Oktober 2024 – Ausgabe 44

Die operative Versorgung des instabilen Varuskniegelenkes mit Arthrose durch die Implantation einer Schlittenprothese und einer vorderen Kreuzbandersatzplastik in einer Sitzung

Schmitt

Prof. Dr. med. Holger Schmitt
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Schlüsselwörter: Schlittenprothese, vordere Kreuzbandplastik, Gonarthrose, Instabilität

Die Standzeiten von isolierten medialen Schlittenprothesen im Knie betragen inzwischen mehr als 15 Jahre. Aber auch die einzeitige Kombination einer vorderen Kreuzbandersatzplastik mit einem medialen unikondylären Kniegelenkersatz führt inzwischen zu sehr guten Langzeitergebnissen von 90 Prozent intakter Prothesen nach über 14 Jahren, wie eine Multicenterstudie belegt.

Grundsätzlich ist das Vorhandensein einer Beinachsfehlstellung sowohl im Varus- als auch im Valgussinne mit einem erhöhten Arthroserisiko verbunden. Finden sich bereits im jungen Erwachsenenalter Achsabweichungen von mehr als 5° im Bereich des Kniegelenkes, resultiert durch die erhöhte biomechanische Überlastung des mehr unter Last stehenden Kompartimentes ein erhöhtes Arthroserisiko (Abb. 1a, b). Eine zusätzliche intensive, d. h. über eine freizeitsportliche Belastung hinausgehende Aktivität kann dazu führen, dass es neben einer innenseitigen Arthrose auch zu Verletzungen der übrigen Kniebinnenstrukturen, d. h. des Innen- oder Außenmeniskus sowie der Kreuzbänder, kommen kann. Besonders bei den Sportarten, bei denen ein Gegnerkontakt zu einem erhöhten Verletzungsrisiko führt, oder in den Sportarten, in denen Belastungen mit schneller Richtungsänderung und abrupten Brems- und Beschleunigungsphasen kombiniert werden, besteht ein erhöhtes Verletzungsrisiko. Somit existieren Situationen, in denen junge Patientinnen und Patienten bereits Verschleißveränderungen auf der Innenseite des Kniegelenkes aufweisen, kombiniert mit einer Bandinstabilität als Folge einer vorderen Kreuzbandverletzung (Abb. 2).

Therapiemöglichkeiten bei medialer Kniearthrose plus Instabilität

Üblicherweise sollten instabile Gelenke mit vorhandener Arthrose mit einer totalen Oberflächenersatzprothese versorgt werden. Dies sind Vollprothesen, bei denen eine gewisse Instabilität des Gelenkes durch das Design bzw. die Koppelungsmöglichkeiten der Prothese korrigiert werden kann und somit instabile Situationen wieder stabil gemacht werden können. Wenn es sich jedoch um junge Patientinnen und Patienten handelt (jünger als 65 Jahre), so kann bei einer solchen Befundkonstellation (O-Bein-Fehlstellung mit erheblicher Arthrose auf der Innenseite, kombiniert mit einer vorderen Kreuzbandinstabilität) sehr wohl eine Kombinationsoperation erwogen werden. Bei dieser wird zum einen eine mediale Schlittenprothese (= unikondylärer Gelenkersatz) implantiert, in Kombination mit einer vorderen Kreuzbandersatzplastik (mittels körpereigenem Sehnentransplantat). Derartige Operationen sind höchst anspruchsvoll, da zum einen eine Expertise auf dem Gebiet der Endoprothetik vorhanden sein muss, gleichzeitig aber auch die arthroskopische Stabilisierung durch eine vordere Kreuzbandersatzplastik (VKEB) zum Standardrepertoire des Operateurs gehören muss.

Ergebnisse der einzeitigen Kombination von vorderer Kreuzbandersatzplastik mit medialer Schlittenprothese

Aus zahlreichen Studien wissen wir, dass mittlerweile die Standzeiten des isolierten medialen unikondylären Kniegelenkersatzes bereits mehr als 15 Jahre betragen. Ergebnisse aus verschiedenen Endoprothesenregistern zeigen, dass nach zehn Jahren noch ca. 95 Prozent der Schlittenprothesen intakt sind, nach 15 Jahren noch über 90 Prozent. Somit sind die Haltbarkeitsdaten vergleichbar mit denen des kompletten Kniegelenkersatzes als Oberflächenersatz.

Im Rahmen einer Multicenterstudie konnten wir vor Kurzem dokumentieren und wissenschaftlich belegen, dass auch die einzeitige Kombination einer vorderen Kreuzbandersatzplastik mit einem medialen unikondylären Kniegelenkersatz zu sehr guten Langzeitergebnissen führt. Nach einem Beobachtungszeitraum von 14,5 Jahren waren 90,4 Prozent der Prothesen intakt. Aus einer Untersuchungsgruppe von 23 Patientinnen und Patienten mit kombinierter medialer Schlittenprothese und vorderer Kreuzbandplastik musste lediglich bei zwei Betroffenen von 23 (in einem Fall nach sechs Jahren, im anderen Fall nach zwölf Jahren) ein Wechsel des Teilgelenkersatzes in einen totalen Gelenkersatz erfolgen.

Operatives Vorgehen

Die Besonderheit des operativen Vorgehens liegt insbesondere darin, dass nicht nur, wie bei einem isolierten unikondylären Kniegelenkersatz, die Achsverhältnisse des Beines und die Spannungsverhältnisse der Bandstrukturen berücksichtigt werden müssen, um eine möglichst optimale Bewegungsfähigkeit zu erzielen, sondern auch eine ausreichende Stabilität des Kniegelenkes erreicht werden muss. Als Kreuzbandersatz wird üblicherweise der sehnige Anteil des M. semitendinosus als Vierfachtechnik zur Stabilisierung des Kniegelenkes verwendet. Die Problematik der kombinierten Versorgung liegt technisch während der Operation insbesondere darin, dass nach Einbringen der medialen Schlittenprothese, und hier insbesondere nach Festlegung der Positionierung der tibialen Komponente, die üblicherweise zementiert wird, im Anschluss ein tibialer Bohrkanal zum Durchzug der vorderen Kreuzbandplastik gewählt werden muss, der in unmittelbarer Nähe zur medialen Schlittenprothese das Tibiaplateau erreicht. Hierfür erforderlich ist eine große Erfahrung des Operateurs sowohl im Bereich der Endoprothetik als auch in der operativen Sportorthopädie, um individuell in diesen Fällen die richtige Bohrkanalwahl vornehmen zu können. Es handelt sich bei diesen Operationen um eine Kombination aus arthroskopischem und offenem Vorgehen. Während üblicherweise die Implantation einer medialen Schlittenprothese einen Zeitaufwand von ca. 60 Minuten benötigt, kommt es bei der kombinierten Versorgung zu Operationszeiten von 80 bis 90 Minuten (Abb. 3 a, b).

Nachbehandlung

Die Nachbehandlung nach kombinierter Versorgung mit einer medialen Schlittenprothese inklusive vorderer Kreuzbandersatzplastik wird standardisiert zunächst einmal mit wenigen Tagen Teilbelastung durchgeführt. Eine Teilbelastung von 20 Kilogramm in den ersten 14 Tagen ist erlaubt, außerdem werden eine manuelle Lymphdrainage und eine krankengymnastische Übungsbehandlung mit Mobilisierung des operierten Kniegelenkes durchgeführt, was die Schwellneigung reduziert. In der Anfangsphase kann auch bis ca. 90° gebeugt werden, in der dritten bzw. vierten Woche nach dem Eingriff kann zunehmend belastet und dann auch über die 90° hinaus gebeugt werden. Nach etwa fünf bis sechs Wochen kann häufig bei einer dann erreichten Beugefähigkeit von ca. 110° mit dem Ergometerradfahren begonnen und im Anschluss auch das individualisierte Krafttraining wieder aufgenommen werden, um durch eine Verbesserung der Kraft und der Koordination ein gutes funktionelles Ergebnis zu erzielen. Üblicherweise dauert der Muskelaufbau allerdings wie bei der isolierten vorderen Kreuzbandplastik in den meisten Fällen doch sechs bis neun Monate, ehe eine volle Sporttauglichkeit erzielt werden kann.

In der Regel kommt es nach einer derartigen operativen Versorgung zu einer guten Stabilität mit gerader Beinachse und auch zu einer guten Bewegungsfähigkeit, somit sind grundsätzlich nahezu alle sportlichen Aktivitäten wieder möglich. In den meisten Fällen kann zwischen 120 und 130° gebeugt werden bei kompletter Streckfähigkeit und bei stabilen Verhältnissen. Sind diese Voraussetzungen vorhanden, können auch sportartspezifische Belastungen wieder aufgenommen werden. Die maximal erreichbare Funktion richtet sich im Wesentlichen nach den wiederaufgebauten Muskelverhältnissen, die in letzter Konsequenz über die Sportfähigkeit entscheiden.

Fazit

Die mittlerweile guten Langzeitergebnisse, die aus einer Multicenterstudie wie oben gezeigt resultieren, sprechen dafür, insbesondere bei eher jungen Patientinnen und

Patienten mit innenseitiger Kniegelenksarthrose und Instabilität als Folge einer vorderen Kreuzbandruptur dieses kombinierte Vorgehen mit einzeitiger Implantation einer Schlittenprothese und einer vorderen Kreuzbandplastik zu wählen, um den Patientinnen und Patienten wieder eine gute Funktion für einen wichtigen aktiven Lebensabschnitt zu geben.

Voraussetzungen zur einzeitigen Versorgung einer medialen Gonarthrose mit vorderer Kreuzbandinstabilität durch Schlittenprothese und vorderer Kreuzbandplastik:

  • mediale Arthrose und lateral gute Knorpelverhältnisse (Röntgen: Varus- und Valgusstressaufnahme)
  • klinisch: vordere Instabilität
  • kernspintomographisch: gute Knorpelverhältnisse lateral und komplette vordere Kreuzbandruptur
  • Streckdefizit bis maximal 5 Grad
  • Varusfehlstellung < 15 Grad