Mai 2022 – Ausgabe 39

Diagnose Tennisellenbogen – aktuelle Behandlungskonzepte

Schnetzke

Prof. Dr. med. Marc Schnetzke
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Dr. med. Sven Lichtenberg
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Prof. Dr. med. Markus Loew
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Schlüsselwörter: Tennisellenbogen, laterale Epikondylopathie, Supinatorlogensyndrom, Ellenbogeninstabilität

Am „Tennisellenbogen“ leiden nicht nur Tennisspieler, sondern auch Klempner oder Schreiner, denn auch bei diesen degenerieren durch chronische Überlastung die Sehnenansätze und verursachen eine laterale Epikondylopathie. Sie wird zunächst konservativ behandelt und erst bei mangelndem Therapieerfolg operativ versorgt.

Die Begrifflichkeit „Tennisellenbogen“ als Synonym für den lateralen Ellenbogen­schmerz wurde Anfang des 20. Jahrhun­derts in den Vereinigten Staaten geprägt. Epidemiologische Untersuchungen gehen von einer Prävalenz des „Tennisellen­bogens“ in der Allgemeinbevölkerung von etwa 3 % aus. In der Altersgruppe zwi­schen dem 40. und 50. Lebensjahr steigt die Prävalenz auf 19 % an. Geschlechts­spezifische Unterschiede bestehen nicht, vielmehr ist der sogenannte „Tennisellen­bogen“ belastungsinduziert. Tatsächlich liegt bei Tennisspieler:innen die Wahr­scheinlichkeit, im Laufe der aktiven Karriere an einem „Tennisellenbogen“ zu erkran­ken, bei bis zu 50 %.

Infolge einer dauerhaften (Über­) Belas­tung entstehen Mikroeinrisse im Ansatz­bereich der Extensorensehne. Aufgrund einer schlechten lokalen Durchblutung und damit einer fehlenden Regeneration des Sehnengewebes kommt es zur fortschreitenden Sehnendegeneration. Beim Tennisellenbogen handelt es sich somit nicht um eine Entzündung, wie die Begrifflichkeit „Epikondylitis“ nahelegt, sondern vielmehr um eine Degeneration der Sehnenansätze (sog. laterale Epikon­dylopathie). Im schlimmsten Fall kann es als Folge der Degeneration zu einem partiellen oder vollständigen Abriss der Extensorensehnen vom Epikondylus kommen. Neben sportlichen Tätigkeiten sind auch Berufe wie z. B. in der Fleisch­verarbeitung, als Schreiner oder beim Klempner anfällig für eine Epikondylopathie am Ellenbogen.

Klinische Untersuchung und Differentialdiagnosen

In der Anamnese werden zuerst poten­zielle Auslöser für den lateralen Ellen­bogenschmerz identifiziert und – sofern möglich – diese Auslöser eliminiert, z. B. durch eine Optimierung der Technik und des Bewegungsablaufes beim Tennis-­ oder Golfspiel oder durch Anpassung der technischen Ausrüstung (z. B. Wechsel auf einen anderen Tennisschläger oder eine andere Besaitung). Insbesondere bei Ausbleiben einer Beschwerdebesserung unter der eingeleiteten konservativen und gegebenenfalls operativen Therapie sind wichtige Differentialdiagnosen wie das Supinatorlogensyndrom oder eine Ellenbogeninstabilität in Betracht zu ziehen.

Das Supinatorlogensyndrom wird durch eine Kompression des tiefen Astes des N. radialis verursacht und kann ähnliche Symptome wie die laterale Epikon­dylopathie hervorrufen. Die laterale Ellenbogeninstabilität tritt am häufigsten posttraumatisch nach stattgehabter Ellenbogenluxation auf. Eine Schädigung der Extensorensehnen z. B. durch Kortisoninfiltration oder bei ausbleibender Sehnenheilung nach operativer Therapie kann ebenfalls zu einer lateralen Ellen­bogeninstabilität führen.

Der sogenannte „Pinzettengriff“ (Abb. 1) ist ein guter klinischer Test zur Überprü­fung einer lateralen Ellenbogeninstabilität. Lässt sich der Radiuskopf im Seiten­vergleich auf der betroffenen Seite weiter nach posterior bewegen, besteht der Verdacht auf Vorliegen einer sog. post­erolateralen Rotationsinstabilität.

Aktuelle konservative Behandlungsmethoden

Für die konservative Behandlung der lateralen Epikondylopathie sind über 40 Verfahren beschrieben. Als physiothera­peutische Maßnahmen werden Dehn-­ und Kräftigungsübungen (exzentrisches Dehnen in Anlehnung an die Therapie der Non­Insertionstendopathie der Achilles­sehne) empfohlen, häufig in Kombination mit physikalischen Anwendungen wie z. B. lokaler Ultraschallbehandlung, Elektro­therapie und Querfriktion nach Cyriax.

Die Infiltration von Kortison ist immer noch weit verbreitet und hat häufig einen guten schmerzstillenden Effekt in den ersten Wochen. Der Einsatz von Kortison in der Behandlung von Insertionstendinopathien ist allerdings kritisch zu sehen. In Studien konnte gezeigt werden, dass Kortikoide langfristig keinen oder weniger Effekt haben als Plazebo- und Physiotherapie. Im schlimmsten Fall schädigen die wiederholten Infiltrationen das Sehnen­gewebe, und es kann dadurch zur Ruptur der Extensoren und des lateralen Seiten­ bandkomplexes mit ggf. konsekutiver Ellenbogeninstabilität kommen.

Als sinnvolle Alternative zur Kortison­infiltration hat sich in den vergangenen Jahren die Anwendung von Eigenblut
(z. B. ACP = Autologes Conditioniertes Plasma) etabliert. In prospektiven Studien konnte ACP im Vergleich zur Plazebo­gruppe eine signifikante Verbesserung hinsichtlich einer Schmerzreduktion erzielen. Nebenwirkungen infolge der Anwendung von ACP sind bislang nicht bekannt.

Aktuelle operative Behandlungsmethoden

Bei frustraner konservativer Therapie über mindestens sechs Monate und/oder einer in der Kernspintomographie nach­ gewiesenen Sehnenschädigung ist eine operative Therapie indiziert. Im eigenen Vorgehen führen wir vorab eine diagnos­tische Arthroskopie des Ellenbogens zum Ausschluss von Begleitläsionen (z. B. Plica humeroradialis, Instabilität) durch. Anschließend wird das geschädigte Seh­nengewebe über einen kleinen Schnitt über dem Epikondylus unter Schonung des Kapsel­Band­Apparates abgelöst und eine Denervierung am Epikondylus durch­geführt (Abb. 2; entspricht dem Prinzip der OP nach Hohmann/Wilhelm). Das abgelöste Sehnengewebe wird mit einem Fadenanker oder transossär refixiert. Dies dient zum Schutz der Sehneneinheilung und verhindert Einheilungsstörungen sowie den Verlust der aktiven Stabili­satorenfunktion.

Um eine iatrogene Instabilität zu vermei­den, gilt es, die vermeintlich „einfache“ Einkerbung sorgfältig und limitiert und unter absolut gesicherter Schonung der Kapsel und des radialen Bandapparates durchzuführen.