Mai 2024 – Ausgabe 43
Prävention und Sport – herzgesund und fit in den Sommer
Dr. med. Falko Frese
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Schlüsselwörter: Prävention, Training, Sportmedizin, Neck-Check, Return to Sport
Um fit und gesund ins Sommerhalbjahr zu starten, gibt Ihnen dieser Beitrag eine Übersicht über sportliche Aktivitäten und deren strukturierte Gestaltung im Trainingsaufbau sowie nach Krankheitspausen („Return to Sport“). Außerdem erhalten Sie wichtige Hinweise zu medizinischen Daten und Fakten und erfahren, warum regelmäßige internistische Check-ups auch bei sportlich aktiven Menschen wichtig sind.
Herz-Kreislauf-Erkrankungen: Ein weltweites Problem
Herz-Kreislauf-Erkrankungen, vor allem die ischämische Herzkrankheit und Schlaganfälle, sind hochprävalent und die Hauptursache für die weltweite Sterblichkeit. Die derzeit größte epidemiologische Erfassung von Gesundheitsdaten bietet die sogenannte „Global Burden of Disease Study“ (GBD), die regelmäßig in der renommierten Zeitschrift „The Lancet“ erscheint. Sie ist eine fortlaufende multinationale Studie, die Daten zur Einschätzung der Gesundheit auf Bevölkerungsebene bereitstellt. Hierbei werden die Verteilung und die Zunahme von Erkrankungen sowie Todesfälle, Sterblichkeit und Gesundheitsrisiken von 204 Ländern einbezogen. Aktuell liegen Daten für die Zeitspanne 1990 bis 2019 vor, die insbesondere im Bereich der koronaren Herzerkrankung (KHK) einen deutlichen Anstieg zeigen: Im Jahr 1990 lag die Zahl der Fälle von KHK weltweit bei 271 Millionen, sie hat sich bis zum Jahr 2019 mit 523 Millionen fast verdoppelt. Zeitgleich sind auch die Todesfälle an KHK von 12,1 Millionen im Jahr 1990 auf 18,6 Millionen im Jahr 2019 gestiegen [1]. Diese Zahlen verdeutlichen, wie wichtig Prävention und Sport heute im Alltagsleben sind.
„Sitzen ist das neue Rauchen!“
„Wer rastet, der rostet!” Regelmäßige Bewegung ist gesund für Körper und Geist und gilt als relevanter Kofaktor für eine höhere Lebenserwartung. Die Gründe für die positiven Auswirkungen durch Bewegung sind vielfältig. Wichtig ist allerdings, dass die sportliche Aktivität zu einer relevanten Aktivierung des Herz-Kreislauf-Systems führt, was sich beispielsweise in einem Anstieg der Herzfrequenz und der Atemfrequenz feststellen lässt. Zur Gesundheitsprävention empfiehlt die Weltgesundheitsorganisation (WHO) insgesamt 150 bis 300 Minuten pro Woche moderate Aktivität oder 75 bis 150 Minuten pro Woche anstrengende Aktivität [2].
Zu moderater Aktivität gehören z. B. zügiges Spazierengehen, Tanzen, Radfahren, aber auch Hausarbeit, wohingegen zu anstrengender Aktivität etwa Joggen, Schwimmen oder sportliches Radfahren zu zählen sind. Zum von der WHO genannten Trainingsumfang zählt jede einzelne Minute, d.h. jeder Schritt und jede Treppe. Wer allerdings seine körperliche Leistungsfähigkeit bzw. die Ausdauer verbessern möchte, dem wird zwei- bis dreimal / Woche ein Ausdauertraining (Schwimmen, Radfahren, Joggen) von 30 bis 60 Minuten Dauer empfohlen. Hier gilt es jedoch unbedingt, den aktuellen „Trainingszustand“ und ggf. auch gesundheitliche Beeinträchtigungen wie Vorerkrankungen oder auch orthopädische Beschwerden zu beachten, um eine Überlastung zu verhindern.
Speziell für ältere Menschen ab 65 Jahren und Senioren empfiehlt die WHO neben Ausdauertraining auch sportliche Aktivität zum Muskelaufbau, Gleichgewichts und Koordinationstraining an mindestens drei Tagen pro Woche. Die Ausübung von Ausdauersportarten, wie Laufen und Radfahren, hat nachgewiesenermaßen zahlreiche positive Effekte auf den Körper. Besonders das Herz-Kreislauf-System profitiert durch ein aerobes, weniger stark belastendes Training. Sowohl bei gesunden Menschen als auch bei Menschen mit kardiovaskulären Vorerkrankungen, wie einer koronaren Herzerkrankung und Zustand nach Herzinfarkt, führt Ausdauersport z. B. zu einer Senkung des Blutdrucks. Bei regelmäßigem Training ergeben sich weitere positive Effekte, wie z. B. die Ökonomisierung der Herzarbeit, ein verbesserter Energiestoffwechsel und eine gesteigerte Insulinempfindlichkeit. Bei Menschen mit bereits bestehenden chronischen Erkrankungen (hierzu zählen neben Herz-Kreislauf-Erkrankungen u. a. auch Krebserkrankungen) kann körperliche Aktivität und regelmäßiges Training, das von internistisch-sportmedizinischer Seite begleitet wird, in manchen Fällen sogar einen größeren therapeutischen Nutzen entfalten als die Einnahme von Medikamenten allein.
Wearables und Fitnesstracker
Smartwatches und Fitnesstracker, die am Handgelenk getragen werden, können die Motivation zu mehr täglicher Aktivität und Bewegung fördern. Da von diesen Geräten kontinuierlich Daten aufgezeichnet werden, ergibt sich auch ein medizinischer Nutzen, da vorerkrankte Menschen, z. B. mit Herzrhythmusstörungen, ihre Herzfunktion (Pulsschlag etc.) überwachen können. Auch im Bereich der Präventivmedizin hat sich gezeigt, dass ein mit Wearables durchgeführtes Screening in großen Populationen zur Früherkennung bislang unbekannter Herzerkrankungen wie Vorhofflimmern beitragen kann [3]. Der Vorteil von Wearables und Fitnesstrackern im Alltag sind die zahlreichen verfügbaren Programme zur individuellen Aktivitätsmessung. Zum Einstieg empfiehlt sich z. B. das Schritte zählen. Aus Studien ist bekannt, dass Menschen, die im Mittel 8000 Schritte am Tag gehen, allgemein gesünder und weniger krank sind als Menschen, die lediglich 3000 bis 4000 Schritte am Tag gehen [6]. Allerdings ist aus sportmedizinischer Sicht und auf Basis der oben bereits erwähnten Empfehlungen der WHO zu betonen, dass ein gemütlicher Spaziergang mit 8000 Schritten noch keine sportliche Aktivität ist.
Sportmedizinischer Check-up
Die sportmedizinische Vorsorgeuntersuchung im Bereich der Präventivmedizin dient der Erkennung latenter oder bereits vorhandener Krankheiten, die eine potenzielle Gefährdung für Patientinnen und Patienten darstellen können. Ziel der Vorsorgeuntersuchung ist es, gesundheitliche Risiken zu mindern und eine optimale Ausübung von Sport und körperlicher Aktivität für alle Sporttreibenden zu ermöglichen [4]. Ein solcher Check-up wird von der Deutschen Gesellschaft für Sportmedizin und Prävention (DGSP) in ihrer aktuellen S1-Leitlinie für sportlich aktive Menschen ab 35 Jahren empfohlen. Aber auch für Jüngere ist ein sportmedizinischer Check-up sinnvoll, z. B. wenn ambitioniert Sport getrieben wird. Ein internistischer sportmedizinischer Check-up besteht – je nach Alter, Risiken und Vorerkrankungen – aus einer ausführlichen Anamnese, einer körperlichen Untersuchung, einem Ruhe-EKG, einem Belastungs-EKG und ggf. einem Ultraschall des Herzens (Echokardiographie). Weitere Erkenntnisse liefern eine Spiro-Ergometrie und eine Laktat-Leistungsdiagnostik. So können neben einem tieferen Einblick in das Zusammenspiel von Herz und Lunge auch Rückschlüsse auf den Fett- und Kohlenhydratstoffwechsel gezogen werden. Zudem eignen sie sich, um einerseits die individuelle Leistungsfähigkeit und Belastungsgrenzen zu ermitteln und andererseits, um für ambitionierte Hobby- und Leistungssportlerinnen und -sportler Informationen zur Trainingsoptimierung und Steuerung der Belastungsintensität zu gewinnen.
Vorsicht bei Infekten
Für sportlich ambitionierte Menschen ist insbesondere bei einem Infekt relevant, wann Sport gefährlich wird, und ob und ggf. wann wieder mit einem leichten körperlichen Training begonnen werden kann. Bei anhaltenden und zunehmenden grippalen Symptomen mit mehrtägigem Fieber sollte in jedem Fall ein Arzt bzw. eine Ärztin (im Idealfall Sportmedizin) aufgesucht werden. Bei Fieber gilt auf jeden Fall Sportkarenz! Denn sowohl Viren als auch bakterielle Erreger können im schlimmsten Fall zu einer Entzündung des Herzmuskels, einer sogenannten Myokarditis, führen. Doch an welche Richtlinien sollte sich der sportlich aktive Mensch halten? Einen ersten Hinweis gibt der sog. „Neck-Check“: Vereinfacht dargestellt wird eine virtuelle Linie in Höhe des Halses gezogen. Liegen die Beschwerden über dieser Linie, also Kopfschmerzen, Schnupfen etc., kann eine leichte Aktivität in Betracht gezogen werden. Liegen die Beschwerden unterhalb der Linie, also Gliederschmerzen, Husten, retrosternaler Schmerz, Fieber etc., sollte in keinem Fall Sport getrieben werden. Bei anhaltenden Beschwerden ist eine (sport-)ärztliche Untersuchung angeraten.
„Return to sport“ nach COVID-19
Besonders in den Fokus rückte das Thema „Sport nach Infekten“ im Rahmen der zurückliegenden Coronapandemie. In den meisten Fällen verläuft eine Infektion mit dem SARS-CoV-2-Virus bei gesunden und sportlich aktiven Menschen mild und Folgeschäden an Organen, wie beispielsweise dem Herzen, lassen sich nur selten beobachten. Hinzu kommt, dass die Impfungen zu einer Änderung des Erkrankungsverlaufs in Art und Ausprägung geführt haben, was für die Rückkehr zum Training nach einer COVID-19-Erkrankung beachtet werden muss.
Ein Expertenpapier aus dem Jahr 2022 beschreibt ein Schema zur sportmedizinischen Diagnostik nach COVID-19, welches Berücksichtigung finden sollte [6]. Hier finden sich auch Symptomcharakterisierungen zur standardisierten Einordnung der Schwere der COVID-19-Erkrankung. Ein Algorithmus beschreibt zudem anhand der Schwere der COVID-19-Erkrankung das Prozedere zur Wiederaufnahme des Trainings (Return to Sport): Bei positivem Test auf das SARS-CoV-2-Virus und keinen Symptomen sollte eine dreitägige Trainingspause eingelegt werden. Gegebenenfalls kann eine sehr leichte sportliche Aktivität absolviert werden. Eine sportmedizinische Untersuchung vor Wiederaufnahme des Trainings ist nicht erforderlich. Bei leichten Symptomen sollte in jedem Fall bis drei Tage nach dem Abklingen keine sportliche Aktivität absolviert werden, auch hier ist nach Genesung keine (sport-)medizinische Untersuchung erforderlich. Bei moderaten Symptomen sollten vor einer sportlichen Aktivität mindestens drei symptomfreie Tage liegen. Zudem ist es angeraten, eine (sport-)ärztliche Diagnostik vor Trainingsbeginn durchführen zu lassen. Bei schweren COVID-19-Verläufen ist eine individuelle und spezifische ärztliche Untersuchung angeraten, bevor eine sportliche Aktivität wieder aufgenommen wird.
Generell gilt, dass nach einer Genesung (nach jeder Art von viraler oder bakterieller Infektion) zunächst ein Training mit leichter Intensität empfohlen wird, welches schrittweise in Abhängigkeit der individuellen körperlichen Verfassung gesteigert wird. Bei einem Wiederauftreten von Symptomen gilt ein sofortiger Trainingsstopp, zudem wird eine ärztliche Abklärung empfohlen [6].