerecht und kann so die erforderliche Menge der Talusresektion reduzieren. Durch die kaudale Einbringung der tibialen Kompo-nente, die von kaudal eingeschlagen wird und somit nicht im Vergleich zu den herkömmlichen Prothesen die anteriore Kortex verletzt, wird die Gefahr eines Einsinkens der tibialen Komponente verringert.
Zusätzlich wurde mit einer Flatcuttalaren Komponente für einen sehr flachen Talus sowie auch für Revisionsendoprothetik eine entsprechende talare Komponente entwickelt.
Das Besondere an der Implantationstechnik ist ein sog. Curvecut mit einer Raspel. An der Stelle, wo vorher kastenförmig gesägt wurde, werden Scherkräfte verhindert bzw. sie werden deutlich reduziert bei gleichzeitig verbessertem Pressfit (Abb. 6).
Die optimale vertikale Verankerung zeigt der Vergleich bei biomechanischer Untersuchung zu den bisherigen Prothesen wie z. B. S.T.A.R.- und SALTO- Prothese (Abb. 7).
Fazit
Die Entwicklungen und die neuen Ansätze der Vantage-Prothese wurden über Jahrzehnte durch ein Designerteam und in Kooperation mit Ingenieuren immer weiter vorangetrieben und verbessert. Die eigene Erfahrung mit allen vorhandenen Prothesen zeigt ebenfalls erhebliche Vorteile für die Neuentwicklung. Aufgrund der durch große Datenmengen errechneten Kurvatur des gesunden und des arthrotischen Talus, sowie der Implantationstechnik mit dem Abrunden für die talare Komponente, um somit Scherkräfte zu verhindern, zeigt sich ein optimales Pressfit für die talare Komponente. Das kaudale Einschlagen ohne Unterbrechung der anterioren Kortex, wie beim Einbringen der vorhergehenden Prothesen, ergibt ebenfalls ein optimales stabiles Pressfit. In der Nachbehandlung lässt sich hier eine frühzeitige Vollbelastung durchführen, was bei den anderen Prothesen sowie bei den Vorgängern in der Sprunggelenks-Endoprothetik nicht möglich war.
Ein weiterer Vorteil der Vantage-Prothese ist eine frühzeitige Mobilisation durch das axiale Einbringen der tibialen Komponente und das optimale Pressfit durch die abgerundete talare Komponente. Patientinnen und Patienten, die wenig schmerzempfindlich sind, können den Fuß schon nach 3-4 Tagen voll belasten, in der Regel haben sie durchschnittlich in 2-4 Wochen die volle Belastung erreicht. Durch das Erreichen der vollen frühzeitigen Beweglichkeit kommt es natürlich zu einer Dehnung des Weichteilmantels und damit zu einer deutlich besseren Beweglichkeit, während sich bei Teilbelastungen im Walker oder Gips über sechs Wochen der Weichteilmantel eher versteift und zu Problemen in der Mobilisation führt.