Oktober 2024 – Ausgabe 44

Rekonstruktion einer schwersten Destruktion des Tibiaplafonds nach Pilonfraktur

Thermann

Prof. Dr. med. Hajo Thermann
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Schlüsselwörter: Pilon-Luxationsfraktur, Knorpelrekonstruktion, Spongiosaplastik

Einer jungen Patientin mit komplett destruiertem Tibiaplafond mit ausgedehntem Defekt konnte die OSG-Arthrodese erspart werden – durch eine aufwendige Rekonstruktion mit Spongiosaplastik und Knorpelrekonstruktion.

In unserer Praxis stellte sich eine 19-jährige Patientin vor, die sich vor einem Jahr bei einem Autounfall eine Pilon-Luxationsfraktur des linken Sprunggelenkes zugezogen hatte und alio loco mit Osteosynthese und Transfixation der Syndesmose operiert wurde. Die Patientin war seit der Operation nicht mehr in der Lage, ohne Unterarmgehstützen zu laufen.

Im oberen Sprunggelenk (OSG) war nur eine Beweglichkeit von 0-0-10° unter Schmerzen möglich. Die Patientin wünschte eine Zweitmeinung, da man ihr eine OSG-Arthrodese als Behandlungsmöglichkeit vorgeschlagen hatte.

Die diagnostischen Befunde von MRT und Röntgen zeigten ein komplett destruiertes Tibiaplafond mit Defektsituation (Abb. 1). Statt einer vollständigen Versteifung des Gelenks (Arthrodese) wurde der jungen Frau eine Rekonstruktion mit Spongiosaplastik und Knorpelrekonstruktion vorgeschlagen – mit einem gewissen Risiko des Misserfolges.

Die Operation wurde rein arthroskopisch durchgeführt. Als Erstes wurde eine komplette Arthrolyse durchgeführt, danach erfolgte ein komplettes Debridement der Defektzone des Tibiaplafonds. Anschließend wurde der Aufbau mit einer Fibrinschicht und Knochenmarksschicht durchgeführt und zum Schluss Spongiosa eingebracht, die nochmals mit Fibrin fixiert und mit einer Hyalofastmembran abgedeckt wurde (Abb. 2)

Im Bereich des Talus zeigten sich nur geringgradige Veränderungen im Verhältnis zum Pilon, sodass hier nur Knochenmark mit Fibrinmatrix und Hyalofastmatrix implantiert wurde. Die Patientin konnte nach einer Einwachsphase von zwei bis drei Tagen in einem Gips entlassen werden, der Bewegung erlaubt und die durch Physiotherapie gefördert wird.

Über einen Zeitraum von ungefähr zwei Monaten wurde alle zwei Wochen autologes konditioniertes Plasma (ACP) injiziert. Kontinuierliche Kontrollen im Kernspin zeigten eine zunehmende Konsolidierung. Die Patientin war erstmals beschwerdefrei in ihren Bewegungen.

Verlauf

Nach zwölf Wochen wurde mit einem vorsichtigen Vierpunktegang angefangen, um dann innerhalb von zwei Wochen unter Belastungstoleranz zur Vollbelastung überzugehen. Zu diesem Zeitpunkt war die Patientin Medizinstudentin. Schon nach fünf Monaten konnte sie auch die praktischen Übungen des Studiums wieder aufnehmen.

Ergebnis

Bei der Nachuntersuchung nach fünf Jahren zeigte sich eine Wiederherstellung des Gelenkspaltes mit Auffüllung der Defekte. Obwohl der Regenerat-Knorpel im Kernspin mit noch normalen deutlichen Signalveränderungen sichtbar war, waren die Defekte in beiden Ebenen aufgefüllt und der Gelenkspalt wieder normal (Abb. 3).

Die Patientin arbeitete während ihres Medizinstudiums mit normaler Belastung. Sie ist sogar wieder in der Lage, Schuhe mit hohen Absätzen zu tragen (Abb. 4).

Zusammenfassend kann man sagen, dass der Verlauf dieser Defektsituation außergewöhnlich ist.

Fazit

In der beruflichen Laufbahn des Autors gibt es nur fünf Fälle mit vergleichbaren Pilonläsionen. Aus seiner Sicht sind Defekte im Bereich des Talus in dieser Größenordnung nicht regenerierbar, während sich Defekte im Bereich des Pilon als „gutartig“ erweisen und hier mit der entsprechenden Technik, zum Teil mit supramalleolärer und kalkanearer Umstellung zusätzlich zur Knorpelrekonstruktion und Spongiosaplastik, eine dauerhafte und nachhaltige Wiederherstellung des Gelenkes erreicht werden kann.