Oktober 2020 – Ausgabe 36

Die Arthrodese – nicht das Ende aller Hoffnungen

Thermann

Prof. Dr. med. Hajo Thermann
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Liebe Leserinnen und Leser,

die Versteifung von großen und kleinen Gelenken war bis Mitte des letzten Jahr­hunderts ein Segen, um durch Arthrose und andere Erkrankungen zerstörte Gelenke in einer Position zu fixieren, die eine möglichst schmerzfreie und funk­tionale Nutzung der betroffenen Extremi­tät ermöglicht.

Über die Jahrzehnte mit ihren großen medizinischen Fortschritten scheint aus dem Segen ein Fluch geworden zu sein: Heute gilt die Arthrodese eher als Ver­sagen der Medizin, der es nicht gelungen ist, modernere Behandlungsansätze er­folgreich zu etablieren. Eine Zukunftsvisi­on, wie wir solche Gelenke irgendwann einmal ohne Versteifung wieder in Funkti­on bringen können, hat George Lucas in der Star­Wars­Episode „Das Imperium schlägt zurück“ an Luke Skywalker gezeigt. Seine zerstörte Hand und das Handgelenk wurden durch Robotik künst­lich ersetzt, wodurch die Extremität wie­der eine volle Funktion erhielt. Das ist aber gegenwärtig nicht die Zielrichtung von Operateuren, wenn die Extremität erhalten werden soll. Die Versteifung ist heutzutage „end stage“, nachdem wir alle rekon­struktiven Waffen gestreckt haben. Sie wird von den Patienten nicht zu Unrecht als Verkrüppelung angesehen, da in unserer mobilen Gesellschaft diese Einschränkung der Bewegungskette nur schwerlich akzeptiert wird.

Dennoch haben Arthrodesen ihre Berech­tigung, da sie zumindest eine eingeschränkte Mobilität und Extremitätenfunk­tion ermöglichen. Dies gilt insbesondere für die großen Gelenke der unteren Extre­mität, also für Hüfte und Knie, aber auch für Ellenbogen­ und Schultergelenk. Gera­de bei der Arthrodese der oberen Extre­mität ist die fachgerechte Fixierung der Extremität in der optimalen, sorgfältig geplanten Stellung ganz besonders wich­tig, damit Funktionen wie der Griff an den Kopf zum Rasieren und Frisieren, das Erreichen der Leiste oder des Gürtels mit der Hand wieder ermöglicht werden.
Bei der Ellenbogenarthrodese ist das wichtigste Ziel, mit der Hand zum Mund zu gelangen, um essen zu können.

Insbesondere Arthrodesen der oberen Extremität mit weniger redundanten Kno­chenstrukturen führen jedoch nicht selten zu Falschgelenkbildungen mit Instabili­täten und somit zu einem Versagen der Einsteifung, sodass die erhoffte Funktion nicht möglich wird. Arthrodesen am Hand­gelenk, im Sprunggelenk­ oder Fußbe­reich sind gerade auch bei arthrotischen Veränderungen immer noch eine Standartherapie, da die Endoprothetik z. B. am oberen Sprunggelenk noch nicht die Erfolgsquoten erreicht wie beim Knie­ oder Hüftgelenk. Bei kleineren Gelenken oder im unteren Sprunggelenk gibt es bisher noch gar keine erfolgreiche endo­prothetische Versorgung.

Ist die Konversion der Arthrodese in eine Endoprothese ein Ausweg?

Das Leben mit einer Versteifung kann Menschen in die Verzweiflung führen. Kim et al. berichten, dass zwei von drei Patienten nach Kniegelenksversteifung Suizidgedanken hatten, sodass die Kon­version einer Arthrodese in eine Endoprothese erörtert und dann auch durch­geführt wurde. Starke Beschwerden und psychische Belastungen sind fraglos ein Grund, der nach ausführlicher Diskussion mit dem Patienten zur Aufhebung einer Ar­throdese und zur Konversion in eine Hüft­- oder Knieendoprothese führen kann. Die Literatur zeigt jedoch bei derartigen Kon­versionen erhebliche Probleme mit hohen Komplikationsraten und fortbestehenden Schmerzen. Eine erneute Versteifung auf­grund des Misserfolges der Konversion ist nicht selten, sodass hier aus meiner Sicht extrem vorsichtig und sehr überlegt vorgegangen werden muss. Expertise, Erfahrung und die Skills des Operateurs stehen ganz im Vordergrund, um ein ad­äquates Operationsergebnis zu erzielen.

Die Arthrodese wird also im Behandlungs­spektrum der orthopädischen Chirurgie bleiben, solange nicht George Lucas` Visionen wahr geworden sind. Für unsere Patienten ist jedoch zu wünschen, dass Arthrodesen wirklich nur in sehr einge­schränktem Umfang durchgeführt werden müssen.