November 2022 – Ausgabe 40
AutoCartTM – eine autologe in-situ-Transplantation von Knorpelchips
Prof. Dr. med. Hajo Thermann
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Schlüsselwörter: autologe Knorpeltransplantation, Knorpelchips, ACP, Chondrozyten, AutoCartTM-Verfahren
Das neue AutoCartTM-Verfahren, eine einzeitige Knorpelzelltransplantation mit Einsatz von Wachstumsfaktoren, das keine aufwendige Chondrozytenanzüchtung im Labor erfordert, zeigt über den Zeitraum von einem Jahr verheißungsvolle Ergebnisse.
Erstmals wurden im Jahr 1983 autologe Knorpelchips übertragen. Darunter versteht man eine Methode, bei der Knorpel in kleinste Stückchen zerlegt und und diese Stückchen daraufhin in den Defekt implementiert (autolog = ohne Fremd- material) werden. Albrecht et al. Haben in einem Modell die ersten Zellproliferationen und Hyalin-like-Regenerationen in der Chipsgruppe nachweisen können. An einem Ziegenmodell konnten Lu et al. 2006 ebenfalls zeigen, dass Chondrozyten von Knorpelchips von der extrazellulären Matrix einwandern.
Das sogenannte „Cartilage Autograft Implantation System“ (kurz: CAIS) stellt eine neue Behandlungsmöglichkeit für Gelenkknorpeldefekte im Knie dar. Diese wurde durch einzelne Wissenschaftler aus fünf verschiedenen Ländern eingeführt, welche bereits 2011 über gute klinische Ergebnisse berichten konnten. Aufgrund der hohen Kosten wurde diese Technik jedoch nicht weiterverfolgt. Christensen et al. 2015 hatten in einer klinischen Studie bei Osteochondrosis dissecans autologe Knochen- und Knorpelchips mit sehr guten Knochenregenerationen und guten „Knorpel- repair“-Ergebnissen erzielen können.
Der Durchbruch
Der Durchbruch kam durch Salzmann et al. 2019 in einer Fallserie von 27 Patientinnen und Patienten mit Knorpelläsionen am Knie. Die Wissenschaftler konnten in einem Zweijahres-Follow-Up nachweisen, dass die Therapie mit Knorpelchips bei großen Defekten von durchschnittlich 3,1 Quadratzentimetern zu einem signifikanten Nachlassen der Schmerzen und einer Verbesserung der Kniefunktion führt. 92,6 Prozent der Patientinnen und Pati- enten waren zufrieden; Komplikationen traten nicht auf. Die Geweberegeneration kann man unter dem Aspekt einer „Trias“ zusammenfassen: Wachstumsfaktoren, eine Matrix und regenerative Zellen sollen das Optimum an Knorpelregeneration ermöglichen.
AutoCartTM als neues Verfahren
Einen neuen Ansatz verspricht die AutoCartTM-Methode, eine einzeitige Knorpelzelltransplantation mit dem Einsatz von Wachstumsfaktoren mittels ACP (Autologes Conditioniertes Plasma bzw. Platelet Rich Plasma). Durch den sogenannten „Thrombinator“ wird eine wachstumsfaktorenreiche Fibrinmatrix aus Thrombin produziert und über ein Sammelsystem in der Absauganlage GraftNetTM können die Chondrozyten aus dem Läsionsbereich asserviert werden (Abb. 1, 2, 3).
Die im Labor nachgewiesene Funktion der Wachstumsfaktoren zeigt eine hohe Chondrozytenproliferationsrate und eine hohe Proteoglykan-Produktion, eine hohe Typ 2-Kollagenproduktion, eine hohe „Superficial zone“-Proteinproduktion und eine Erniedrigung der inflammatorischen Begleitreaktion.
Durch das GraftNetTM in Kombination mit dem Shaver können leicht, schnell und standardisiert die Chips aus dem Gelenk gewonnen werden, die vorher aufgebrochen und mit einem Skalpell klein geschnitten wurden. Auf diese Weise werden jetzt Chips einer standardisierten Größe gewonnen. Dies spielt in weiteren Laboruntersuchungen eine große Rolle, da festgestellt wurde, dass mit einem Drei-Millimeter-Shaver bei dieser Partikelgröße bei Messungen nach 24 Stunden, nach vier Tagen und nach sieben Tagen die besten Ergebnisse hinsichtlich der Überlebenszeit (Viability) im Vergleich zu anderen Shavern erzielt werden konnten (Abb. 4). Mit dem „Thrombinator“ und der Zugabe von ACP kann man eine autologe Matrix durch verschiedene Gerinnungskaskaden über Prothrombin, Thrombin und cross linked Fibrin clot generieren (Abb. 5).
Einfache Handhabung
Die Handhabung in arthroskopischer Technik ist im Vergleich zur Matrix-Transplantation sehr einfach. Knorpelchips werden durch das Debridement im Defekt mit dem Drei-Millimeter-Shaver in dem GraftNetTM gesammelt und asserviert. Zu den Chips wird etwas ACP (Platelet Rich Plasma) direkt zugegeben. Danach wird ACP in drei Schritten abgenommen und in den Thrombinator gefüllt. Hierbei kommt es durch das ACP zum Klotten (Koagulation) und zur Prothrombinbildung. Die weiteren chemischen Reaktionen zeigen am Ende eine Thrombinbildung und autologes Fibrin. Die kleinen Knorpelchips werden in einer Applikatorkanüle mit leicht gebogener Spitze gefüllt. Durch Vorschieben mithilfe eines Trokars kann man die Chips extrem genau in den Defekt platzieren (Abb. 6 und 7).
Der Defekt wird mit dem Thrombin-/ Fibringemisch als Matrix versiegelt und anschließend nochmals ACP eingespritzt. Die eigenen Beobachtungen innerhalb eines Jahres zeigen bereits sehr gute Ergebnisse: sowohl in Bezug auf die Regeneration des Defektes als auch auf die Regeneration des AutoCartsTM und der Auffüllung des Defektes bei schmerzfreier Beweglichkeit (Abb. 8).
Labortechnik vs. AutoCartTM-Methode
Die AutoCartTM-Transplantation erfüllt den Traum jedes Knorpelchirurgen einer „Straight-Forward“-Implantation von Chondrozyten ohne Labortechnologie, die das Züchten von Chondrozyten über Wochen bedeuten würde. Denn wie viele vitale Chondrozyten werden bei der autologen Chondrozyten-Implantation tatsächlich übertragen? Eigene Untersuchungen ergaben, dass 60 Prozent der untersuchten aus dem Labor kommenden Chondrozyten zwar vital sind, sich aber 30 Prozent von ihnen bereits in der Apoptose befinden. Dies erklärt, warum sich keine 1:1-Knorpelregeneration im Defekt ergeben kann, sondern immer ein Regeneratgewebe dabei ist.
Die Vitalitätsuntersuchungen im Hinblick auf die AutoCartTM-Methode haben wiederum gezeigt, dass mindestens 20 Prozent vitale Chondrozyten (ohne teure Labortechnik!) im Asservat nachweisbar waren, die wieder reimplantiert werden konnten, und die Voraussetzungen geschaffen wurden, eine optimale Wiederherstellung des Knorpels zu gewährleisten.
Fazit
Die frühzeitigen Resultate – auch von anderen Autoren – bestätigen, dass die AutoCartTM-Transplantation eine verheißungsvolle neue, relativ einfache Therapie ist, um einen Knorpeldefekt wieder zu regenerieren. Zum jetzigen Zeitpunkt fehlen jedoch noch Langzeitergebnisse.