Oktober 2024 – Ausgabe 44

Langzeitversorgung von chronischen Humeruskopffrakturen

Prof. Dr. med. Peter Habermeyer

Schlüsselwörter: Humeruskopffraktur, avaskuläre Humeruskopfnekrose, schaftfreie Humeruskopfprothese

Bei jüngeren Patientinnen und Patienten mit avaskulärer Humeruskopfnekrose nach operativ versorgter Humeruskopffraktur sollte gezielt nur der zerstörte Humeruskopf ersetzt werden, um spätere Revisionen nicht zu erschweren. Das gelingt am besten mit schaftfreien Humeruskopfprothesen, wie der hier dargestellte Fall mit 19 Jahren Nachbeobachtungszeit zeigt.

Die chronischen Frakturfolgen nach operativ versorgter Humeruskopffraktur münden entweder in der avaskulären Humeruskopfnekrose oder in der posttraumatischen Fragmentfehlstellung mit der Folge einer Inkongruenzarthrose. In der Regel handelt es sich um ältere, nicht mehr aktive Patientinnen und Patienten, die, begleitet von Defekten oder Atrophien der Rotatorenmanschette, mit einer inversen Schulter-Totalprothese im Alltag wieder gut zurechtkommen. Das Problem stellen jedoch die jüngeren Patientinnen und Patienten unter 50 Jahren dar, die nach prothetischer Versorgung mit einem weiteren Eingriff in der Zukunft leben müssen. Operatives Ziel muss es sein, durch das in jungen Jahren gesetzte Implantat eine spätere prothetische Revision nicht zu erschweren oder zu behindern.

Es stellt sich die Frage nach der Implantatwahl. Ziel muss es sein, ohne Pfannenersatz und unter Verzicht auf eine Humerusschaftprothese gezielt nur den zerstörten Humeruskopf zu ersetzen. Ein Pfannenersatz ist nur bei gleichzeitiger traumatischer Pfannenschädigung notwendig, was selten der Fall ist. Insbesondere bei der unfallbedingten avaskulären Humeruskopfnekrose ist der Pfannenknorpel selbst nach mehreren Jahren nur leicht chondromalazisch geschädigt, sodass kein Pfannenersatz notwendig ist.

Schaftprothesen, insbesondere wenn sie nicht modular konvertierbar sind, müssen als obsolet angesehen werden, weil sie im Revisionsfall immer ausgebaut werden müssen, was mit einer hohen Komplikationsrate einhergeht. Ideale Implantate für den posttraumatischen Humeruskopfersatz sind die seit 2004 im Markt befindlichen schaftfreien Kopfprothesen. Alternativ können auch Kurzschaftprothesen verwendet werden, da sie leichter als Langschaftprothesen ausbaubar sind.

Weichteilkontrakturen und Atrophien der Rotatorenmanschette sind die ständigen Begleiter bei den chronischen Kopffrakturen. Echte traumatische Defekte der Rotatorenmanschette sind sehr selten, da bei jüngeren Patientinnen und Patienten beim Unfall entweder eine Fraktur oder eine Sehnenruptur eintritt, aber höchst selten beides gleichzeitig. Beim chirurgischen Vorgehen ist daher auf eine großzügige Arthrolyse mit semizirkulärer Kapsulotomie sowie Tenolyse der gesamten Rotatorenmanschette zu achten.

Kasuistik

Im Folgenden soll die Versorgung einer zum Unfallzeitpunkt 34-jährigen Patientin als Beispiel einer den Langzeitaspekt einer Sanierung berücksichtigenden prothetischen Versorgung einer avaskulären Humeruskopfnekrose dargestellt werden.

Es handelt sich um die Folgen eines Verkehrsunfalles im Jahr 2000. Die Patientin erlitt unter anderem eine Humeruskopf-Mehrfragmentfraktur, welche primär mittels Marknagelosteosynthese versorgt worden war. 2002 erfolgte die Metallentfernung. Im weiteren Verlauf kam es zur Ausbildung einer Humeruskopfnekrose im Stadium IV nach Crues (Abb. 1). Die Rotatorenmanschette war kernspintomographisch und klinisch intakt. Die glenoidale Gelenkfläche zeigte keine arthrotische Beteiligung. Es bestand die Indikation zur zementfreien Kopfprothese. Der Eingriff erfolgte 2005, die Patientin war zum OP-Zeitpunkt 39 Jahre alt.

Der intraoperative Situs zeigte eine typische Knorpelerweichung und Sinterung der Kopfkalotte (Abb. 2), die glenoidale Gelenkfläche erwies sich trotz der fünfjährigen Anamnese als weitgehend intakt. Als Implantat kam die schaftfreie Humeruskopfprothese vom Typ Eclipse (Fa. Arthrex, Freiham) zum Einbau, da sie neben der metaphysären Schraubenverankerung auch eine kortikale Abstützung des Kalottenträgers zusätzlich aufweist (Abb. 3).

Anhand der Röntgen-Verlaufskontrollen (Abb. 4, 5, 6) konnte bis heute ein stabiler Sitz der Kopfprothese nach 19 Jahren Standzeit dokumentiert werden. Erwartungsgemäß kommt es über die Jahre zu einer sekundären Pfannenarthrose, die von der Patientin schmerzarm toleriert wird. Die Elevation des Armes gelingt heute bis 120°, Abduktion 90° und Außenrotation 20°, Innenrotation bis LWK 3.

Bei weiter fortschreitender Pfannenarthrose wird sicherlich ein Prothesenwechsel mit Implantation einer inversen Schulter-TEP notwendig werden. Die Patientin ist dann aber in einem Alter, in dem sie mit dem gewechselten Implantat ohne weitere Revision ein hohes Lebensalter erreichen kann.