Mai 2024 – Ausgabe 43

Angeborene Fehlstellungen an Mittel- und Rückfuß

Hagmann

Prof. Dr. med. Sébastien Hagmann

Schlüsselwörter: Knick-Hackenfuß, Knick-Senkfuß, Klumpfuß, Talus verticalis, tarsale Koalitionen, akzessorische Fußknochen

Bei Neugeborenen fallen nicht selten Fehlstellungen an Mittel- und Rückfuß auf, die den Eltern Sorgen machen. Mitunter sind diese schon vor der Geburt durch Ultraschall bekannt, in den meisten Fällen jedoch wird man durch die Deformitäten überrascht. Es gibt aber auch angeborene Veränderungen, die von außen nur schwer zu erkennen sind oder erst einmal gar nicht auffallen und erst später Probleme bereiten. Einen Überblick über die häufigsten Veränderungen, ihre Prognose und Behandlung gibt der folgende Beitrag.

Hackenfuß und Knick-Hackenfuß

Der Hackenfuß und der Knick-Hackenfuß sind direkt nach der Geburt häufig anzutreffende Fehlstellungen. Die Angaben zur Häufigkeit sind sehr inkonsistent und reichen von einem bis 30 Prozent aller Geburten. Obwohl der optische Aspekt sehr auffällig ist und mitunter der Fußrücken durch den Platzmangel im Mutterleib am vorderen Unterschenkel anliegt, ist in der absoluten Mehrzahl der Fälle nur von einem vorübergehenden „Pro­blem“ auszugehen. Denn im Löwenanteil der Fälle sind die Strukturen des Fußes völlig normal angelegt und es handelt sich lediglich um eine lagebedingte Fehlstellung, die überdies flexibel ist. Damit unterscheidet sich diese Fehlstellung auch von der schweren, rigiden Fehlstellung des Talus verticalis (siehe unten).

Typisch für den Hackenfuß oder Knick- Hackenfuß ist die deutlich vermehrte Dorsalextension (Streckung des Fußrückens in Richtung Unterschenkel) bei gleichzeitig verminderter Plantarflexion (Bewegung des Fußrückens in Richtung Boden). Selten liegen begleitende Pro­bleme vor, wie z. B. ein Sichelfuß oder ein nach hinten gebogener Unterschenkel. Ein häufigeres Vorkommen von Hüftdysplasien in Kombination mit Hackenfuß und Knick-Hackenfuß wird vermutet. Die Behandlung besteht in aller Regel ausschließlich in der Dehnung des Fußes in Richtung Plantarflexion durch die Eltern. Hierunter normalisiert sich die Fußstellung nach spätestens drei bis sechs Monaten. In sehr seltenen Fällen, die keine Verbesserung zeigen oder sich rigide darstellen, kann auch eine kurze Gipstherapie zur Anwendung kommen.

Knick-Senkfuß, Knick-Plattfuß

Der Knick-Senkfuß und der Knick-Plattfuß sind im Neugeborenen- und Kleinkindalter streng genommen keine Fehlstellungen, sondern mindestens in den ersten zwei Lebensjahren ein normaler kindlicher Entwicklungsschritt des Fußes. Da der Laufbeginn ohnehin erst ab zehn Monaten Lebensalter beginnt, soll dieser Artikel über angeborene Veränderungen diese in der Regel auch erst dann wirklich wahrnehmbare Fußform nicht behandeln. Lediglich die Abgrenzung eines Knick-Senk- bzw. Knick-Plattfußes vom Talus verticalis (s. u.) ist absolut entscheidend.

Klumpfuß

Wenn ein Kind mit einem oder zwei Klumpfüßen geboren wird und die Dia­gnose vorgeburtlich noch nicht bekannt war, ist dies in der Regel für die Eltern erst einmal ein sehr eindrückliches, ja häufig schockierendes Erlebnis. Zum Glück handelt es sich bei dieser häufigen Deformität (ein bis zwei Klumpfüße auf 1000 Lebendgeburten) um eine gut behandelbare Erkrankung.

Die Ursache des Klumpfußes ist weitgehend ungeklärt. Wenngleich mehrere Gene identifiziert wurden, die mit dem Entstehen eines Klumpfußes zusammenhängen, sind viele Fragen noch offen. Es handelt sich bei dieser auch als Pes equinovarus, cavus, supinatus et excavatus genannten Deformität um eine komplexe subtalare Fehlstellung. Zahlreiche Veränderungen der Knochen, Bänder, Sehnen und Muskeln tragen zum typischen Erscheinungsbild bei (Abb. 1). Die Diagnose wird klinisch gestellt, eine weiterführende Diagnostik ist in der Regel nicht notwendig. Eine initiale Bestimmung des Schweregrades anhand eines Klassifikationssystems (z. B. nach Dimeglio) ist entscheidend für eine Einschätzung der Therapiedauer und Rezidivgefahr.

Nachdem die Therapie über viele Jahrzehnte durch aufwendige Operationen gekennzeichnet war, hat die sogenannte Ponseti-Methode die Behandlung des Klumpfußes revolutioniert. Es handelt sich um eine Abfolge von Manipulationen der Fußgelenke, mit der der Fuß aus der Klumpfußstellung herauskorrigiert wird. Durch Gipse wird der jeweilige Redressionszustand gehalten (Abb. 2). Der Schlüssel liegt in der Abfolge der Korrekturen, die sich an der zugrunde liegenden Pathologie orientieren. In der überwiegenden Mehrzahl der Fälle verbleibt durch die Behandlung ein Spitzfuß, der mit einer Durchtrennung der Achillessehne mit anschließend nochmaliger Gipstherapie behandelt wird. Nach Abschluss der Gipstherapie kommen eine Schienenbehandlung bis mindestens ins Alter von vier Jahren und Physiotherapie zur Anwendung. Die Prognose ist sehr gut, eine volle Alltagsfähigkeit und auch Sportfähigkeit wird fast immer erreicht.

Jedoch unterscheiden sich die Klumpfüße in ihrem Schweregrad, was bei der Prognose berücksichtigt werden muss. Gerade beim Vorliegen bestimmter Syndrome (Arthrogryposis etc.) kann die Behandlung auch aufwendigere operative Verfahren erfordern.

Talus verticalis

Der Talus verticalis, oder angeborene Plattfuß, lässt sich in der Regel direkt bei der Geburt diagnostizieren. Er wird, weil er wesentlich weniger offensichtlich ist als der angeborene Klumpfuß, aber auch häufiger übersehen. Die Angaben über die Häufigkeit des Vorkommens weichen auseinander, er ist aber mindestens fünfmal seltener als der Klumpfuß.

Die Fehlstellung ist charakterisiert durch eine Verschiebung des Kahnbeins gegenüber dem Sprungbein nach fußrückenwärts. Gleichzeitig steht der Rückfuß im Spitzfuß, d. h., die Achillessehne ist massiv verkürzt. Durch die Kombination kommt es zu einer Aufhebung des Fußlängsgewölbes, das ohnehin bei Neugeborenen in aller Regel nicht gut abgrenzbar ist. Die Wölbung an der Fußsohle ist in diesem Sinn konvex statt konkav, sodass man in Anlehnung an alte Tintenlöscher auch vom Tintenlöscherfuß spricht.

Die Diagnose wird klinisch vermutet und durch Röntgenbilder bestätigt (Abb. 3). Hierbei sind zusätzliche seitliche Bilder in maximaler Plantarflexion hilfreich, um schwere (Talus verticalis) und leichtere (Talus obliquus) Formen voneinander abzugrenzen. Die Therapie besteht in einer Gipsbehandlung, die grob gesagt der umgekehrten Manipulation wie beim Klumpfuß entspricht (am bekanntesten ist die Methode nach Dobbs und Kollegen). In aller Regel geht allerdings der dann notwendige operative Eingriff über die reine – beim Klumpfuß übliche – Achillessehnendurchtrennung hinaus. Beim Talus verticalis erfolgt die offene oder mini-offene Einstellung des Gelenkes zwischen Kahnbein und Sprungbein und dann die Korrektur des Spitzfußes. Das Ausmaß der Operation und die Pro­gnose sind wesentlich von der Schwere des Befundes abhängig. Auch beim Talus verticalis ist im Anschluss an die Gipstherapie eine Orthesenbehandlung notwendig. Bei frühzeitiger Diagnose und adäquater Therapie ist die Prognose bei fehlendem Vorliegen von zugrunde liegenden Erkrankungen wie der Arthrogrypose gut, vergleichbar mit dem Klumpfuß (Abb. 4).

Tarsale Koalitionen

Eine tarsale Coalitio liegt vor, wenn zwei oder mehr Knochen des Fußes eine Verbindung miteinander haben, die normalerweise nicht vorliegt. Am häufigsten kommen Verbindungen zwischen Fersenbein und Kahnbein (Coalitio calcaneonaviculare, Abb. 5) oder zwischen Sprungbein und Fersenbein (Coalitio talocalcaneare) vor. Allerdings sind auch andere Verbindungen und zahlreiche Kombinationen möglich. Die Inzidenz variiert in der Literatur stark, zwischen 0,03 Prozent und einem Prozent. Je mehr Verbindungen zwischen Knochen vorliegen, die normalerweise gegeneinander beweglich sein sollten, desto eingeschränkter wird die Beweglichkeit der Gelenke. Im Extremfall, wenn z. B. das untere Sprunggelenk vollständig verblockt ist, kann es sein, dass sich ein sogenannter Kugeltalus entwickelt. Die Gelenkfläche des Sprungbeines im oberen Sprunggelenk wird dann rund, und das obere Sprunggelenk kann somit die Bewegungsebenen von unterem und oberem Sprunggelenk übernehmen. Dies allerdings kann zu einem vorzeitigen Verschleiß des oberen Sprunggelenkes führen.

Üblicherweise bestehen zunächst einmal keine Beschwerden, und von außen sind die Koalitionen auch nicht zu sehen. Erst mit der Adoleszenz, typischerweise im Alter von 11 bis 15 Jahren, beginnen Beschwerden aufzutreten. Häufig liegt ein Knick-Senkfuß vor, der typischerweise anders als der typische Knick-Senkfuß in diesem Alter nicht flexibel ist, weil durch die Verbindung der Knochen eine Bewegungseinschränkung, in der Regel des unteren Sprunggelenks, besteht. Die Bewegungseinschränkung lässt sich klinisch meist leicht identifizieren. Da bis zu 60 Prozent der Patientinnen und Patienten beidseits betroffen sind, kann der Seitenvergleich jedoch oft nicht herhalten.

Die Verdachtsdiagnose einer tarsalen Coalitio wird mit Röntgenbildern, MRT und CT bestätigt. Ein konservativer Therapieversuch mit Einlagen oder Fußorthesen wird in aller Regel empfohlen. Auch eine kurzfristige Ruhigstellung kann die Beschwerden bessern. Bei Versagen der konservativen Therapie ist die chirurgische Entfernung indiziert (Abb. 6), in Kombination mit einer sofortigen intensiven Physiotherapie zur Mobilisation des vormals verblockten Gelenks. Im Falle komplexerer Koalitionen mit ausgeprägter Bewegungseinschränkung muss eine operative Therapie zur Prävention eines vorzeitigen Gelenkverschleißes auch bei gering ausgeprägten Beschwerden erwogen werden.

Akzessorische Knochen

In mehr als 20 Prozent aller Füße findet man einen oder mehrere akzessorische Fußknochen. Es ist absolut entscheidend, darauf hinzuweisen, dass es sich dabei zunächst einmal nicht um eine Veränderung mit Krankheitswert handelt, sondern um eine Normvariante. Da diese angeborenen, bei Geburt aber in der Regel nicht auffallenden Knochen aber später Probleme bereiten können, sind sie hier dennoch aufgeführt. Es existieren über zehn verschiedene akzessorische Knochen am Fuß, von denen allerdings das Os trigonum am hinteren Sprungbein und das Os tibiale externum am Kahnbein die häufigsten sind. Diese beiden Knochen können zu Beschwerden führen, wobei dies eher selten ist.

Das Ostrigonum ist ein Knochenstück am hinteren Teil des Sprungbeines, welches durch eine fehlende Fusion von Knochenkernen als einzelner Knochen und nicht als Fortsatz des Sprungbeines vorliegt. In aller Regel ist dies ein Zufallsbefund im Röntgenbild. Eine übermäßige Beweglichkeit, aber auch ein Bruch dieses Knochens können Beschwerden auslösen. Ein MRT kann helfen, z. B. Flüssigkeit in und um das Knöchelchen nachzuweisen. Wenn konservative Maßnahmen nicht greifen, kann eine Entfernung indiziert sein.

Das Os tibiale externum (Abb. 7) befindet sich am inneren Anteil des Kahnbeines und liegt somit direkt unter (und teilweise in) der Sehne des M. tibialis posterior, die unter anderem am Kahnbein ansetzt. Es werden drei Typen dieses akzessorischen Knochens unterschieden, abhängig davon, ob eine bindegewebige Verbindung, eine gelenkige Verbindung oder sogar eine knöcherne Verbindung zum Kahnbein besteht. Beschwerden können auftreten, weil eine Bewegung des Knöchelchens immer wiederkehrende Mikroverletzungen auslöst, oder weil die Tibialis-posterior-Sehne durch den Knochen gereizt wird. Die Diagnose wird durch Röntgenbilder und MRT gestellt. Bei Beschwerden kann zunächst eine konservative Therapie versucht werden, unter anderem mit Einlagen. Bei Versagen der konservativen Therapie kann eine Operation notwendig werden, wobei in aller Regel die Entfernung des Knöchelchens als am effektivsten angesehen wird.

Fazit

In der Gesamtheit betrachtet sind angeborene Fehlstellungen an Mittel- und Rückfuß nicht selten. Teilweise bleiben sie aber lange unentdeckt und können erst im Jugendalter Probleme bereiten. Im Zweifel kann der Blick eines Experten sehr hilfreich sein. Insgesamt sind die Erkrankungen trotz teilweise sehr auffälligem Befund gut zu behandeln.