Mai 2022 – Ausgabe 39
Die extraartikuläre subtalare Arthrorise zur Behandlung des juvenilen symptomatischen Pes planovalgus
Dr. med. André Morawe
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Schlüsselwörter: juveniler Pes planovalgus, extraartikuläre Arthrorise, ProStop-Implantat, Plattfußkorrektur
Im Grundschulalter weist fast jedes Kind einen Pes planovalgus auf, bis zum Jugendalter korrigieren sich meistens Fußwölbung und Stellung spontan. Bei 2-3 % der Jugendlichen geschieht dies jedoch nicht, und in einigen Fällen lassen sich die entstandenen Fußbeschwerden nicht mit konservativen Maßnahmen beheben. Eine chirurgisch einfach durchzuführende und sehr verlässliche operative Behandlungsmethode, die extraartikuläre Arthrorise mit dem ProStop-Implantat, wird in diesem Beitrag vorgestellt.
Der juvenile Pes planovalgus zeigt sich durch eine Abflachung der Fußlängswölbung, einer vermehrten Vorfußabduktion und einen nach medial plantar fehlrotierten Taluskopf. Die jungen Patienten klagen in der Regel über Schmerzen in Projektion auf den Ansatz der Tibialis posterior Sehne, aber auch in deren Längsverlauf und im Bereich des Sinus tarsi. Einige Patienten verspüren weniger Schmerzen als vielmehr eine Instabilität und Schwäche im Fuß sowie einen zunehmenden Schuhkonflikt.
Bei Grundschulkindern ist von einer Prävalenz eines Pes planovalgus von bis zu 95 % auszugehen, wobei die Fußwölbung und Stellungskorrektur sich dann bis zum 12. Lebensjahr ausbildet. Bei ca. 23 % findet diese spontane Korrektur nicht statt und die Adoleszenten entwickeln einen schmerzhaften Pes planovalgus. Findet keine ausreichende Beschwerdereduktion und Rückbildung der Deformität statt und greifen konservative Therapiemaß nahmen wie sensomotorische Einlagen und Physiotherapie nicht, ist in solchen Fällen ein operativer Eingriff erörternswert. Bei der extraartikulären subtalaren Arthrorise mit TalusStoppSchrauben oder der hier vorgestellten ProStopImplantat, die in den Canalis tarsi implantiert wird, ist der Wirkmechanismus nicht abschließend geklärt. Es werden neben der mechanischen Verblockung der Pronation durch die Schraube auch neuropropriozeptive Effekte diskutiert. In der Kombination führt der mechanische Stress zu einer Aktivierung der Neuropropriozeption und zu einem Aufrichten des Fußes während des pubertären Längenwachstums.
Historie
Der Begriff Arthrorise leitet sich ab aus dem griechischen Wort „Arthron“ für Gelenk und „ereisis“, welches Aufrichten bedeutet. Das Prinzip wurde erstmals 1946 durch Chambers beschrieben, der einen Knochenspan im Sinus tarsi an den Kalkaneus angelagert hat, und dann 1952 von Grice weiterentwickelt als subtalare extraartikuläre Arthrorise mit Transplantation eines kortikospongiösen Spans zur Ausrichtung des Pes planovalgus. Seit 1974 werden künstliche Implantate eingesetzt, die Materialien reichen von Stahl über Keramik und Silikon bis hin zu den heutigen Titanimplantaten (Abb. 3).
Indikation
Neben der Anamnese wird die Indikation zur Operation nach Ausschöpfen der konservativen Therapiemaßnahmen durch die klinische Untersuchung und belastete Röntgenaufnahmen gestellt. In der Untersuchung findet sich bei Betrachtung der Patienten im Stand eine Abflachung der Fußlängswölbung in Kombination mit einer vermehrten Vorfußabduktion und Eversion des Fersenbeins (Abb. 1). Im Zehenspitzenstand richtet sich der Rückfuß in Varusstellung auf als Zeichen einer flexiblen PesplanovalgusFehlstellung (Abb. 2). In der Palpation finden sich typischerweise eine druckschmerzhafte TibialisposteriorSehne und Beschwerden im Sinus tarsiKomplex. Entscheidend ist an dieser Stelle, rigide Pes planovalgus Fehlstellungen, wie man sie typischerweise bei einer Koalitio findet, zu detektieren, da bei diesen die extraartikuläre Arthrorise kontraindiziert sind.
In den belasteten Röntgenaufnahmen wird der tarsometatarsale Index bestimmt in der Addition des dorsoplantaren und des lateralen TalusMetatarsale IWinkels und es werden die MearyLine sowie die Inkongruenz im TalonavikulareGelenk betrachtet. Ein symptomatischer Pes planovalgus mit einem TMT Index > 40° vor Beginn des pubertären Längenwachstums bis zu einem Alter von 13 Jahren – je nach biologischem Entwicklungsstand – profitiert durch eine Arthrorise (Abb. 4 und 5). Die Behandlung des adulten Plattfußes mit oben genannten Verfahren wird zwar immer wieder diskutiert, hier fehlen aber verlässliche Studien und finden in den Händen des Autors keine befriedigenden Ergebnisse.
Operationstechnik
Das ProStopImplantat der Firma Arthrex besteht aus einer Titanlegierung, ist konisch geformt, hat abgerundete Gewindegänge und wird in fünf Größen angeboten (Abb. 6). Es gehört zu den CanalistarsiImplantaten und muss von der TalusStoppSchraube, die in den Boden des Sinus tarsi eingebracht wird, unterschieden werden.
Die ProStopSchraube wird minimalinvasiv über eine Inzision im Bereich des Sinus tarsi eingebracht. In Allgemeinanästhesie wird zunächst der Führungsdraht von lateral in den Canalis tarsi eingeführt und medial palpiert zur sicheren Lagekontrolle. Nach Einführen eines Obturators werden die kanülierten Probeimplantate bis zur Mittelinie des Talus im anteriorposterioren Strahlengang eingebracht bis zu einer Größe, bei der in der funktionellen Untersuchung der Plattfuß aufgerichtet ist (Abb. 7). Anschließend erfolgt dann das definitive Einsetzen des Originalimplantates und der Wundverschluss nach abschließender radiologischer Kontrolle in zwei Ebenen (Abb. 8).
Das Verfahren kann bei entsprechender Indikation problemlos auch beidseits in einem Eingriff durchgeführt werden. Weiterführende chirurgische Maßnahmen, wie zum Bespiel ein medialer Weichteileingriff im Sinne von Sehnentransfers, TalonavikularGelenkkapselraffungen oder Rekonstruktionen des SpringLiga mentkomplexes, sind in dieser Altersgruppe in aller Regel nicht erforderlich.
Nachbehandlung
Unter ausreichender Analgesie erfolgt eine physiotherapeutisch angeleitete Mobilisation als schmerzadaptierte Vollbelastung an Unterarmgehstützen. Die meisten Patienten erreichen nach zwei Wochen ein physiologisches Gangbild, bei beidseitiger Operation verzögert sich die Rekonvaleszenz um circa weitere zwei Wochen; nach acht Wochen ist wieder Sportfähigkeit gegeben (Abb. 911).
Nach Abschluss des Längenwachstums können die Implantate entfernt werden, ein Korrekturverlust ist nicht zu beobachten. Bei verzögerter Heilung sind eine temporäre Einlagenunterstützung und eine kontinuierliche manualtherapeutische supportive Behandlung empfehlenswert.
Fazit
Die extraartikuläre Arthrorise mit dem ProStopImplantat ist eine chirurgisch einfach durchzuführende und sehr verlässliche Methode zur Behandlung des symptomatischen, präpubertären therapierefraktären Pes planovalgus mit niedriger Komplikationsrate bei richtiger Indikationsstellung. Die Indikation zur Operation muss sorgsam abgewogen werden. Es sollte eine flexible, symptomatische Fehlstellung vorliegen bei einem Lebensalter von 10 bis 13 Jahren.
Die aktuellen Studien beziehen sich zumeist auf die TalusStoppSchraube und zeigen gute und exzellente Ergebnisse bei 95 % der Patienten. Der TMTIndex verbessert sich signifikant und dient der Verlaufskontrolle. Dies deckt sich mit unserer Erfahrung bei über 200 implantierten ProStopSchrauben in den letzten 15 Jahren. Selten zeigte sich eine radiologische Dislokation des Implantats nach lateral um einen Gewindegang, ohne dass es zu einer operativen Revision oder einen relevanten Korrekturverlust kam.
In einem Fall musste das Implantat frühzeitig bei medialer Migration entfernt werden, welche auf eine Unterdimensionierung der Schraube zurückzuführen war.