Mai 2024 – Ausgabe 43

Der Pes cavo-varus

Dr. med. Markus Preis

Dr. med. Markus Preis
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Schlüsselwörter: Hohlfuß, Sprunggelenksarthrose, OSG-Instabilität, Peronealsehnenruptur, Hereditäre sensomotorische Neuropathie (HSMN), neurogener Hohlfuß

Der Pes cavo-varus ist eine der komplexesten Veränderungen des Fußes. Neuropathische Erkrankungen stehen als Ursache im Vordergrund, aber auch posttraumatische und idiopathische Deformitäten kommen vor. Für die Wahl der operativen Maßnahmen spielt die Ursache eine maßgebliche Rolle. In diesem Beitrag werden anhand von Beispielen operative Therapien für den neurogenen und den nicht neurogenen Pes cavo-varus vorgestellt.

Die Definition des Hohlfußes (Pes cavus) wird im Standardwerk „Der Hohlfuß“ von Leonhard Döderlein passend beschrieben. Es handelt sich um eine fixierte Plantarflexions-Fehlstellung des Vorfußes im Verhältnis zum Rückfuß, die sich unter Belastung nicht ausrichten lässt. Krallen- oder Klauenzehen begleiten diese Deformität in der Regel. Mindestens das Os metatarsale 1 ist plantarflektiert, es kann aber auch alle Metatarsalia betreffen. Da es sich um eine dreidimensionale Deformität handelt, kann der Rückfuß in der sagittalen Ebene eine Neutral-, Spitz- oder Hackenfußposition einnehmen. In der Frontalebene zeigt sich in der Regel eine Varus- oder Neutralposition, selten aber auch eine leichte Valgusposition.

In der Literatur wird die Cavo-varus-Deformität einstimmig als eine der komplexesten und verwirrendsten aller Veränderungen des Fußes beschrieben (Coleman 1983, Banks 1992), was bereits die eingangs erwähnte Deformitätenbeschreibung unterstreicht. Somit erklärt sich auch die Schwierigkeit, die richtige Therapie zu indizieren.

Die Ursachen der Deformität sind vielfältig. An erster Stelle stehen neuropathische Erkrankungen wie die hereditäre sensomotorische Neuropathie (HSMN), Muskelatrophien vom Typ Duchenne oder auch Nervenläsionen z. B. des N. ischiadicus.

Davon zu unterscheiden sind zum einen die posttraumatischen Deformitäten mit Weichteilschäden oder knöchernen Fehlstellungen, zum anderen finden wir idiopathische Cavo-varus-Fehlstellungen u. a. bei subtalarer Coalitio, postoperativ oder auch als Klumpfußfolge.

In der Literatur postulieren Giannini und Beliefre, dass ein idiopathischer Cavus-­Fuß immer eine neuropathische Ursache habe. Schon 1963 fand Brewerton in seinem Patientengut (n=77) bei 66 % eine neuropathische Ursache für die Deformität. Dwyer publizierte 1975, dass 52 % von 118 Patientinnen und Patienten mit Cavus­Fuß eine Neuropathie aufwiesen.

Im klinischen Alltag werden wir häufig mit kombinierten Problemen konfrontiert. Dies ist auf die besondere Biomechanik des Rückfußes zurückzuführen. Insbesondere Sportlerinnen und Sportler mit einer Hohlfuß-Anatomie haben ein deutlich erhöhtes Risiko, bei rezidivierenden Distorsionstraumen eine chronische Instabilität des lateralen oberen Sprunggelenks zu entwickeln. Die peroneale Sehnengruppe zeigt in diesen Fällen eine deutliche funktionelle Überlastung. Zum einen kann es hier zu Längsrupturen der Peronaeus-brevis-Sehne kommen, zum anderen führt der Hypertonus der Peronaeus-longus-­Sehne zu einer vermehrten Plantarisierung des 1. Mittelfußstrahls durch seine Insertion an der Basis des Metatarsale 1. Im weiteren zeitlichen Verlauf kommt es zu einer vermehrten Adduktion des Vor-und Mittelfußes, das Längsgewölbe im Bereich des Talonavikulargelenks wird kontrakt und der Rückfuß rotiert zunehmend in eine Varusposition. Sobald der Kalkaneus über die Neutralposition nach medial rotiert ist, kommt es durch die hohe Zugkraft der Achillessehne zu einer weiteren Varisierung der Ferse. Weitere Distorsionstraumen mit entsprechender Schä­digung der Gelenke sind die Folge. Am Ende der Kette steht eine ausgeprägte Varusarthrose des OSG, welche aktiv und passiv nicht mehr auszugleichen ist.

Diagnostik

Vor jeder Therapie steht eine Diagnose und für die korrekte Diagnose bedarf es der richtigen Diagnostik. Um die statische Pathologie korrekt zu erfassen, sind belastete standardisierte konventionelle Röntgenaufnahmen indiziert (Abb. 1a-d).

Ergänzend ist hier für eine operative Planung eine digitale Volumentomographie (DVT) im Stehen unter Belastung indiziert. Hierbei handelt es sich um eine Dünnschicht-Computertomographie (Conebeam-CT) mit einer Auflösung bis zu 0,2 mm, die aufgrund des SULD-Modus (Super-ultra-low-dose) eine Strahlenexposition vergleichbar mit einem konventionellen Röntgenbild in zwei Ebenen aufweist. Diese beträgt damit nur etwa ein Zehntel der Belastung einer konventionellen CT. Gerade bei komplexen Fehlstellungen kann eine genaue Zuordnung der knöchernen Pathologien für die operative Planung sehr wichtig sein. Abhängig vom klinischen Befund der unteren Extremität ist zusätzlich noch eine Röntgen-Ganzbeinstandaufnahme indiziert.

Unser höchstrangiges operatives Ziel ist eine gelenkerhaltende Rekonstruktion des Fußes. Dies gilt insbesondere für das obere Sprunggelenk. Hier kann eine DVT-Untersuchung unter Belastung mit Kontrastmittel genaue Informationen über das Ausmaß des artikulären Knorpelschadens geben (Abb. 2a-e).

Gerade bei neurologischen Pathologien sind eine Bewegungsanalyse mittels Laufband und eine Druckmessung sinnvoll. Funktionelle Defizite werden auf diese Weise aufgedeckt und dokumentiert (Abb. 3).

Therapie

In der Wahl der operativen Maßnahmen zur Korrektur des Cavo-varus-Fußes ist es von essenzieller Bedeutung, ob eine neurologische Pathologie vorliegt oder ob es sich um die Folgen degenerativer und traumatischer Prozesse handelt. Meist werden die Patientinnen und Patienten erst vorstellig, wenn sie sich durch Beschwerden dauerhaft beeinträchtigt fühlen, die auf der Visuellen Analogskala (VAS, Werte von 0-10) im Bereich von 6-7 liegen. Die Schäden sind dann jedoch oft so weit fortgeschritten, dass konservative Maßnahmen nicht mehr indiziert sind.

Konservative Therapie

In frühen Stadien des flexiblen, funktionell ausgleichbaren Cavo-varus-Fußes können physiotherapeutische Übungen zur Kräftigung des Rückfußes und koordinatives Training verordnet werden. Entscheidend ist hier die Anleitung zur Selbsttherapie. Unterstützend können Einlagen mit einer Außenranderhöhung von maximal 4 mm und eine Detorsionsstütze unter dem Köpfchen des Metatarsale 5 zur Aktivierung der Peronaeus-brevis-Sehne eingesetzt werden. Bei sportlichen Belastungen wird eine stabilisierende Sprunggelenks-Orthese verordnet.

Nicht-Neurogener Pes cavo-varus: Operative Therapie bei flexiblem Rückfuß

Das operative Ziel ist eine Rebalancierung des Rückfußes und die Entlastung des medialen Gewölbes mit Korrektur und 90°-Ausrichtung des Talus zur Belastungsachse des Beines. In der operativen Planung sind die Pathologien zu identifizieren und entsprechend zu adressieren (Tabelle 1).

Nicht-Neurogener Pes cavo-varus: Operative Therapie bei kontraktem Rückfuß

Exemplarisch zeigt der Fall dieses 52-jährigen Patienten ohne neurologische Pathologie die Folgen einer chronischen Instabilität des OSG nach zahlreichen Distorsionen und Bandverletzungen als Amateurfußballer (Abb. 4a-d). Anatomisch findet sich auf der Gegenseite ebenfalls ein deutlicher Pes cavus.

Abb. 5 zeigt die postoperative Kontrolle nach Triple-Arthrodese nach Lambrinudi, OSG-Arthrolyse, lateraler Rekonstruktion nach Brostroem / Gould sowie Longus-­auf-Brevis-Transfer und Metatarsale 1-Osteotomie nach Tubby. Bei der Kontrolle nach neun Monaten ist der Fuß voll belastbar (Abb. 6 und 7). Der Patient gibt nur noch sehr geringe Beschwerden an (VAS reduziert auf 0-2) und hat eine freie Wegstrecke.

Die Rekonstruktion des Rückfußes zeigte im Zweijahresverlauf eine erstaunliche Regeneration des OSG, sodass die zunächst geplante Prothesenversorgung des OSG nicht mehr indiziert war.

Neurogener Pes cavo-varus: Operative Therapie bei kontraktem Rückfuß

Der erste grundsätzliche Unterschied bei neurologisch geschädigten Füßen besteht in einer operativen Versorgung ohne Blutleere, um keine weitere Nervenläsion zu provozieren und die Sauerstoffversorgung der neuralen Strukturen nicht zu unterbrechen.

Im Rahmen z. B. einer Hereditären sensomotorischen Neuropathie (HSMN) kommt es u. a. zu Ausfällen der peronealen Muskelgruppen und einer deutlichen funktionellen Dysbalance des Rückfußes. Im Vorfeld der operativen Planung ist sehr genau zu differenzieren, welche Muskelgruppen entsprechend neuronal versorgt werden. Es empfiehlt sich, eine neurologische Untersuchung und Messung durchzuführen, da das Ergebnis direkten Einfluss auf die operative Planung hat. Auf­grund der vorhandenen Defizite kommen hier gehäuft Arthrodesen und Sehnentransfers zum Einsatz. Da die Pathologien sehr unterschiedlich sind, gibt es jedoch kein allgemeingültiges Vorgehen. Jede Pathologie gilt es individuell zu betrachten.

In diesem Fall eines 55-jährigen Patienten mit HSMN und Pes cavo-varus beidseits (Abb. 8a-c) bestand eine ausgeprägte mediale Arthrose des OSG, links stärker als rechts. Klinisch und neurologisch besteht ein kompletter Ausfall der peronealen Muskulatur, sodass neben der Weichteilrekonstruktion mit lateraler Tenodese eine Extensor digitorum longus-Rückverlagerung notwendig wurde. Die fixierte Mittelfußstellung wurde mit einer derotierenden und elevierenden Chopart-Arthrodese korrigiert. Das mediale Gewölbe wurde zusätzlich durch die elevierende Metatarsale 1-Osteotomie nach Tubby entlastet. Das Ergebnis nach sechs Monaten zeigt Abb. 9.

Nachbehandlung

Die Intensität der Nachbehandlung ist stark abhängig von der Compliance und der Aktivität des Patienten. Es ist wichtig, im Vorfeld der OP zu verdeutlichen, dass die Nachbehandlungsphase zwischen 6 und 12 Monaten beträgt.

Postoperativ ist zunächst Ruhe und Hochlagern des Fußes notwendig mit Ruhigstellung in Neutralposition. Nach Entfernung der Fäden am zwölften Tag erfolgt dann eine weitere Stabilisierung des OP-Ergebnisses durch zirkuläre Gips- oder Walkerbehandlung für weitere vier Wochen mit Mobilisation an Unterarm-Gehstützen und 10 bis 20 Kilogramm Teilbelastung. Sechs Wochen postoperativ erfolgt dann eine Röntgenkontrolle. Bei zeitgerechter knöcherner Konsolidierung werden die Patienten ab der 7. postoperativen Woche mit einer zuvor vermessenen und gefertigten Orthese aus Carbon (DAFO; Dynamic An­cle Foot Orthesis) für weitere 6 bis 12 Wochen versorgt (Abb. 10), abhängig vom Ausmaß der knöchernen Korrekturen. Nach Entfernen der Orthese erfolgt die weitere Belastungssteigerung mit ange­passten Einlagen, einem Schuh mit Sohlenversteifung und Mittelfußrolle, um das operative Ergebnis zusätzlich zu schützen.

Fazit

Zur standardisierten Diagnostik des Pes cavo-varus gehören Röntgenaufnahmen des Fußes und Sprunggelenks unter Belastung. Ergänzt wird dies durch Dünnschicht-CT-Aufnahmen unter Belastung (DVT). Die operative Versorgung bedarf einer ausgesprochenen fußchirurgischen Expertise, um die Komplexität zu analysieren und eine stadiengerechte Therapie einzuleiten.

Die enge Patientenführung ist ein wesentlicher Bestandteil einer erfolgreichen Therapie. Es gilt klar zu verdeutlichen, dass der Nachbehandlungszeitraum nach einer operativen Versorgung in der Regel sechs Monate beträgt. Auch kann eine Schmerzfreiheit nicht garantiert werden, da die Funktion und Stellung des Fußes erst nach Erlangung der Vollbelastung abschließend beurteilt werden können.

Ein wesentlicher Bestandteil der Behandlung ist die orthopädietechnische Versorgung der Patientinnen und Patienten. Sie beinhaltet Einlagenversorgung, Schuhzurichtungen oder auch orthopädische Schuhe. Da sich ein Fuß im weiteren Verlauf unter den veränderten biomechanischen Achsen weiter verändern kann, sind regelmäßige Kontrollen indiziert.

Trotz aller dieser Widrigkeiten und Risiken bleibt oft nur die operative Versorgung eines Cavo-varus-Fußes, um das „Schlüsselgelenk“ OSG zu schützen bzw. durch die Operation die fehlerhafte Achse des Gelenkes zu korrigieren. Ohne eine solche Korrektur des Fußes wird sich die Arthrose des Gelenkes verschlechtern. Hinzu kommt, dass bei einer derartigen Fehlstellung des OSG eine OSG-Prothesenimplantation kontraindiziert wäre.

Zusammenfassend muss festgehalten werden, dass die Korrekturen eines Pes cavo-varus sehr komplex sind, es kein vereinheitlichtes Therapieschema gibt, aber am Ende nur durch die entsprechenden Maßnahmen gravierende Folgen vermieden werden können. Die Therapie erfordert eine enge Zusammenarbeit zwischen Arzt und Patient oder Patientin unter Begleitung der technischen Schuh­orthopädie und der Physiotherapie.