Oktober 2024 – Ausgabe 44
Das Patientenmanagement der Zukunft
Von Thorsten Reinhardt
Der Begriff „Digitalisierung“ ist auch im Gesundheitswesen in aller Munde, obwohl man bei deren Umsetzung häufig den Eindruck gewinnen kann, dass die technischen Möglichkeiten nur unzureichend genutzt werden. Ursächlich dafür sind hohe Datenschutzanforderungen im Umgang mit Gesundheitsdaten, Systembrüche in der IT zwischen den Leistungserbringern Arzt und Krankenhaus sowie gesetzliche und regulatorische Anforderungen. Bei ATOS stellen wir uns die Frage, wie die verfügbaren technischen Möglichkeiten genutzt werden können, um die Kommunikation mit Patientinnen und Patienten trotz steigender Anforderungen an Formvorschriften zu Vertragsgestaltung und Datenschutz niederschwelliger und serviceorientierter zu gestalten.
Ein Bot für Fragen rund um die medizinische Behandlung in der ATOS Klinik
Trotz unseres Bemühens um einen übersichtlichen und informativen Webauftritt finden sich unsere Patientinnen und Patienten dort oft nur schwer zurecht. Das beginnt bereits bei der Suche nach einem für die jeweilige Erkrankung geeigneten Arzt. Die Vielzahl der Profile macht die Auswahl schwer und man muss im Zweifel die Homepage mit den vielen unterschiedlichen Fachärzten gründlich studieren, um den passenden Spezialisten zu finden und dort nach einem Termin anzufragen. Um diesem Umstand abzuhelfen, setzen wir seit wenigen Monaten einen Bot ein, der die Interessenten an die Hand nimmt und nach wenigen gezielten Klicks eine Auswahl der für das jeweilige Krankheitsbild passenden Spezialisten anzeigt (Abb. 1). Von dort aus kommt man mit einem weiteren Klick zum Online-Terminvereinbarungsprogramm des gewählten Facharztes, sodass der Prozess der Auswahl eines Behandlers sowie der anschließenden Terminvereinbarung deutlich verkürzt wird.
Anfragen, die im bisherigen Prozess in einem Mail-Postfach eingingen und manuell bearbeitet werden mussten, entfallen in diesem Zuge. Der Bot bietet daher einen Mehrwert für alle Beteiligten. Die Weiterentwicklung der Funktionalitäten des Bots bietet darüber hinaus in der Zukunft ungeahnte Möglichkeiten. So können mittlerweile auch offene Fragen gestellt werden, die der Bot zielgerichtet beantworten kann. Telefonische Anfragen zu häufig wiederkehrenden Fragestellungen können damit deutlich reduziert werden.
Aaron – Der elektronische Telefonassistent
Jeder kennt das Problem mit der telefonischen Erreichbarkeit einer Facharztpraxis, gerade zu Spitzenzeiten am Montagvormittag. Leider ist ein Standard-Anrufbeantworter oftmals keine geeignete Lösung, weil er aufwendig abgehört und die Patienten zurückgerufen werden müssen. Der elektronische Telefonassistent Aaron bietet hier eine interessante Alternative, weil er kurze Dialoge mit Patientinnen und Patienten führen und deren Antworten der Praxis in transkribierter Form zur Verfügung stellt. Die Praxis kann so die Fragestellung wie bei einer Mail lesen und ggfs. ergänzend am PC abhören und wie bei einer Mail eine Antwort senden, die dann beim Anrufer als SMS erscheint. Erste Praxen in der ATOS Klinik Heidelberg haben mit Aaron bereits positive Erfahrungen gesammelt und so ihre Kommunikationsprozesse deutlich verschlanken können.
Digitale Bearbeitung von Formularen und Vertragsunterlagen
Auch bei der Abwicklung der Vertragsgestaltung im Vorfeld einer stationären Behandlung sind die Möglichkeiten der Digitalisierung eine große Erleichterung. Mussten Patientinnen und Patienten in der Vergangenheit am Tag der Aufnahme, oftmals kurz vor der Operation, Behandlungsverträge lesen, ausfüllen und unterschreiben, so nutzt die ATOS Klinik Heidelberg seit einiger Zeit das System Docusign für das Vertragsmanagement. Darüber erhalten alle Patientinnen und Patienten bereits drei Wochen vor der stationären Aufnahme über einen datengesicherten Link alle Unterlagen übersandt und können diese zu Hause in Ruhe lesen, ausfüllen und unterschreiben und somit auch mögliche offene Fragen bereits im Vorfeld klären. Die Bearbeitung ist sowohl am Computer als auch am Smartphone möglich und auch für Menschen ohne besonderen technischen Sachverstand kinderleicht. Nach Abschluss der Bearbeitung der Unterlagen gehen diese automatisch an die Klinik zurück und bieten eine hervorragende Grundlage für eine Vorbereitung der stationären Behandlung sowie eine Vermeidung von Stress am Tag der stationären Aufnahme.
KI bei der Kodierung von medizinischen Leistungen
Die korrekte Abrechnung medizinischer Leistungen erfordert von den Mitarbeitenden Erfahrung und Umsicht. Gerade in Zeiten des Fachkräftemangels besteht das Risiko von fehlerhaften Abrechnungen.
In der Orthopädie ist der Operationsbericht die wesentliche Grundlage für die sachgerechte Kodierung von Leistungen. Gemeinsam mit dem Start-up Lazy8Labs haben wir mit dem automatisierten Auslesen von OP-Berichten begonnen. Dafür hat eine KI mehrere Tausend OP-Berichte gelesen und dabei gelernt, welche Codes zu verschlüsseln sind. Bisher ist die Erkennungsrate noch nicht perfekt, aber das System lernt schnell dazu, sodass es nach einiger Zeit eine wertvolle Unterstützung werden wird und in der Zukunft zumindest einfache und mittelschwere Kodierungen eigenständig vornehmen kann. Das entlastet unsere Mitarbeitenden von Routinetätigkeiten und hilft bei der Vermeidung von Fehlern.
Ausblick
Diese vier kleinen Praxisbeispiele sind nur der Beginn einer neuen Epoche. Der zunehmende Fachkräftemangel und die demografische Entwicklung machen weitere Anstrengungen erforderlich, um den Menschen bei Routinetätigkeiten oder bei einfachen manuellen Aufgaben zu entlasten.
Ergänzend werden Wearables wie Fitnesstracker zukünftig immer mehr Daten in einer ständig steigenden Qualität erfassen und in absehbarer Zeit die manuelle Vitalwerterfassung ersetzen. Sie werden dabei helfen, mithilfe von Algorithmen bestimmte Erkrankungen frühzeitig zu erkennen oder gar zu prognostizieren. Das wird dazu beitragen, die Sicherheit und Qualität in der Medizin weiter zu verbessern.