Oktober 2024 – Ausgabe 44

Die Endoprothese am oberen Sprunggelenk: Infinity® TEP mit Prophecy® präoperativer Navigation

Dr. med. André Morawe
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Schlüsselwörter: Arthrose des oberen Sprunggelenks, Arthrodese, OSG-Endoprothese

Die konservative Therapie der fortgeschrittenen Arthrose des oberen Sprunggelenks führt häufig nicht zu befriedigenden Ergebnissen, die Arthrodese des oberen Sprunggelenks wiederum geht mit einer Funktionseinbuße und einer Mehrbelastung benachbarter Gelenke sowie einem veränderten Gangbild einher. Die Endoprothetik des OSG führt hingegen zu sehr guten funktionellen Ergebnissen mit hoher Patientenzufriedenheit und zu zuverlässigen und sicheren Prothesenstandzeiten dank moderner Prothesen.

Die Arthrose des oberen Sprunggelenkes zeigt eine Inzidenz von 4,4 Prozent aller Arthrosen der großen Gelenke. Sie ist ein häufiger Endpunkt insbesondere nach Frakturen des oberen Sprunggelenks, bei Instabilitäten, Deformitäten sowie bei chronisch entzündlichen Gelenkerkrankungen. Oft führt dies zu immobilisierenden Schmerzen mit Funktionsverlust des Gelenks. Bei fortgeschrittener Arthrose des oberen Sprunggelenks führt die konservative Therapie (z. B. mit Belastungsreduktion und Anpassung von schafthohen Arthrodesenstiefeln) jedoch häufig nicht zu befriedigenden Ergebnissen, insbesondere bei funktionell anspruchsvollen und mobilen Patientinnen und Patienten.

Als Alternative zur Endoprothese bei ausgeschöpfter konservativer Therapie führt die Arthrodese des oberen Sprunggelenks zwar auch zu einer zuverlässigen Belastbarkeit und Patientenzufriedenheit, allerdings auf Kosten der Funktion im oberen Sprunggelenk. Zusätzlich entsteht eine Mehrbelastung benachbarter Gelenke mit der Gefahr einer Anschlussarthrose und einem veränderten Gangbild.

Bei der Alternative zur Arthrodese, der Endoprothese des oberen Sprunggelenks, sollten als Kontraindikationen stattgehabte bakterielle Infektionen, die Spontaneinsteifung des Gelenks sowie operativ nicht korrigierbare Achsfehlstellungen und Bandinstabilitäten berücksichtigt werden.

Endoprothesen werden seit circa 60 Jahren im oberen Sprunggelenk eingesetzt mit verschiedensten Prothesendesigns, wobei viele Lösungsansätze sich nicht als zielführend erwiesen haben und wieder verlassen wurden. Dies liegt insbesondere an der Komplexität des oberen Sprunggelenks und hat zum großen Teil mit der besonderen Anatomie und Biomechanik des oberen Sprunggelenks zu tun – ein relativ kleines Gelenk trägt die gesamte Körperlast in einem dynamischen Bewegungsablauf. Hierbei kam es in der Frühphase der Endoprothetik am oberen Sprunggelenk zu einer recht, insbesondere durch Zystenbildung durch hohen PE Abrieb, hohen Anzahl an Prothesenlockerungen, sodass in der Vergangenheit sogar der Trend zur Versteifung wieder zugenommen hat.

Die Infinity® Sprunggelenksprothese

Mit der inzwischen seit über zehn Jahren verfügbaren Infinity® Sprunggelenksprothese (Stryker, Mahwah, USA) zeichnet sich ein Paradigmenwechsel ab. Die Vorteile einer modernen OSG-Endoprothese gegenüber einer Arthrodese liegen in einer hohen Patientenzufriedenheit, einer erhaltenden Biomechanik und einer schnelleren Rehabilitation bei verlässlicherer Implantationstechnik (Abb. 1, 2).

Dies liegt zum einen am Prothesendesign, bei der das ursprüngliche Prinzip des mobile bearing, bei dem der Kunstoffgleitkern zwischen den Prothesenkomponenten frei beweglich ist, zugunsten eines fixierten Inlays verlassen wurde. Ein großer Vorteil ist, dass das mit der tibialen Komponente verbundene Inlay den Talus zentriert und hiermit ein sicheres Alignment der talaren Komponente ermöglicht. Die Prothese besteht aus einer hochpolierten Chrom-Kobalt-Legierung, ist mit Titanplasma besprüht und verfügt über ein ultrahartes Polyethylen-Inlay mit sehr geringen Abriebeigenschaften (Abb. 3).

Bei schwierigen Knochenverhältnissen kann das modulare System auch als sogenannte Inbone-Variante mit einem kräftigen zentralen Zapfen für eine tiefere talare Verankerung genutzt werden. Darüber hinaus sind modulare Stemaufbauten für die Tibia verfügbar, sodass auch Prothesenwechseloperationen möglich sind und eine Revisionssituation nicht zwangsläufig in eine additiven Arthrodese des oberen Sprunggelenks münden muss (Abb. 4).

Planung und Navigation

Der zweite große Vorteil liegt in der prä-operativen softwaregestützten Planung und Herstellung von individuell hergestellten Navigationslehren („Prophecy“- Protokoll), die eine personalisierte prä-operative Navigation ermöglichen. Hierbei wird die Beinachse mit einer standardisierten Computertomographie zuvor ausgemessen, um die Größe und das Prothesen-Alignment für das Implantat zu bestimmen und einen idealen Sitz der Prothese festzulegen. Dafür werden 3-D-gedruckte Kunststoffblöcke separat für die distale Tibia und für den Talus hergestellt und korrespondierende negative Navigationslehren für die zuvor individuell bestimmte Prothesengröße angefertigt. Die notwendigen Osteotomien können auf Basis der „Adaptis Resect-Through Guides“ direkt durch die aufgesetzten Navigationslehren durchgeführt werden (Abb. 5, 6).

In der präoperativen Analyse können zusätzlich Besonderheiten wie Achsfehlstellung und eventuelle Zysten berücksichtigt werden. Durch die Planung lassen sich die Größe der Komponenten, die Achse und das Alignment mit einer hohen Sicherheit bestimmen. Darüber hinaus reduziert sich die Operationszeit durch die wesentlich geringer notwendigen Achs- und Größenbestimmung intraoperativ um gut die Hälfte auf etwa eine Stunde. Die Reduktion der notwendigen Röntgenkontrollen führt zu einer deutlich geringeren Strahlenbelastung für die Patientinnen und Patienten und das Operationsteam.

Bei einer begleitenden Achsfehlstellung des Rückfußes können einzeitig eine eventuell notwendige kalkaneare Verschiebeosteotomie oder auch Bandrekonstruktionen am oberen Sprunggelenk durchgeführt werden. Im Falle einer begleitenden fortgeschrittenen subtalaren Arthrose ist einzeitig mit der Prothesenimplantation eine zusätzliche subtalare Arthrodese möglich (Abb. 7).

Nachbehandlung

Ein weiterer Vorteil der OSG-Endoprothetik gegenüber der Arthrodese liegt in der schnelleren Rehabilitation. Nach primärer Wundheilung können die Patientinnen und Patienten nach zwei Wochen zügig und schmerzadaptiert in einem postoperativen Walker voll belasten. Raumgreifendes Gehen im Sportschuh ist meist nach sechs Wochen möglich.

Klinische Daten

Die klinische Datenlage zeigt ein sehr zufriedenstellendes Gesamtbild. In einer randomisierten Multicenter Level II-III Studie konnte bei 503 Patientinnen und Patienten bei einem Zweijahres-Follow-up eine Überlebensrate der Prothese von 98,8 Prozent und bei einem Fünfjahres-Follow-up bei 93,8 Prozent der Patientinnen und Patienten ein exzellentes Ergebnis nachgewiesen werden. Die Revisionsquote lag bei einem Prozent. Extrapoliert man diese Daten, kann von Langzeitüberlebensraten der Prothesen von 90 Prozent nach zehn Jahren ausgegangen werden. Die Studie wird prospektiv fortgeführt, um Langzeitergebnisse zu etablieren.

Fazit

Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die Infinity® OSG TEP in Verbindung mit dem Prophecy® Navigationssystem eine sichere und reproduzierbare Implantationstechnik der zementfreien OSG-TEP erlaubt. Sie führt bei mittlerweile über 60.000 Implantationen weltweit zu einem guten funktionellen Ergebnis mit hoher Patientenzufriedenheit. Auch Prothesenwechseloperationen werden durch das modulare Implantatsystem technisch zunehmend realisierbar.