Oktober 2024 – Ausgabe 44
Behandlung einer chronischen beidseitigen lateralen Patellaluxation bei angeborener Kniedeformität
Schlüsselwörter: Patellaluxation, komplexe Kniedeformität, Patella baja, patellofemorale Dysplasie
Ein junger Mann, damals 20 Jahre alt, stellte sich Anfang 2020 erstmals mit erheblichen Beschwerden in beiden Kniegelenken vor. Diese sind auf eine chronische laterale Patellaluxation beidseits bei komplexer angeborener Kniedeformität und Zustand nach mehrfachen Voroperationen in anderen Kliniken zurückzuführen (Abb. 1).
Die medizinische Herausforderung lag zum einen im ständigen Luxieren der Patella aus ihrem Gleitlager in beiden Kniegelenken, das durch die komplexe Kniedeformität verursacht wird, und durch die Fehlstellung v. a. des rechten Beines, welche die Luxationen begünstigt. Erschwert wurde die Situation durch erhebliche Narben, die durch die Voroperationen entstanden sind, sowie im Auftreten eines erheblichen Krepitus bei Bewegung.
Diagnostische Untersuchung vor Ort
Beide Knie waren passiv noch gut beweglich bei einem Bewegungsausmaß von Extension/Flexion 5-0-140°. Allerdings kam es bei jeder Bewegung, v. a. rechts, zu einer Luxation der Patella.
Die bildgebende Diagnostik bestand aus Röntgen- und MRT-Aufnahmen. Rechtsseitig (Abb. 2a-d) zeigte sich eine schwere patellofemorale Dysplasie. Ein Patellafirst ist nicht vorhanden. Die Trochlea ist dysplastisch angelegt, aber nicht vollständig mit Knorpel bedeckt. Das Retinaculum patellae ist durch die Voroperationen vollständig durchtrennt und es besteht ein großer Knorpelschaden (3-4°) im Bereich der posterolateralen Femurkondyle mit subchondralem Ödem.
Linksseitig (Abb. 3 a,b) ähnliche Darstellung, insgesamt aber nicht ganz so ausgeprägt wie rechts.
Operatives Vorgehen
Aufgrund der stärkeren Schmerzen im rechten Kniegelenk wurde diese Seite zuerst operiert. Der operative Eingriff erfolgte in fünf Arbeitsschritten: Zunächst wurde eine varisierende laterale suprakondyläre Open-Wedge-Osteotomie zur Achskorrektur und zur Entlastung des Knorpelschadens lateral vorgenommen. Im zweiten Schritt erfolgte eine ausgedehnte Retikulumverlängerung, um die Patella überhaupt zentrieren zu können. Daraufhin wurde drittens eine zementfreie Inlay-Trochleaersatz-Sonderprothese (HemiCAP WAVE) eingesetzt und als vierter Schritt eine Proximalisierung und Medialisierung der Tuberositas tibiae mit Spongiosaplastik und Osteosynthese durchgeführt. Schließlich wurde fünftens eine MPFL-Ersatzplastik mit Quadrizepssehne zur medialen Stabilisierung der Patella vorgenommen (Abb. 4 a, b).
Verlauf
Der Patient konnte das Bein ca. sechs Wochen nach der Operation mit Unterarmgehstützen teilweise belasten. Zusätzlich war das Tragen einer Orthese erforderlich. Die Belastbarkeit und Beweglichkeit konnten kontinuierlich gesteigert werden. Luxationen traten nicht mehr auf.
Sieben Monate später waren die Planung und die Durchführung der OP der linken Seite nach dem gleichen Verfahren, jedoch ohne varisierende Femurosteotomie, möglich.
Schließlich wurde im letzten Eingriff eine beidseitige Metallentfernung durchgeführt.
Rechtes Kniegelenk: Die Bildgebung des rechten Kniegelenks zehn Monate postoperativ (Abb. 5 a-c) zeigt in der ap-Aufnahme von vorne die Durchbauung der Femurosteotomie (a). In der seitlichen
Aufnahme ist nun eine korrekte Positionierung der Patella bei regelrechter Implantatlage der Wave-Prothese mit ebenfalls knöchern verheilter Tuberositasosteotomie an der Tibia nach Osteosynthese mit 3 Schrauben (b). In der axialen Aufnahme ist nun ein korrekter Stand der Patella zu erkennen (c).
Linkes Kniegelenk: In der Bildgebung des linken Kniegelenks vier Monate postoperativ (Abb. 6 a-c) zeigt sich analog zur rechten Seite die regelrechte Implantatlage der Wave-Prothese und die Positionierung der Patella in der seitlichen und axialen Röntgenaufnahme.
Ergebnis
Die Operation liegt nun vier Jahre zurück. In der Zwischenzeit hat der Patient seinen „sitzenden“ Beruf gewechselt und übt nun Tätigkeiten aus, die mehr Bewegung im Alltag erfordern. Das ist für die Genesung sehr hilfreich. Größere sportliche Aktivitäten sind zwar nicht möglich, aber der junge Mann unternimmt viele Spaziergänge, die seiner Gesundheit guttun.
Bei Wetterumschwüngen, vor allem bei Kälte, spürt der Patient zwar noch seine Knie, hat aber keine Beschwerden mehr. Aktivitäten wie Hocken sind noch nicht möglich. Dazu fehle ihm noch die Übung und er möchte sich langsam herantasten. Luxationen sind nicht mehr aufgetreten. Die Beweglichkeit in Extension/Flexion ist fast normal. Insgesamt ist er schmerzfrei und mit dem Ergebnis sehr zufrieden.
Diskussion und Fazit
In Anbetracht der hochgradigen angeborenen Problematik, der vielfachen Voroperationen und des jungen Alters des Patienten bestand eine sehr schwierige Ausgangslage.
Kritisch ist vor allem die Verwendung des Trochleaimplantates (Wave-Prothese) bei dem jungen Patienten zu diskutieren. Eine Trochleaplastik wäre zwar möglich gewesen, ohne vorhandenen Knorpel im oberen Trochleabereich allerdings sehr schwierig und in Bezug auf die Schmerzsymptomatik mit hoher Unsicherheit verbunden. Eine Patellastabilisierung ohne neue Trochlea war intraoperativ nicht möglich. Die erfolglosen Voroperationen der medialen Stabilisierung haben dies schon vorausahnen lassen. Eine Lockerung stellt bei den Wave-Prothesen nach der bisherigen Erfahrung von über zehn Jahren kein Problem dar.
Ein sekundärer Retropatellaersatz könnte in der Zukunft nötig sein. Der bisherige Verlauf über vier Jahre bestätigt die Vorgehensweise mit einer nun deutlich verbesserten Lebensqualität für den Patienten.