Mai 2025 – Ausgabe 45

Die gleichzeitige beidseitige Implantation von Hüftprothesen

Prof. Dr. med. Patrick Weber
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Prof. Dr. med. Hans Gollwitzer
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Die gleichzeitige beidseitige Implantation von Hüftprothesen wird in vielen Ländern, z. B. den USA, häufig durchgeführt, ist jedoch in Deutschland noch relativ selten. Prof. Dr. Hans Gollwitzer und Prof. Dr. Patrick Weber diskutieren im Interview für den Berufsverband für Orthopädie und Unfallchirurgie die Vorund Nachteile der simultanen beidseitigen Hüftendoprothetik und stellen zwei Fallbeispiele vor.

Wie beurteilen Sie die Vorteile einer simultan beidseitigen Hüftprothesenimplantation im Vergleich zu zwei herkömmlichen Operationen hintereinander?

Prof. Weber: Die simultane beidseitige Hüftprothesenimplantation hat in der Tat mehrere Vorteile, die aus der Patientenperspektive sehr relevant sind. Vor allem profitieren Patientinnen und Patienten von einer verkürzten Gesamtbehandlungszeit. Sie müssen nur einmal in die Narkose und durch eine einzige Rehabilitationsphase, was sowohl die psychische als auch die physische Belastung reduziert. Auch die Arbeitsunfähigkeit wird in der Regel nur einmal anfallen, was insbesondere für jüngere Berufstätige relevant ist.

Ein weiterer Vorteil ist, dass Patientinnen und Patienten, die beidseitig betroffen sind und auf beiden Seiten Gelenkersatz benötigen, bei einer simultanen Operation nicht mit den Problemen kämpfen müssen, die eine einseitige Operation mit sich bringt – etwa durch eine Beugekontraktur und Funktionsdefizite auf der noch nicht operierten Seite. Das erhöht die Lebensqualität der Betroffenen signifikant und verbessert die Rehabilitation, da sie schneller wieder mobil sind und Funktionsdefizite von Beginn an behandelt werden können. Die Mobilisation gelingt vergleichbar schnell wie nach einer einseitigen Hüftprothesenimplantation.

Weshalb ist das Verfahren der simultan beidseitigen Operation in Deutschland so wenig verbreitet?

Prof. Gollwitzer: Dies hat meines Erachtens zwei wesentliche Gründe. Zum einen sind die medizinischen Vorteile der simultan beidseitigen Operation mit den vergleichsweise geringen Risiken in Deutschland sehr wenig bekannt. Zum anderen liegt es vermutlich auch an unserem Gesundheitssystem, in welchem Kliniken durch das Fallpauschalensystem häufig für innovative Behandlungen wirtschaftlich „bestraft“ werden. Da wir jedoch von den Vorteilen der simultan beidseitigen Implantation von Hüftprothesen überzeugt sind, sind wir sehr froh, diese Therapie gemeinsam mit unseren kooperierenden Kliniken anbieten zu können.

Welche spezifischen Risiken und Komplikationen treten bei einer simultanen Operation häufiger auf? Und wie stehen diese im Vergleichzu einer separaten Versorgung beider Hüften?

Prof. Gollwitzer: Wie bei jedem Eingriff gibt es Risiken, die es zu beachten gilt. Aufgrund der doppelseitigen Operation ist das Risiko für einen Blutverlust naturgemäß größer als bei einer einseitigen Operation. Durch die modernen blutsparenden Operationsverfahren tritt dies jedoch zunehmend in den Hintergrund.

Andere Risiken sind bei der simultan beidseitigen Operation im Vergleich zu zwei sequenziellen Operationen nicht erhöht. Nehmen wir z. B. das Thromboserisiko: Interessanterweise zeigen viele Studien, dass das Risiko für diese Komplikation bei der simultanen Operation sogar geringer ist als bei einer sequenziellen Versorgung. Der Grund hierfür ist, dass die Patientinnen und Patienten nach der simultanen Operation vergleichbar schnell mobilisiert werden können wie nach dem einseitigen Eingriff, aber eben nur eine Operation haben. Auch andere Risiken können tendenziell reduziert werden.

„Aktuelle Studien bestätigen, dass die Komplikationsraten bei der simultan beidseitigen Implantation von Hüftendoprothesen nicht erhöht sind und viele Betroffene von dem Verfahren erheblich profitieren.“  Prof. Gollwitzer

Prof. Weber: Das ist ein wichtiger Punkt. Aus biomechanischer Sicht ist es entscheidend, dass die Patientinnen und Patienten nach der Operation so schnell wie möglich mobilisiert werden, um Komplikationen zu vermeiden. Studien zeigen, dass Personen, bei denen beide Hüften gleichzeitig operiert werden, eine schnellere Rehabilitation erfahren und früher wieder ihre alltäglichen Bewegungen ausführen können, als es nach sequenziellen Operationen der Fall ist.

Wie gehen Sie mit den Herausforderungen bei der simultanen beidseitigen Hüftoperation in der Praxisum? Gibt es besondere Vorbereitungen, die Sie für Ihre Patientinnen und Patienten treffen, um das Risiko zu minimieren?

Prof. Weber: Das wichtigste Element bei der simultanen beidseitigen Hüftprothesenimplantation ist die sorgfältige Vorbereitung der Betroffenen. Zuallererst müssen wir sicherstellen, dass die Person für diesen Eingriff gesundheitlich geeignet ist. Dies umfasst eine umfassende präoperative Diagnostik, bei der u. a. mögliche Risiken, wie eine Unterversorgung mit bestimmten Nährstoffen oder Anämien, erkannt und behandelt werden müssen. Auch die Abklärung von Thromboserisiken ist entscheidend.

Immer wieder werden dabei die Indikationskriterien und Grenzen angesprochen. Der klassische Fall ist der etwas jüngere Patient wie im ersten Fallbeispiel. Wenn Patientinnen und Patienten aber keine relevanten Nebendiagnosen haben und körperlich gut belastbar sind, kann die simultane Versorgung auch bei Älteren nach sorgfältiger Vorbereitung erfolgen wie im zweiten Fallbeispiel. Immer häufiger fragen ältere Betroffene nach einer simultanen beidseitigen Versorgung, da sie weniger „Lebenszeit verlieren“ möchten. Dennoch muss die Indikationsstellung zur simultanen Versorgung bei älteren Personen sehr streng geprüft werden.

Darüber hinaus ist es auch wichtig, die Person psychologisch gut auf den Eingriff vorzubereiten. Viele sind zunächst besorgt über die Idee, beide Hüften gleichzeitig operiert zu bekommen, auch wenn die Datenlage zeigt, dass das Risiko für Komplikationen vergleichbar oder sogar günstiger ist als bei der sequenziellen Behandlung. In unserer Praxis legen wir daher großen Wert auf eine ausführliche Beratung, um Ängste zu minimieren und Vertrauen zu schaffen.

Welche Perspektiven sehen Sie für die Zukunft der simultanen beidseitigen Hüfttotalendoprothesen Implantation? Werden wir dieses Verfahren in Deutschland bald häufiger sehen?

Prof. Gollwitzer: Es ist sehr wahrscheinlich, dass die simultane beidseitige Hüftprothesenimplantation in Zukunft häufiger durchgeführt wird. Denn viele Menschen leiden nicht nur an einer Koxarthrose auf einer Seite, sondern es sind häufig beide Seiten betroffen. Die aktuellen Studien und Registerdaten bestätigen, dass die Komplikationsraten durch die simultan beidseitige Implantation von Hüftprothesen nicht erhöht sind und viele Betroffene von diesem Verfahren erheblich profitieren. Zudem haben die modernen Operationsverfahren wie die AMIS-Technik die Risiken weiter reduziert, sodass viele der anfänglichen Bedenken nicht mehr gerechtfertigt sind. Wichtig ist, wie erwähnt, eine vertrauensvolle Arzt Patientenkommunikation, um ausführlich über jede Methode aufzuklären und so der Patientin und dem Patienten eine gute Entscheidungsgrundlage zu ermöglichen.

Fallbeispiele: (fast) zwei Generationen, zwei Versorgungen

Anhand von zwei Kasuistiken werden die breiten Einsatzmöglichkeiten der simultanen beidseitigen Implantation von Hüfttotalendoprothesen aufgezeigt:

Fallbeispiel 1:

Der 60jährige Leiter einer Tennisakademie leidet seit vielen Jahren an einer beidseitigen, sekundären Koxarthrose bei femoroazetabulärem Impingement Syndrom. Durch seinen exzellenten Fitnesszustand hat er es lange geschafft, die Operation hinauszuzögern. Mittlerweile zeigen sich jedoch deutliche Einschränkungen: Neben den Schmerzen bestimmt ein Hinken das Gangbild, und das Extensionsdefizit beträgt beidseits 10°. Die Rotation ist beidseits aufgehoben, und die Flexion liegt beidseits knapp unter 90°. Der Patient ist im Rahmen der Betreuung von Profi Tennisspielern beruflich sehr eingebunden und kann sich aufgrund seiner Selbstständigkeit nur kurze Ausfallzeiten leisten. Daher wünscht er sich eine beidseitige simultane Versorgung mit einer Hüftprothese. Durch die erhebliche Bewegungseinschränkung mit Streckdefizit beidseits ist dies auch medizinisch zu befürworten. Eine einseitige Versorgung würde durch das Streckdefizit auf der nicht versorgten Seite weiter eine Hyperlordose zum Ausgleich erfordern. Entsprechend wurde eine beidseitige simultane Versorgung mit einer Kurzschaftprothese durchgeführt. Postoperativ konnte der Patient rasch mobilisiert werden und begleitete seine Spieler schon nach zwei Wochen auf Unterarmgehstützen bei den ersten Turnieren. Nach vier Wochen konnte er die Gehstützen weglassen, nach drei Monaten begann der Patient wieder Tennis zu spielen.

Fallbeispiel 2:

Die 81-jährige Patientin stellte sich mit rasch fortschreitenden Schmerzen in beiden Hüftgelenken vor, die ihre Gehstrecke erheblich einschränkten. Sie hat keine relevanten Nebendiagnosen, ist schlank und wandert leidenschaftlich gerne mit ihrem Ehemann, was ihr zum damaligen Zeitpunkt nur noch eingeschränkt möglich war. Sie wünscht ausdrücklich die simultane beidseitige Versorgung, da sie auch aufgrund ihres Alters von längerfristigen Aufenthalten im Krankenhaus Abstand nehmen will. Aufgrund des Alters ist die simultane Versorgung nicht selbstverständlich und muss mit der Patientin genau erörtert werden. Da sich die Dame in einem exzellenten Gesundheitszustand mit einer guten Belastbarkeit befindet, wird gemeinsam eine simultane Versorgung beschlossen. Aufgrund des Alters wird eine beidseitig teilzementierte Versorgung durchgeführt. Die Patientin wird postoperativ sehr rasch mobilisiert und unternimmt nach drei Wochen gemeinsam mit ihrem Ehemann den ersten Spaziergang mit Walking Stöcken. Die erste große Wanderung erfolgte wenige Wochen später.

Fazit

Die simultane beidseitige Hüftprothesenimplantation ist eine Vorgehensweise, die sich für viele Patientinnen und Patienten eignet und auch nicht an ein bestimmtes Lebensalter gebunden ist. Voraussetzungen für den Erfolg sind eine sorgfältige Vorbereitung der Betroffenen einschließlich der Abklärung von Begleiterkrankungen und -risiken sowie eine gute Aufklärung und Beratung. Die operationsbedingten Risiken sind aktuellen Studien zufolge beim beidseitigen Eingriff eher geringer als beim sequenziellen Vorgehen.

ATOS