Oktober 2024 – Ausgabe 44
Neue Entwicklungen in der Behandlung der Parkinsonkrankheit: Wird die Erkrankung heilbar?
Dr. med. Claudia Stichtmann
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Schlüsselwörter: Pharmakotherapie des M. Parkinson, nicht-orale Folgetherapien, Pumpentherapie, Tiefe Hirnstimulation, hochfokussierter Ultraschall, Neuroprotektion, Immuntherapie, Gentherapie, Stammzelltherapie
Die Parkinsonkrankheit ist eine neurodegenerative Erkrankung mit fortschreitendem Verlust der Dopamin-produzierenden Nervenzellen in der Substantia nigra im Mittelhirn. Die Symptome dieser häufigen Erkrankung sind gut zu behandeln, aber die Erkrankung ist bisher nicht heilbar. In diesem Beitrag werden Perspektiven für krankheitsmodifizierende Behandlungen vorgestellt.
Bei der Parkinsonkrankheit kommt es zur Aggregation von Eiweißen (Alpha-Synuklein) in den Nervenzellen und zur Ausbildung von Lewy-Körperchen. Der Nervenzellverlust und der daraus resutierende Dopaminmangel führt in anderen Hirnarealen, vorwiegend in den Stammganglien – also derjenigen Hirnregion, in der die Motorik kontrolliert wird – ,zu Bewegungsverlangsamung (Bradykinese), Muskelsteifheit (Rigor), Zittern (Ruhetremor) und zur Störung des Gleichgewichts (Posturale Instabilität).
Daneben kommt es auch zu nichtmotorischen Symptomen wie Riechstörungen, Schlafstörungen, autonomen Störungen und depressiven Störungen. Die Ursachen der Erkrankung sind nach wie vor nicht vollständig geklärt; neben seltenen genetischen Ursachen scheinen Umweltfaktoren, Pestizide und Entzündungsreaktionen eine Rolle zu spielen. Etwa ein Prozent der über 60-Jährigen ist von der Erkrankung betroffen, die gut behandelbar, derzeit aber noch nicht heilbar ist.
Aktuelle Behandlungsmöglichkeiten
Seit den frühen 1970er-Jahren wird L-DOPA (Levodopa), eine Vorstufe des körpereigenen Dopamins, das die Blut-Hirn-Schranke passieren kann, in Tablettenform verwendet, um das fehlende Dopamin zu ersetzen. Dabei wird L-DOPA mit einem Decarboxylasehemmer (Carbidopa oder Benserazid) kombiniert, um die L-DOPA-Effekte in der Peripherie und damit Nebenwirkungen wie Übelkeit zu reduzieren und mehr L-DOPA im Gehirn zu erhalten. L-DOPA ist das effektivste Medikament zur Therapie des Dopaminmangels.
Daneben werden Dopaminagonisten (dopaminähnliche Wirkstoffe), beispielsweise Ropinirol oder Pramipexol, oder Dopaminabbau-Hemmer wie die MAO-B-und COMT-Hemmer eingesetzt. Im Verlauf der Erkrankung werden die Wirkstoffe oft kombiniert eingesetzt.
Bei akuter Unbeweglichkeit kann schnell wirksames L-DOPA seit 2022 auch als inhalatives Spray oder ein Dopaminagonist als subkutane Spritze mittels Pen oder als lösliches Plättchen unter der Zunge eingesetzt werden.
Aufgrund der fortschreitenden Neurodegeneration kommt es nach fünf bis zehn Jahren häufig zu Wirkungsschwankun- gen (Fluktuationen) und Phasen von Unbeweglichkeit (Off-Phasen) und Überbeweglichkeit (Dyskinesien), die durch die Medikamente in Tablettenform nur noch unzureichend behandelt werden können. Dann können nicht-orale Folgetherapien (NOFT) eingesetzt werden: die enterale oder die subkutane Pumpentherapie, die Tiefe Hirnstimulation und die hochfokussierte Ultraschallwellentherapie.
Bei den enteralen Pumpentherapien wird das L-DOPA mit einer kleinen Pumpe kontinuierlich über einen feinen Schlauch durch die Haut in den Dünndarm appliziert und von dort über das Blut zu den Gehirnzellen transportiert. Alternativ stehen kontinuierliche subkutane Pumpentherapien, schon seit einigen Jahren mit dem Dopaminagonisten Apomorphin und neu seit Ende 2023 auch mit einem speziellen L-DOPA (Produodopa), zur Injektion in die Haut für die fortgeschrittene Parkinsonkrankheit zur Verfügung. Mit den Pumpentherapien können effektiver als mit Tabletten konstante Medikamentenspiegel im Blut und ein kontinuierlicher Dopamineffekt im Gehirn erreicht werden.
Die Tiefe Hirnstimulation ist eine etablierte chirurgische Option, wenn medikamentöse Behandlungen nicht mehr ausreichend ansprechen: Dabei werden Sonden in spezifische Hirnregionen, meist im Nucleus subthalamicus der Stammganglien beidseits implantiert, die dort hochfrequent Stromimpulse abgeben, wodurch die motorischen Kreisläufe stabilisiert werden. Die Technologie wird kontinuierlich weiterentwickelt und die Präzision der Stimulation verbessert. Neuere Entwicklungen mit adaptiven THS-Systemen können in Echtzeit auf die neuronale Aktivität reagieren und so eine individuell angepasste Stimulation ermöglichen.
Ein innovatives Verfahren ist die Magnetresonanztomographie-gesteuerte hochfokussierte Ultraschallwellentherapie, bei der über die geschlossene Schädeldecke durch hochintensive Ultraschallwellen und Erwärmung gezielt Hirnareale ausgeschaltet werden, wodurch der Tremor effektiv reduziert wird. Diese Behandlung wird in Deutschland an Zentren in Bonn, Kiel und Kassel durchgeführt.
Neue Pharmakologische und krankheitsmodifizierende Behandlungen
Neuroprotektion
Neuroprotektive Behandlungen sollen das Fortschreiten des Zelluntergangs verringern. Dem Einsatz von Dopaminagonisten und MAO-B-Hemmern wurden solche Effekte zunächst zugeschrieben, dies konnte aber ebenso wenig wie ein erhoffter protektiver Effekt von Coenzym Q10, Grüntee, Nikotin und Koffein bestätigt werden.
Diabetespatienten, die das Diabetesmedikament Glitazone einnahmen, erkrankten seltener an Parkinson. Dies führte zur Annahme, dass mit Diabetesmedikamenten möglicherweise das Fortschreiten der Parkinsonerkrankung verlangsamt werden könnte: 2023 wurden 150 Parkinsonpatienten ein Jahr lang mit dem Diabetesmedikament Lixisenatid, einem GLP-1-Rezeptoragonisten (ähnlich der aus den Medien bekannten „Abnehmspritze“ Semaglutid) behandelt und zeigten darunter einen stabilen Zustand ihrer Parkinsonsymptome, im Gegensatz zur Kontrollgruppe ohne das Antidiabetikum, bei der die Parkinsonerkrankung fortschritt. Länger angelegte Studien sind nun geplant.
Immuntherapie
Große Hoffnungen wurden in monoklonale Antikörper gegen Alpha-Synuklein gesetzt, die darauf zielen, die abnormale Aggregation von Alpha-Synuklein in den Nervenzellen zu verhindern oder zu reduzieren. 2022 konnten in einer Studie an 300 Parkinsonpatienten mit den Antikörpern Prasinezumab und Cinpanemab jedoch keine positiven Effekte mit Blick auf Symptome und Krankheitsverlauf gesehen werden.
Gentherapie
Gentherapien sind vielversprechende Ansätze zur Modifikation des Krankheitsverlaufs. Dabei werden Gene in das Gehirn von Parkinsonpatienten geschleust, um dort über Enzyme das Wachstum von dopaminergen Zellen zu fördern, die Dopaminbildung anzuregen oder auch Nicht-Nervenzellen wie Gliazellen zu dopaminergen Nervenzellen umzubilden. Erste Studien mit Verwendung adenoassoziierter Viren, die genetisches Material in betroffene Hirnzellen einschleusen, zeigten eine gute Verträglichkeit. Bis diese Technik jedoch in der Behandlung der Parkinsonerkrankung eingesetzt werden kann, ist es noch ein weiter Weg.
Stammzelltherapie
Die Stammzelltherapie bietet die Möglichkeit, degenerierte dopaminerge Nervenzellen zu ersetzen. In früheren Studien in den 1980er- und 1990er-Jahren wurden dopaminproduzierende fetale Nervenzellen ins Gehirn injiziert, was aber häufig unkontrollierte Bewegungen bei den Probanden auslöste. Die transplantierten Zellen können nicht wieder entfernt werden. In aktuellen klinischen Studien werden embryonale Stammzellen und induzierte, pluripotente Stammzellen verwendet, um dopaminerge Neuronen zu erzeugen, und in das Gehirn von Parkinsonpatienten transplantiert. Erste Ergebnisse an einigen wenigen Probanden waren vielversprechend und zeigten eine Verbesserung der motorischen Funktionen. Immunreaktionen und die Kontrolle der Zellproliferation sind jedoch Herausforderungen, die noch gelöst werden müssen, bevor diese Therapie breit angewandt werden könnte.
Ausblick
Die Behandlungsmöglichkeiten für die Parkinsonkrankheit entwickeln sich stetig weiter, wobei die Zukunft der Therapie wahrscheinlich in einer Kombination verschiedener Ansätze liegt. Während eine Heilung aktuell noch nicht in Reichweite ist, können kombinierte therapeutische Ansätze in naher Zukunft eine deutliche Verlangsamung des Krankheitsverlaufs und eine Verbesserung der Lebensqualität ermöglichen.