Oktober 2021 – Ausgabe 38

Beidseitige Hüftprothese – eine oder zwei Operationen?

Prof. Dr. med. Fritz Thorey
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Keywords: Hüftprothese, beidseits, simultan, minimalinvasiv

Die Implantation einer Hüftendoprothese (Hüft-TEP) gilt als eine der erfolgreichsten Operationen in der Orthopädie und ist die effektivste Behandlung bei einer fortgeschrittenen Hüftarthrose. Sind beide Hüftgelenke betroffen, stellt sich für den Patienten häufig die Frage, ob dieses in einer Operation (einzeitig, simultan) oder in zwei getrennten Eingriffen (zweizeitig) operiert werden könnte oder sollte (Abb. 1).

Diese Entscheidung wird heutzutage immer noch kontrovers diskutiert, obwohl die Datenlage relativ eindeutig ist: Eine simultane beidseitige Versorgung weist keine signifikanten Unterschiede in Bezug auf kardiopulmonale Komplikationen, thromboembolische Ereignisse, Schlaganfall, Infektion der Operationsstelle und Rate an allogenen Transfusionen im Ver- gleich zu einer zweizeitigen Versorgung auf. Darüber hinaus kann eine sorgfältige Patientenselektion (ASA 1 und 2) die Risiken der simultanen bilateralen Hüftprothesenoperation weiter minimieren und die Wahrscheinlichkeit konsistenter erfolgreicher Ergebnisse erhöhen.

Historie

Die Idee, beide Hüftgelenke in einem Eingriff zu versorgen, ist nicht neu. 1971 wurde erstmals von Jaffé und Charnley beschrieben, dass man Patientin simultan beidseits versorgt und dadurch sehr gute Ergebnisse erzielt hat. Diese Ergebnisse sind gerade in Hinblick auf die noch sehr invasiven Operationstechniken der damaligen Zeit überraschend.

In den letzten drei Jahrzehnten haben mehrere Studien das Outcome und die Sicherheit der einzeitigen beidseitigen Hüft-TEP im Vergleich zur zweizeitigen Versorgung beschrieben. Dabei konnte bereits in früheren Studien gezeigt werden, dass die einzeitige Versorgung zu einem kürzeren Krankenhausaufenthalt, zu einer kürzeren Dauer der Anästhesie- und Operationszeit und zur schnelleren Rehabilitation sowie zu einer Verbesserung der Kosteneffektivität geführt hat. Es gibt jedoch auch (wenige) andere Studien, die ergeben haben, dass eine einzeitige Versorgung mit einem erhöhten Auftreten von tiefen Venenthrombosen (DVT) und einer erhöhten Morbidität verbunden sein soll.

Aktuelle Metaanalysen

Um eine gute Übersicht über die aktuellen und früheren Studien zu erarbeiten und den Vergleich der beiden Vorgehensweisen zu analysieren, haben Shao et al. in einer 2017 veröffentlichten Publikation 13 Studien mit insgesamt 17.762 einzeitig und 46.147 zweizeitig versorgten Patienten analysiert, um eine Aussage über die Komplikationen in jeder Gruppe machen zu können. Hierbei konnte gezeigt werden, dass in der Gruppe der simultanen einzeitig operierten Hüftprothesen die Patienten ein geringeres Risiko für schwerwiegende systemische Komplikationen, weniger tiefe Venenthrombosen und eine kürzere Operationszeit im Vergleich zur zweizeitigen bilateralen Versorgung aufwiesen. Es gab keine signifikanten Unterschiede hinsichtlich Mortalität, Lungenembolien, kardiovaskulären Komplikationen, Infektionen, kleineren Komplikationen und anderen chirurgischen Komplikationen zwischen den beiden Verfahren. Die Autoren kamen zu dem Schluss, dass die einzeitige simultane der zweizeitigen bilateralen Hüft-TEP in Bezug auf die wichtigsten systemischen Komplikationen, die tiefe Venenthrombose und die Operationszeit, im Vergleich zur zweizeitigen bilateralen HTEP überlegen ist.

Um die in früheren Studien beschriebene höhere Rate tiefer Venenthrombosen (DVT) und erhöhter Morbidität zu analysieren, haben Huang et al. 2019 eine Analyse der aktuellen Studienlage durchgeführt, bei der insbesondere die Mortalität und die Komplikationen in Bezug zu einer einzeitigen oder zweizeitigen Hüftoperation gesetzt wurden. Insbesondere die Mortalität, das Auftreten einer tiefen Venenthrombose (DVT), das Auftreten einer Lungenembolie (PE), respiratorische Komplikationen, kardiovaskuläre Komplikationen, Komplikationen des Verdauungssystems und das Auftreten einer Luxation wurden untersucht. Aus 19 Studien wurden insgesamt 16.758 einzeitige und 42.499 zweizeitige Hüftoperationen analysiert. Die Ergebnisse der Analyse zeigten, dass es auch hierbei keinen signifikanten Unterschied zwischen der simultanen bilateralen und der zweizeitigen bilateralen Versorgung in Bezug auf die Mortalität gab. Im Vergleich zur zweizeitigen Versorgung war die simultane Operation sogar mit einem signifikant geringeren Auftreten von tiefen Venenthrombosen (DVT), Lungenembolie und respiratorischen Komplikationen verbunden. Es gab keine signifikanten Unterschiede bei den kardiovaskulären Komplikationen, den Komplikationen des Verdauungssystems oder dem Auftreten von Luxationen und Infektionen.

Minimalinvasive Operationstechniken

Ein wichtiger Aspekt bei der simultanen Versorgung sind die minimalinvasiven Operationstechniken. Diese ermöglichen eine Implantation von Hüftpfanne und -schaft zwischen Muskelgruppen hindurch, ohne diese wesentlich zu beschädigen. Insbesondere der antero-laterale (Watson-Jones-) Zugang und der direkt anteriore (Smith-Peterson-) Zugang haben sich hierbei bewährt, da sie eine schnelle Rehabiliation und Mobilisation bereits am Operationstag ermöglichen. Ebenfalls ist durch die Lagerung der Patienten in Rückenlage ein sehr guter Ausgleich der Beinlänge möglich (Abb. 2 und 3).

Beschwerden in angrenzenden Strukturen

Es gibt Patienten, die aufgrund von Deformitäten des Beckens (Abb. 4) oder des proximalen Femurs (Bereich von Kopf-Schenkelhals-Trochanter) frühzeitig eine Arthrose der Hüftgelenke entwickeln und starke Einschränkungen der Beweglichkeit aufweisen. In diesen Fällen liegt in der Regel eine deutliche Fehlstellung des Beckens mit Beschwerden im Iliosakral- Gelenk oder am lumbosakralen Übergang vor, was durch eine verstärkte anteriore Beckenkippung (anterior pelvic tilt) verursacht wird. Versorgt man diese Patienten nicht simultan beidseitig, kommt es durch das Ungleichgewicht – ein Gelenk ist frei beweglich, das andere nur eingeschränkt – bei vielen Patienten zu einer Verschlimmerung dieser sekundären Beschwerden. Eine simultane Versorgung umgeht diese Probleme, sodass ein symmetrischer Bewegungsablauf nach der Operation und während der Rehabilitations-phase möglich ist.

Kürzerer Krankenhausaufenthalt, schnellere Rehabilitation

Ein weiterer Vorteil der simultanen Versorgung ist die kürzere Gesamt-Verweildauer in der Klinik, da die Betroffenen nur einen Krankenhausaufenthalt haben, der in der Regel heutzutage zwischen drei und sechs Tagen liegt. Außerdem ist auch nur eine Rehabilitationsphase notwendig, die insgesamt zu der kürzeren Ausfallzeit führt, die insbesondere im Berufsleben einen deutlichen Vorteil gegenüber zwei Operationen mit den nachfolgenden Erholungszeiten bietet.

Eigenes Patientenkollektiv

Aktuell werden vom Autor etwa 30-40 Patienten jährlich simultan beidseitig mit einer Hüftprothese versorgt, wobei die Anzahl über die letzten Jahre stetig zugenommen hat. In einer eigenen Studie werden gerade in einem Single Surgeon Patientenkollektiv 261 Patienten nachuntersucht, von denen 149 simultan und 112 zweizeitig versorgt wurden. Es werden insbesondere die Komplikationen, die klinischen Scores und die Zufriedenheit der Patienten analysiert. Bisher zeigte sich kein signifikanter Unterschied hinsichtlich der Komplikationen. In beiden Gruppen sind eine hohe subjektive Zufriedenheit und gute klinische Score-Werte zu verzeichnen. Alle Patienten der simultan versorgten Gruppe würden den Eingriff wieder einzeitig durchführen lassen. Dieses spiegelt die Ergebnisse der oben beschriebenen Meta-Analysen wider und spricht für eine beidseitige Versorgung, wenn diese gesundheitlich möglich ist.

Fazit

Die simultane Versorgung mit beidseitigen Hüft-TEPs ist ein sicheres und etabliertes Verfahren beim Vorliegen einer beidseitigen Hüftarthrose. In Kombination mit minimalinvasiven Operationstechniken ermöglicht sie eine zügige Rehabilitation und verkürzt die berufliche und private Ausfallzeit. Das simultane Verfahren weist keine signifikanten Unterschiede in Bezug auf kardiopulmonale Komplikationen, thromboembolische Ereignisse, Schlaganfall, Infektion der Operationsstelle und Rate an Bluttransfusionen auf. Darüber hinaus kann eine sorgfältige Patientenselektion die Risiken der simultanen beidseitigen Hüfttotalendoprothese weiter minimieren und die Wahrscheinlichkeit erfolgreicher Ergebnisse erhöhen, sodass diese vom Autor regelmäßig durchgeführt wird.