Mai 2021 – Ausgabe 37
Die körpereigene Knorpelzelltransplantation am Hüftgelenk
Dr. med. Alexander Kurme
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Keywords: autologe Knorpelzelltransplantation, Hüftgelenk, CAMImpingement, PinzerImpingement
Als Therapieoption bei Knorpelschäden des Hüftgelenks bleibt oft nur noch der endoprothetische Ersatz des Hüftgelenkes. Gerade bei jüngeren, sportlichen Patienten möchte man jedoch auf einen frühzeitigen endoprothetischen Gelenkersatz verzichten und gelenkerhaltende Verfahren anwenden. Bei fokalen, also punktuellen Knorpelschäden des Hüftgelenkes wird an der ATOS Klinik Fleetinsel als einziger Klinik in Hamburg die autologe Knorpelzelltransplantation durchgeführt.
Knorpel ist ein besonderes Gewebe im menschlichen Körper. Es überzieht alle gelenkbildenden Flächen und sorgt durch einen geringen Haftreibungskoeffizienten für ein reibungsloses Gleiten der Gelenkpartner. Knorpel besitzt weder Blutgefäße noch Nerven und hat kein Potenzial zur Selbstheilung. Ist ein Schaden am Knorpel erst einmal aufgetreten, so kann dieser in der Regel nicht durch den Körper selbst repariert werden. Da der Knorpel keine Nerven aufweist, sind Schädigungen bis zu einer gewissen Defekttiefe nicht spürbar. Auch gibt es keinen typischen Knorpeltest, der auf eine frühzeitige Schädigung des Gewebes zuverlässig hindeutet.
Ursachen einer Knorpelschädigung am Hüftgelenk können traumatisch oder degenerativ sein. Am häufigsten lassen sich jedoch Impingementsyndrome als Ursache der fokalen Schädigung ausmachen. Diese Anschlagsphänomene gibt es in mehreren Varianten, wobei klinisch das CAMImpingement und das PinzerIm pingement – auch in kombinierter Form – am häufigsten auftreten (Abb. 1).
Beim CAMImpingement kommt es durch eine verstrichene Taillierung des Schenkelhalses zu einem wiederholten Anschlagen am Pfannenrand bei Beugung im Hüftgelenk. Folge ist eine Schädigung der Gelenklippe und ein Abschieben des Pfannenknorpels in diesem Gebiet. Der Knorpel liegt dann zwar noch wie ein Teppich über dem Pfannenknochen, ist jedoch bei Bewegung im Hüftgelenk biomechanisch nicht mehr belastbar. Schmerzen und eine zunehmende Gelenkzerstörung sind das Resultat dieser Schädigung. Beim PinzerImpingement liegt als auslösende Pathologie eine Über-Überdachung vor, die bei Beugung des Hüftgelenkes zu einem Anschlagen des Pfannenrandes am Schenkelhals und zu einer Druckzunahme auf den hinteren Pfannenknorpel führt. Auch hier sind die Folgen Schmerzen und zunehmende Gelenkzerstörung.
Diagnostik
Die Patienten berichten häufig über plötzlich einsetzende, stichartige Schmerzen im Leistenbereich bei Belastung. Sie greifen sich dabei C-förmig um die Hüfte, wenn sie den Schmerz lokalisieren wollen (Abb. 2). Die klinische Untersuchung erfolgt am liegenden Patienten in Rückenlage. Der typische Impingementschmerz wird in Hüftbeugung und Adduktion in Kombination mit einer schnell durchgeführten Innenrotation ausgelöst. Zur Bildgebung ist standardmäßig eine Röntgenaufnahme des Hüftgelenkes in zwei Ebenen anzufertigen. Dabei hat es sich bewährt, wenn eine Beckenübersichtsaufnahme und eine seitliche Aufnahme der betroffenen Seite durchgeführt werden. Nach Ausschluss einer Koxarthrose sollte der Fokus auf der Schenkelhalstaillierung, der Pfannenüberdachung und der Pfannenantetorsion liegen (Abb. 3).
Eine MRT – auch mit Kontrastmittel – sollte vor jeder operativen Entscheidung zur Verifizierung von Knorpelschäden veranlasst werden. Auch weichteilige Schäden wie eine Labrumläsion können auf diesem Weg dargestellt und in eine mögliche operative Planung einbezogen werden. Eine Knorpelläsion im Pfannenbereich stellt sich sehr gut in den koronaren oder schrägkoronaren Schichten als sog. reverse oreosign dar. Dabei zeigt sich die Läsion umgekehrt wie ein Oreo Keks in einer weißschwarzweißen Anordnung (Abb. 4).
Therapie
Die autologe Knorpelzelltransplantation ist ein Verfahren, welches bei fokalen Knorpelschäden bis zu 10 cm2 eingesetzt wird. Hierdurch wird eine Knorpelneubildung im Defekt erzeugt, die zum einen den Gelenkknorpel komplett wiederherstellt und zum anderen ein Fortschreiten der Gelenkzerstörung aufhält. Im Kniegelenk wird in der ATOS Klinik Fleetinsel die autologe Knorpeltransplantation schon seit vielen Jahren erfolgreich und in großer Zahl durchgeführt. Das Verfahren hat sich inzwischen als Goldstandard bei fokalen Knorpelschäden des Kniegelenks etabliert.
Die Arthroskopie des Hüftgelenkes ist mittlerweile, wie die autologe Knorpelzelltransplantation für das Kniegelenk, ein etabliertes Verfahren in der Hüftchirurgie. So können knöcherne Impingementvariationen gut arthroskopisch adressiert und beseitigt werden. Die Patienten werden hierfür auf einem Extensionstisch gelagert und beide Beine in die Extension eingespannt. Ein gut gepolsterter Gegenzugstab wird an den Schambeinast der zu operierenden Hüfte angesetzt und das Bein über diesen Gegenzugstab unter Durchleuchtungskontrolle ausreichend weit gestreckt. Anschließend werden die Zugänge auf der Haut markiert (Abb. 5) und unter Durchleuchtung die Kamera im Gelenk sicher platziert.
Bei der autologen Knorpeltransplantation im Hüftgelenk wird in einem ersten arthroskopischen Eingriff der Defekt lokalisiert. Ist die Diagnose eines fokalen Knorpelschadens bestätigt, so wird der Defekt größenbestimmt und schon für die Transplantation vorbereitet. Die Extension wird dann aufgelöst und die Kamera am Schenkelhals platziert. Mittels einer Stanze werden zwei KnorpelKnochenzylinder aus dem nicht belastungsbildenden Anteil des Schenkelhalses herausgestanzt und zusammen mit 260 ml Patientenblut zur Weiterverarbeitung verschickt. Nach der Entnahme wird mittels Knochenfräse und anderer Instrumente die auslösende Pathologie beseitigt. So wird die CAMDeformität abgetragen und der Kopf-Schenkelhals-Übergang harmonisiert (Abb. 6). Auf gleiche Weise wird auch der Pfannen rand zurückgefräst, wobei hier eine begleitende Refixierung der Gelenklippe an den neuen Pfannenrand immer versucht werden sollte, solange die Gelenklippe eine Refixierung zulässt. Das Gelenk ist nun so weit vorbereitet, dass nach ca. sechs bis acht Wochen Knorpelanzüchtung nur noch die Transplantation erfolgen muss.
Nach Knorpelzüchtung – also sechs bis acht Wochen später – wird die Transplantation in gleicher Weise arthroskopisch durchgeführt. Nach Einstellung der Kamera auf den Defekt wird mit einer Kürette der Defektgrund bis auf die Knochenlamelle von Knorpelresten befreit und der Defektrand begradigt (Abb. 7). Darauf wird die Spülflüssigkeit abgelassen und der Defektgrund getrocknet. Der Applikator mit den Knorpelzellen gelangt nun über eine Halbrinne in das Gelenk und wird so im Defektareal platziert, dass vorsichtig die kleinen Sphäroide, die bis zu 200.000 Knorpelzellen führen können, eingesetzt werden. Mittels Tasthaken müssen anschließend die Sphäroide auf dem Grund flächig verteilt und das selbstständige Anhaften am Knochen abgewartet werden (Abb. 8).
Nachbehandlung
Die Nachbehandlung nach der autologen Knorpelzelltransplantation richtet sich nach der Biologie des Gewebes. So wird dem Patienten ein Nachbehandlungsschema ausgegeben, welches analog zur Nachbehandlung am Kniegelenk in drei Phasen eingeteilt ist.
Nach einer 48stündigen Bettruhe beginnt die Nachbehandlung mit der Proliferationsphase, also der Phase des Knorpelzellwachstums. Diese Phase umfasst ein Zeitfenster von sechs Wochen, in denen der Patient sein operiertes Bein mit maximal 20 % Körpergewicht belasten darf. Die Beugung wird aktiv auf 30° für drei Wochen, dann auf 60° für drei weitere Wochen begrenzt. Eine CPMSchiene für den häuslichen Trainingsgebrauch wird dem Patienten rezeptiert. In der zweiten Phase, die ebenfalls sechs Wochen umfasst, wird die Vollbelastung erreicht und der Patient kann auf Unterarmgehstützen verzichten. Der Knorpel ist noch nicht voll ausgehärtet, benötigt aber nun den Belastungsdruck, um seiner späteren Aufgabe gerecht werden zu können. Es schließt sich die Resorptionsphase an, die über drei Monate läuft und die dem Muskelaufbau und Kraftgewinn gewidmet ist.
Fazit
Die autologe Knorpelzelltransplantation ist ein Verfahren, welches punktuelle Knorpeldefekte zur Ausheilung bringt und bereits im Kniegelenk hervorragende Ergebnisse in den Langzeitstudien zeigt. Am Hüftgelenk etabliert sich dieses Verfahren zunehmend und bietet dem erfahrenen Hüftarthroskopeur und Knorpeltherapeuten eine sehr gute Möglichkeit zum Gelenkerhalt. Wichtig ist allerdings die zusätzliche Behandlung der Begleitpathologie, um ein erfolgreiches Behandlungsergebnis erzielen zu können. Das Verfahren und seine langwierige Nach behandlung müssen intensiv mit dem Patienten besprochen werden, um einen erfolgreichen Heilverlauf zu erzielen.