Mai 2024 – Ausgabe 43

Angeborene radioulnare Synostose

Dr. med. Sven Lichtenberg
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Schnetzke

Prof. Dr. med. Marc Schnetzke
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Prof. Dr. med. Markus Loew
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Schlüsselwörter: Fehlbildungen, radioulnare Synostose, operative Therapie, Mobilisierungsverfahren, Repositionierungsverfahren

Angeborene Fehlbildungen am Ellenbogen kommen sehr selten vor. Die mit Abstand häufigste Fehlbildung ist die sog. radioulnare Synostose. Hierbei besteht eine knöcherne Verbindung zwischen der proximalen Speiche und dem proximalen Radius. Normalerweise sind diese beiden Knochen durch eine flexible Membran, die sogenannte Membrana interossea, getrennt. Diese Abweichung von der normalen Anatomie bedingt eine eingeschränkte Beweglichkeit und kann erhebliche funktionelle Defizite verursachen.

Ursachen

Die genaue Ursache für eine angeborene radioulnare Synostose ist unbekannt. Diese Fehlbildung ist häufig mit anderen Fehlbildungen assoziiert, kann aber auch isoliert auftreten. Ein Mangel an SMAD6, einem Gen, das für die Regulation des BMP-Signalwegs (bone morphogenetic protein) verantwortlich ist, scheint hierbei eine Rolle zu spielen. 

Häufigkeit

Die angeborene radioulnare Synostose ist eine äußerst seltene Erkrankung, mit weniger als 700 dokumentierten Fällen in der Literatur. Betroffene Kinder zeigen oft frühzeitig funktionelle Einschränkungen. Die Diagnose kann jedoch übersehen werden, besonders dann, wenn nur ein Arm betroffen ist. Früher dachte man, dass dies häufiger bei Männern vorkommt, aber aktuelle Daten zeigen keine geschlechtsspezifische Präferenz.

Symptome und Diagnose

Die Symptome zeigen sich oft im Kindesalter, wenn bestimmte Aktivitäten aufgrund der eingeschränkten Drehung des Unterarms schwierig werden. Die genaue Diagnose wird häufig verzögert, da andere Gelenke die eingeschränkte Unterarmdrehung kompensieren können. Neben einer körperlichen Untersuchung sind in der Regel Röntgenaufnahmen erforderlich, um die Synostose zu bestätigen (Abb. 1).

Behandlung

Abhängig von der Art der Synostose, ihrer Lage und den funktionellen Beeinträchtigungen der Patientinnen und Patienten kann die Behandlung operativ oder konservativ sein. Konservative Ansätze beinhalten oft eine physikalische Therapie. Chirurgische Optionen reichen von der Verbesserung der Funktion durch die Mobilisierung des Unterarms bis zur Osteotomie des Unterarms zur Verbesserung der Handstellung.

Nichtoperative Behandlung der radioulnaren Synostose

Liegt ein normaler Bewegungsumfang des Ellenbogens für die Streckung und Beugung mit einer günstigen Stellung der Hand vor, sollte bei angeborenen radioulnaren Synostosen eine konservative Behandlung erfolgen. Die nichtoperative Vorgehensweise beinhaltet eine umfassende physikalische Therapie, die die Funktion in unterschiedlichem Maße verbessern kann. Die besten Ergebnisse werden oft durch eine kombinierte Therapie (spezialisierte Handtherapie und Ergotherapie) erzielt. Die Toleranz gegenüber einer fixierten Pronationsdeformität ist in der Regel geringer im Vergleich zu einer fixierten Supination, wobei die Akzeptanz von den individuellen Bedürfnissen und Anforderungen der Patientinnen und Patienten abhängt.

Operative Behandlung einer radioulnaren Synostose

Bei der chirurgischen Behandlung einer angeborenen radioulnaren Synostose kann versucht werden, den Arm entweder in eine funktionellere Position zu bringen oder den Unterarm zu mobilisieren, um einen größeren Bewegungsumfang zu ermöglichen. „Mobilisierungs“-Verfahren beinhalten in der Regel Resektionen und die Verwendung von Interpositionstransplantaten, während „Repositionierungs“-Verfahren Derotationsosteotomien einschließen können (Abb. 2).

Es existieren verschiedene chirurgische Techniken, wobei die funktionellen Ergebnisse variieren, und keine einzelne Technik als überlegen gilt. Einige Studien haben den Erfolg von Mobilisierungsverfahren gezeigt, bei denen die knöcherne Synostose entfernt und anschließend Inter positionstransplantate wie Fascia-lata-­Auto­transplantate oder -Allotransplantate, Unterarmfaszien, Knochenwachs, vaskularisierte adipofasziale Lappen, freie Fettlappen, Silikontransplantate oder Ankoneus-Rotationslappen eingesetzt werden.

In allen Fällen einer operativen Behandlung ist eine anschließende physikalische und ergotherapeutische Betreuung durch eine spezialisierte Handtherapie entscheidend, um ein optimales funktionelles Ergebnis zu erzielen.

Fazit

Die radioulnare Synostose ist eine seltene Fehlbildung des Ellenbogens. Die Prognose hängt stark vom verbleibenden Funktionsdefizit ab. Die angeborene Form kann häufig erfolgreich konservativ mit intensiver Handtherapie behandelt werden. Chirurgische Eingriffe, egal, ob sie auf Repositionierung oder Mobilisierung abzielen, zeigen variable und unvorhersehbare Ergebnisse.